Bischof Krämer setzte bei seinem Besuch der ökumenischen Beratungsstelle „Brückenstraße“ in Tübingen ein Zeichen für die psychologische Familien- und Lebensberatung.
Ohne dieses wichtige Angebot würde die „soziale Temperatur“ erheblich sinken und daher müsse es auch künftig das Ziel kirchlichen Engagements sein, hochwertige professionelle und vorbildhafte Angebote in diesem Bereich vorzuhalten, sagte der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart.
Im Zentrum seines Besuchs stand die Übergabe der neuen „Konzeption der Psychologischen Familien- und Lebensberatung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart“. Das Fachkonzept entstand in Zusammenarbeit zwischen der Hauptabteilung „Pastorale Konzeption“ des Bischöflichen Ordinariats und des Diözesancaritasverbands, in dessen Trägerschaft die Beratungsstellen der Diözese wechseln, um so künftig Doppelstrukturen zu reduzieren, Vernetzungen und Synergien zu fördern und um damit, wie Bischof Krämer zusammenfasste: „Effizienter zu werden, damit mehr Mittel für die tatsächliche Arbeit zur Verfügung stehen.“
Die neue Konzeption formuliert Qualitätsstandards wie die Arbeit in multiprofessionellen Teams, laufende Fortbildungen zur Qualitätssicherung oder die Supervision der Berater und den Anspruch, dort präsent zu sein, wo Menschen Unterstützung brauchen. „Unser kirchliches Angebot ist besonders in den Feldern von Bedeutung, die von anderen Stellen nicht ausreichend bearbeitet werden“, unterstrich Bischof Krämer. Nöte müssten erkannt und in zeitgemäßer professioneller Weise adressiert werden. Die psychologische Familien- und Lebensberatung in der Diözese stehe für eine zentrale Form gelebter Kirche, in der christliche Werte konkret erfahrbar werden. „Ja, das kostet Geld. Aber wir werden uns von dieser Aufgabe nicht zurückziehen“, betonte der Bischof angesichts rückläufiger Kirchensteuer-Einnahmen und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit, das Bestehende auf den Prüfstand zu stellen.
17 kirchliche Beratungsstellen
Insgesamt gibt es im Bereich der württembergischen Diözese zwischen Heilbronn und Friedrichshafen 17 kirchliche Beratungsstellen. Davon sind zehn Stellen in Trägerschaft des Diözesancaritasverbands und sieben bislang noch unter dem Dach der Diözese angesiedelt – vier hiervon in ökumenischer Trägerschaft gemeinsam mit der evangelischen Kirche. Beim Besuch von Bischof Krämer in der Brückenstraße beschrieb die evangelische Dekanin Elisabeth Hege den Ablauf bei einer Kontaktaufnahme so: „Zu uns kommen die Menschen mit ihrem Rucksack und dann wird zuerst sortiert und die Berater übernehmen die Funktion von Lotsen, um zu sehen, was genau gebraucht wird.“ In Anspruch genommen werden können Familien-, Erziehungs-, Ehe-, Paar- sowie die Lebensberatung.
Nachfrage nimmt zu
Die anwesenden Leiter umliegender Beratungsstellen berichteten übereinstimmend, dass die Nachfrage in ihren Regionen stark zugenommen habe und die Wartezeit auf ein Erstgespräch mittlerweile in Hochphasen bei acht bis zehn Wochen liege. Die Probleme seien vielfältiger und teils auch „heftiger“ geworden. Erschwerend komme hinzu, dass es gesamtgesellschaftlich immer weniger Unterstützungsangebote gibt, Wartezeiten von bis zu einem Jahr andernorts längst Realität seien und Hilfesuchende vor diesem Hintergrund vermehrt auf die kirchliche Beratung als kompetente und verlässliche Anlaufstelle verwiesen werden.
Mit ihrer Orientierung am christlichen Menschenbild stehe die kirchliche Familien- und Lebensberatung für eine wertschätzende und empathische Grundhaltung, die den Ratsuchenden hilft, aktuelle oder längerfristige Konflikt- und Krisensituationen zu bewältigen, Selbstheilungskräfte freizusetzen und die eigene Handlungsfähigkeit zu erweitern. Eine Selbstverständlichkeit dabei ist, dass das Angebot für alle Menschen offen ist – unabhängig von Herkunft oder Aufenthaltstitel, unabhängig von Religionszugehörigkeit, Weltanschauung, Geschlecht oder sexueller Orientierung.