Insbesondere für Frauen bringt das Homeoffice einige Nachteile mit sich. Foto: Klose

Homeoffice ist für viele in den letzten beiden Jahren zur Selbstverständlichkeit geworden. Man könnte meinen, dass insbesondere Frauen von der Flexibilität profitieren. Doch leider zeigt sich, dass das Homeoffice für die Karriere von Frauen ein Risikofaktor sein kann. Eine Sozialwissenschaftlerin erklärt, warum.

Oberndorf - In den letzten beiden Corona-Jahren hat sich im Bereich der flexiblen Arbeitsgestaltung durch das Homeoffice vieles verändert. Während vor der Pandemie in erster Linie Männer diese Arbeitsform für sich nutzten, arbeiten jetzt insbesondere Frauen mit Kindern viel häufiger im Homeoffice. Diese Entwicklung sei aber nicht nur positiv, wie die Sozialwissenschaftlerin Lena Hipp erklärt, die am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) das Thema Homeoffice untersucht.

Während der Pandemie

"Betrachtet man die Situation von Frauen im Homeoffice in den letzten beiden Jahren, ist es wichtig, zwischen zwei Phasen der Pandemie zu unterscheiden", erklärt die Sozialwissenschaftlerin. Nämlich zwischen der Phase des ersten Lockdowns, als Homeoffice geboten war, während zeitgleich auch Kindergärten, Kitas und Schulen geschlossen blieben und der Phase, als diese wieder geöffnet waren. Während des ersten Lockdowns im April 2020 waren den Angaben von Statista zufolge 27 Prozent der Arbeitnehmer im Homeoffice. "Eltern standen in dieser Zeit mit der Doppelbelastung aus beruflicher Tätigkeit im Homeoffice, Sorgearbeit und Haushalt unter großem Stress", erläutert Hipp. Aber auch zum jetzigen Zeitpunkt würden insbesondere Frauen vor der Herausforderung stehen, Familie und Beruf im Homeoffice miteinander zu vereinbaren.

Frauen und Männer nutzen Freiräume unterschiedlich

Wenn es in Familien um Tätigkeiten im Haushalt und bei der Kinderbetreuung gehe, erledige immer die Person, die derzeit im Homeoffice arbeite, mehr als der Partner, der außer Haus tätig sei, erklärt Hipp. Sind beide Partner im Homeoffice, würden sich zwar beide an Haushalt und Sorgearbeit beteiligen, wie im dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung zu lesen ist. Allerdings würden Frauen im Vergleich immer noch mehr als doppelt so viel Zeit pro Woche übernehmen. Während Frauen also die Freiräume, die durch Homeoffice entstehen, vor allem nutzen, um Haushalt und Familie in Einklang zu bringen, würden Männer diese Zeit eher für Überstunden verwenden.

Auch interessant: Wirtschaftsministerin gegen Recht auf Homeoffice

Probleme für Frauen

Dabei stoßen Frauen beim Aufbau ihrer Karriere im Homeoffice auf sehr praktische Stolpersteine. "Man wird leichter übersehen. Wenn ich zu Hause bin und von dort arbeite, können Vorgesetzte und Kollegen nicht sehen, was und wie viel ich arbeite," erklärt Hipp. Hier seien Frauen und Mütter immer noch vom sogenannten Flexibilitätsstigma betroffen - der Annahme, dass sie in ihrem Job wegen Haushalt und Sorgearbeit weniger produktiv seien. "Da denken viele: Die hängen doch parallel noch Wäsche auf und versorgen die Kinder", erläutert die Sozialwissenschaftlerin. Wägt man Vor- und Nachteile der Arbeit zu Hause gegeneinander ab, überwiegt für Lena Hipp die Gefahr, dass Leistungen von Frauen nicht ausreichend gesehen und so auch bei Beförderungen weniger berücksichtigt werden.

Zudem wirke sich die Doppelbelastung durch Job, Haushalt und Kinderbetreuung auch auf die Psyche aus. Insbesondere, wenn sich Arbeit bis spät in den Abend verlagere. So berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland unter Berufung auf eine repräsentative Forsa-Umfrage, dass jeder fünfte Berufstätige im Homeoffice über Niedergeschlagenheit und depressive Symptome klage. Zwei Drittel der Betroffenen seien Frauen.

Rückkehr zur traditionellen Rollenverteilung?

Angesichts der Nachteile für Frauen stellt sich auch die Frage: Findet hier durch Homeoffice eine Rückentwicklung zu klassischen Rollenbildern statt? Die Sozialwissenschaftlerin Lena Hipp meint, dass dies davon abhängig sei, welche Lösungen Familien im Alltag miteinander finden: "Es kommt auf die individuelle Konstellation an: Wer ist daheim? Beide Partner oder nur die Partnerin? Holt das Elternteil, das aushäusig arbeitet, die Kinder auch beispielsweise von der Kita ab und beteiligt sich am Haushalt?"

Welche Lösungsansätze gibt es?

In Anbetracht der Tatsache, dass Elternschaft immer noch ein Risiko für das Vorankommen im Beruf darstelle, müsse mehr für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie getan werden, empfiehlt Hipp. Als Beispiel nennt die Wissenschaftlerin die Möglichkeit, das Arbeitszeitvolumen pro Woche anders aufzuteilen. Bei einem klassischen Arbeitszeitvolumen pro Woche von 60 Stunden bei einem Elternpaar, arbeitet der Mann klassischerweise 40 Stunden und die Frau 20. Hier könnte eine Umverteilung sinnvoll sein, dass beide Elternteile je 30 Stunden arbeiten. So könnte ein Ungleichgewicht vermieden werden.

Lesen Sie auch: Diese Extras bieten Firmen für Familie und Pflege