Medienbildung in der Schule ist heute so wichtig wie nie zuvor. Foto: © Syda Productions – stock.adobe.com

Medienbildung ist Pflicht: Schulamtsleiterin Susanne Cortinovis-Piel erklärt, wie Schulen im Kreis digitale Kompetenzen vermitteln – und welche Chancen und Risiken sie dabei sieht.

Medienbildung ist Pflicht: Susanne Cortinovis-Piel, die Leiterin des Staatlichen Schulamts in Donaueschingen für die Landkreise Schwarzwald-Baar und Rottweil erklärt, wie Schulen in der Region digitale Kompetenzen vermitteln – und welche Chancen und Risiken sie dabei sieht.

 

Frau Cortinovis-Piel, als Leiterin des Staatlichen Schulamts für den Schwarzwald-Baar-Kreis in Donaueschingen haben Sie den Überblick: Ist das Thema Medienbildung zwischenzeitlich an allen weiterführenden Schulen im Landkreis fest im Bildungsplan und Unterricht verankert?

Ja, das Fach „Informatik und Medienbildung“ ist seit diesem Schuljahr neues Pflichtfach. Das neue Fach wird in den Klassenstufen 5 und 6 nach dem bisherigen Bildungsplan, Basiskurs Medienbildung unterrichtet. „Schülerinnen und Schüler an allen allgemein bildenden Schularten werden dabei unterstützt, sich sicher, verantwortungsvoll und selbstbestimmt in der digitalen Welt zu bewegen“, so die Information des Kultusministeriums.

Welche konkreten Maßnahmen wurden in den letzten Jahren ergriffen, um die digitalen Kompetenzen von Schülern zu stärken?

Zunächst wurden die Voraussetzungen durch den Medienentwicklungsplan geschaffen, so dass die Schulen flächendeckend eine entsprechende Ausstattung haben. Die Verankerung im Bildungsplan ist eine weitere, vor allem verpflichtende Maßnahme. Ein breites Angebot an Lehrerfortbildungen ermöglicht eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Viele Schulen nutzen den Spielraum des Bildungsplanes für zusätzliche Maßnahmen und Projekte. Diese können sich je nach Curriculum der Schule und individuellen Voraussetzungen von Schule zu Schule unterscheiden.

Susanne Cortinovis-Piel leitet das Staatliche Schulamt in Donaueschingen und steht im Interview Rede und Antwort. Foto: MelanieHeldFotografie

Wie gut sind die Schulen im Landkreis infrastrukturell auf digitale Bildung vorbereitet – insbesondere im Hinblick auf Ausstattung, WLAN und Endgeräte?

Die Ausstattung der Schulen liegt im Zuständigkeitsbereich der Schulträger. Hier gibt es von Schule zu Schule und von Schulträger zu Schulträger sicher Unterschiede, sie ist nach unserer Erfahrung aber generell gut und entspricht den Voraussetzungen, um den Bildungsplan gut umzusetzen.

Welchen Stellenwert nimmt Medienbildung im aktuellen Bildungsplan ein, und wie wird sie in den einzelnen Schularten umgesetzt?

Das Thema Medienbildung hat im Bildungsplan einen hohen Stellenwert und dieser ist in den letzten Jahren gestiegen. Das zeigt sich zum einen daran, dass ein eigenständiges Fach „Informatik und Medienbildung“ geschaffen wurde. Es wird an allen allgemeinbildenden Schulen einstündig ab Klasse 5 durchgängig unterrichtet. Schulartspezifisch unterschiedlich geht der Unterricht bis in Klasse 9, 10 oder 11. Zum anderen bleibt die Leitperspektive Medienbildung als übergreifendes Element erhalten.Einen großen Raum sollen in diesem Unterricht Themen wie KI, Fake News, Echokammern, Hatespeech, Verschwörungstheorien, aber auch Demokratiebildung einnehmen. In den unteren Klassen soll der Schwerpunkt mehr auf der Medienbildung liegen, in den höheren Klassen mehr auf der Informatik.

Und in welcher Form, welchen Schulfächern oder Arbeitsgemeinschaften wird Medienbildung an den einzelnen Schularten vermittelt?

Medienbildung kann außer in dem Fach selbst, in allen weiteren Fächern und in den unterschiedlichsten Kontexten stattfinden. Das ist unabhängig von der Schulart. Wichtig ist, dass der Einsatz von digitalen Medien kein bloßer Showeffekt oder Selbstzweck ist, sondern einen reellen Mehrwert für die Schüler darstellt.

Gibt es Fortbildungsangebote für Lehrkräfte im Bereich digitale Medien?

Parallel zur Einführung des bereits genannten neuen Fachs ist ein ergänzendes Fortbildungsangebot (I&Mpuls) entwickelt worden, das aus bestehenden Angeboten verschiedener Einrichtungen des Landes (ZSL, LMZ , LFK und lpb) zusammengestellt wird. Zudem gibt es umfassendere Fortbildungsmaßnahmen, wie zum Beispiel das einjährige Kontaktstudium Informatik.

Gibt es einen Unterschied zwischen jungen, beziehungsweise neuen Lehrkräften und den alten Hasen? Viele von ihnen waren doch längst ausgebildet, als Medienbildung für ihren Berufsalltag eine Rolle spielen sollte, andere sind quasi damit aufgewachsen….

Lebenslanges Lernen ist nicht nur unseren Schülerinnen und Schülern vorbehalten. Das gilt selbstverständlich auch für unsere Lehrerinnen und Lehrer, sowie natürlich auch für uns am Schulamt. Das Thema Medienbildung ist nicht neu, vielmehr gerät es jetzt immer mehr in den Fokus. Dennoch gibt es viele „erfahrene Hasen“, um in Ihrer Nomenklatur zu bleiben, die sich schon sehr früh, intensiv damit befasst haben. Hier gilt der Grundsatz, dass wir die Schülerinnen und Schüler da abholen müssen, wo sie stehen und wenn sich die Welt um uns verändert, spielt das selbstverständlich in unserem Schulalltag und in unserem Unterricht eine Rolle.

Wie gelingt es aus Ihrer Sicht, einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien in der Schule zu fördern?

Ein wichtiger Gedanke dabei ist, dass die digitale Technik nur Mittel zum Zweck ist. Richtig eingesetzt, ist sie der Gewinn, den wir uns wohl alle erhoffen. Die Gefahren liegen im Missbrauch der Technik und auch in der falsch verstandenen Technikgläubigkeit. Wir müssen unsere Schüler dazu bringen digitale Medien als Hilfsmittel zu verwenden und nicht als Ersatz für das eigenständige Denken und Hinterfragen. Bestes Beispiel sind die Ergebnisse, die durch Benutzung der KI entstehen. KI hilft riesige Datenmengen zu durchforsten und mit Algorithmen die wahrscheinlichste Antwort auf eine Frage zu generieren. Diese muss aber nicht richtig sein. Hier muss der Mensch selbst in der Lage sein, abzuschätzen, ob die Antwort richtig ist. Dazu benötigen wir ein hohes Maß an Wissen und Kompetenz mit Informationen umzugehen. Dies zu vermitteln ist auch Aufgabe von Schule.

Wie wird mit Risiken wie Cybermobbing, Datenschutz oder der Abhängigkeit von digitalen Medien im Schulalltag umgegangen?

In nahezu allen Schulordnungen ist der Gebrauch von privaten digitalen Medien genau geregelt und für private Zwecke untersagt. Durch die angestrebte Änderung des Schulgesetzes soll auch die Nutzung mobiler Endgeräte von Schülerinnen und Schülern in allen Schulen konsequent und verpflichtend reguliert werden, insbesondere um Störungen des Unterrichts und des Schulalltags zu verhindern sowie die Entwicklung und das soziale Miteinander der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Schulen sollen ermächtigt werden, Möglichkeiten, Einschränkungen und Verbote der Nutzung alters- und entwicklungsangemessen festzulegen und durchzusetzen.Dennoch liegt auch ein großer Teil der Verantwortung bei den Eltern. Wir entziehen uns nicht unserer Verantwortung, aber Cybermobbing findet häufig außerhalb der Schule und auf privaten Endgeräten statt. Der Einfluss der Schule ist hier sehr begrenzt. Deshalb sollten die Eltern unbedingt wissen, welche Inhalte sich auf dem Gerät des Kindes befinden, welche Apps vom Kind/Jugendlichen genutzt und welche Internetseiten besucht werden.Das Staatliche Schulamt Donaueschingen ist unter anderen Kooperationspartner des Präventionsprojekts „@Ed und ich“. Hierbei sehen Schülerinnen und Schüler der dritten und vierten Klasse ein Theaterstück, das die Gefahren der Nutzung digitaler Technik auf kindgerechte Weise thematisiert. Im Anschluss wird das Gesehene/Erlebte aufarbeitet. Im Rahmen des Projektes finden auch Elternabende zum Thema „Die Gefahren im Netz & Positive Mediennutzung“ statt. In diesem Jahr läuft das Projekt im Schwarzwald-Baar-Kreis. Bislang konnten so über 80 Schulen und damit über 3500 Schüler erreicht werden.

Warum ist Medienbildung heute so wichtig?

Medienbildung ist eine der Grundlagen, damit sich Schülerinnen und Schüler in der heutigen und zukünftigen Welt zurechtfinden können. Die digitale Welt steht uns allen offen und ist heute quasi eine Selbstverständlichkeit und Grundlage für Informationsfluss. Man muss aber Gefahren abschätzen können, um die Vorteile und vielfältigen Möglichkeiten wirklich nutzen zu können.

Was erwarten Sie von den Schulen und Lehrkräften in Sachen Medienbildung?

Vorbildcharakter, Fortbildungsbereitschaft, Datenschutz, Professionalität – nicht allein Computer AG mit Schachspiel.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen und Chancen der Medienbildung in den nächsten fünf Jahren?

Die unfassbare Dynamik ist eine der größten Herausforderungen. Die Datenmenge, die uns zur Verfügung steht und in Zukunft zur Verfügung stehen wird, nimmt exponentiell zu. Das bedeutet, dass wir uns umfassender informieren und Daten nutzen können. Gleichzeitig wird es immer schwerer die Daten und objektiven Informationen herauszufiltern, die wir dann auch wirklich benötigen, die hilfreich oder von Belang ist.

Gestatten Sie mir noch eine private Frage: Sie sind selbst Mutter zweier Kinder, die mittlerweile erwachsen sind – Hand aufs Herz: Sind sie froh, dass der Kelch, diese aufs digitale Zeitalter vorzubereiten, an Ihnen gerade noch vorbeigegangen ist?

Nein, Technik entwickelt sich weiter und wir sind um manche Nutzungen doch selbst recht froh. Der „Kelch“ ist übrigens nicht „an mir vorbeigegangen“. Meine Kinder gehörten zu der ersten Generation, für das Handy wohl selbstverständlich geworden ist. Aus meiner Sicht ein sehr spannendes Feld und wir haben als Eltern eben die Aufgabe mit Kindern über die Nutzung, den Sinn, Zweck und Art der Nutzung ins Gespräch zu gehen. Wir müssen Ihnen Alternativen für Freizeitgestaltungen, zum Beispiel Sport, schmackhaft machen. Darauf habe ich als Mutter großen Wert gelegt.

Ganz herzlichen Dank für Ihre Antworten, Frau Cortinovis-Piel!

Die Interviewte

Susanne Cortinovis-Piel
ist seit November 2021 Leiterin des Schulamtes in Donaueschingen. Sie wurde 1966 in Solingen geboren, sie ist verheiratet und Mutter zweier Kinder im Alter von 25 und 27 Jahren. Seit August 2020 lebt und arbeitet Cortinovis-Piel in Baden-Württemberg, zunächst als Schulrätin im Schulamt Donaueschingen, seit dem 1. November 2021 als dessen Amtsleiterin.