Annähernd 100 Bürger besuchten die Sitzung auf der über die Schulstandorte in Böhringen und Irslingen entschieden werden sollte. Die Entscheidung wurde vertagt.Foto: Schmidt Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: Entscheidung zwar vertagt, doch kaum Chancen für Standorte Böhringen und Irslingen

Die Eltern haben einen Teilsieg errungen. Der Beschluss, die Schulstandorte zu schließen, wurde verschoben. Die Wahrscheinlichkeit, dass es soweit kommt, bleibt aber hoch.

Dietingen. Waren die Eltern enttäuscht, dann hatten sie ihre Gefühle gut im Griff. Annähernd 100 Bürger waren in der Graf-Gerold-Halle versammelt, als der Gemeinderat nur einen Punkt verhandelte: Die mögliche Schließung der Schulstandorte in Böhringen und Irslingen.

An der Wand standen Transparente, eines davon mit dem Aufruf "Helf uns", aber von Emotionen war kaum etwas zu spüren. Ruhig und gefasst stellten die Bürger ihre Fragen und bedankten sich dafür, dass der Beschluss zur Schließung, der ursprünglich auf der Agenda stand, verschoben wurde. Erlaubt waren nur Fragen. Meinungskundgebungen, sagte Bürgermeister Frank Scholz zu Beginn, sollten unterbleiben.

Erst am Morgen nach der Versammlung, die eine halbe Stunde vor Mitternacht geschlossen wurde, kamen Reaktionen. Hinter den Bürgern lag da eine dreieinhalbstündige Sitzung. Mit einem Ergebnis, das kaum einen anderen Schluss zulässt: Die Schulen in Böhringen und Irslingen werden geschlossen und die Dietinger Schule als zentraler Mittelpunkt für alle Schulkinder der Gesamtgemeinde erweitert. In die dann vakanten Schulgebäude werden Kinder zwischen null und sechs Jahren einziehen.

"Wir sind von dieser Entwicklung selbst überrascht", betonte Frank Scholz mehrmals. Aus einem Gutachten, das in einer Klausurtagung erst den Räten (wir berichten) und nun auch den Eltern in wesentlichen Zügen vorgetragen wurde, ging hervor, dass die Bevölkerungszahl in Dietingen eine enormen Zuwachs erfahren soll.

Da schon jetzt nicht alle Anmeldungen in der Kindertageseinrichtung in Dietingen berücksichtigt werden könnten, müsse ab dem Jahr 2025 davon ausgegangen werden, dass dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nicht mehr entsprochen werden könne.

Dietingen muss also handeln. Entweder mit einem Neubau oder leerstehenden Gebäuden, die sich für den Umbau zu einer Kindertagesstätte eignen. Wo die Reise hingehen könnte, zeigte das Gutachten unmissverständlich auf. Zu den Schulen nach Böhringen und Irslingen. Prognosen für beide Einrichtungen würden darauf hinweisen, dass die Schwankung der Schülerzahlen in beiden Schulen anhalte. Im laufenden Schuljahr kam in Böhringen etwa nur eine Klasse zustande, im kommenden Jahr aber wieder zwei.

Diese Unzuverlässigkeiten seien im Schulalltag kaum zu bewältigen. Und zeige sich auch in der Reaktion des Schulamtes, das bei wenigen Schülern keine Lehrer zuweise. Darunter leide insgesamt die Qualität, die dann von den Eltern bemängelt werde. Daher schlage er die Schließung vor. Die dann frei werdenden Kapazitäten könnten für die Kindertagesstätten genutzt werden.

Noch vor zwei Jahren konnten sich die Eltern erfolgreich gegen die Schließung der Schulen wehren. Die neuen Argumente indes scheinen kaum einen Spielraum zuzulassen. Wobei die Alternativvorschlägen, die die Eltern vorbrachten, etwa nur einen Standort zu schließen, auch kaum Gehör fanden und immer mit dem selben Argument widerlegt wurden: Die Schullandschaft Dietingens sei nur zukunftsfähig, wenn der Fokus auf einer Schule liege, die gestärkt werde. Das könne angesichts der jetzt schon verlässlichen Schülerzahlen und dem Raumangebot aus Sicht des Gutachters nur in Dietingen stattfinden. Auch andere Fragen der Eltern wies der Gutachter zurück. Etwa die, ob die Schulanfänger nicht wenigstens ihre Grundschule am jetzigen Standort zu Ende bringen könnten.

Unverbindlich blieb die Verwaltung auf die Frage nach dem Zeitplan und der Finanzierung. Anvisiert wird ein Zeitrahmen bis zum Schuljahr 2024/25. Demnach könnten die ersten Klassen aus Böhringen schon zum Schuljahr 2021/22 nach Dietingen umziehen. Die Kosten für die Gesamtmaßnahme würden sich voraussichtlich in einer Höhe bewegen, die für einen Mensaneubau angedacht waren. Die Räte wurden von einem Ortschaftsrat aufgefordert, sich vor eine Entscheidung mit den Kosten zu befassen.

Am Morgen danach erreichten unsere Zeitung dann mehrere Nachrichten: "Der gestrige Abend war erschreckend und enttäuschend. Ich bin einfach nur traurig. Man fühlt sich so hilflos und übergangenen. Der Gutachter hat seinen Standpunkt präsentiert und ist in keinster Weise auf Fragen eingegangen. Es sind Mutmaßungen, die eintreffen können oder auch nicht. War das wirklich ein Gutachter? Ich werde das Gefühl nicht los, dass er wie ein Verkäufer wirkte. Wir Bürger wurden von oben herab behandelt und unsere Meinung interessierte nicht. Dieser Herr hat mehrfach betont, dass unsere Kinder in Einrichtungen besser aufgehoben sind als zu Hause. Wir können nur ohnmächtig zuschauen, wie die ach so geschulten Herren ihre Ideen umsetzen, von denen final keiner weiß, ob diese langfristig gesehen sinnvoll und rentabel sind. Es wird am Ende so sein, dass in Dietigen die Schule ausgebaut wird, in Böhringen die Kita und in Irslingen das Geld nicht mehr reicht."