Was ist aus euch bloß geworden? Shakespeare versteht die Welt um Romeo und Julia nicht mehr. Foto: Rücker Foto: Schwarzwälder Bote

Theater: Wo Liebe nur noch Leiden schafft / Kishon in "Krone"

Dietingen-Gößlingen (eva). Sie hat eine kupferne Haut, ist aber von eher plumper Gestalt und doch ist sie Romeos heißeste Liebe. Die holde Julia? Die überlegt sich, wie sie diese Nervensäge neben sich, die nur noch mit Bettflasche Lisa kuscheln möchte, endlich los wird. Und Shakespeare, der literarische Vater? Rauft sich im Gößlinger Gasthaus Krone bei der Vorstellung "Es war die Lerche" des Ensembles "Bärschs kleine Bühne" die langen weißen Haare: Was ist aus den Turteltäubchen von Verona nur geworden?

Was sich der Meister der feinen Ironie, Ephraim Kishon, zu Shakespeares Klassiker "Romeo und Julia" einfallen ließ, ist das eine. Das andere: Mit welcher Brillanz und mitreißendem Spiel die Schauspieler Peter Wolter und Ulrich Schlageter um Ensemblechefin Jutta Bärsch den skurrilen Figuren in diesem heiteren Trauerspiel Leben einhauchen.

Hier die ewigen Streithähne Romeo (Ulrich Schlageter) und seine Gattin Julia (Jutta Bärsch), dort der alte Shakespeare, der die Welt nicht mehr versteht: Was ist bloß aus seinem Liebespaar des Jahrhunderts geworden? Und genau das spielt sich über zwei Stunden auf der Bühne ab: amüsant wie tragisch-komisch.

Romeo und Julia, 30 Jahre später, ein zerstrittenes Paar, das selbst die erfahrensten Beziehungstherapeuten an ihre Grenzen gebracht hätte. Als wären der skurrilen Gestalten nicht genug, tauchen ab und zu noch ein völlig dementer Mönch (Schlageter) und die megazickige Tochter Lucretia (ebenfalls Bärsch) auf der Bühne auf.

"Was, wir sollen Selbstmord begangen haben?", spielt das Ehepaar gleich zu Beginn der Vorstellung auf die Klassiker-Vorlage an. Haben Sie (leider, leider) nicht und irgendwie hadern sie mit diesem grausamen Schicksal, das aus den einst Liebenden ein Gespann gemacht hat, bei denen selbst streitende Raben verblassen.

Die einstige Charmeoffensive Romeo mault pausenlos über den abscheulichen Kaffee und kuschelt nur noch mit Bettflasche Lisa, Julia denkt seufzend an ihren Vater, der nach der Heirat mit Romeo gesagt haben soll: "Jetzt haben wir den ersten Schwachsinnigen in der Familie." Statt Liebesgesäusel bitterböse Breitseiten: "Du bist ein Abfallprodukt der Menschheit", giftet Julia, und Romeo giftet zurück: "Und Du bist eine böse Schlange."

Und da nutzt es auch nichts, dass Shakespeare die beiden beschwört: "Euer Treiben schafft mir Pein." Doch auch der Literat bekommt sein Fett von dem verbitterten Pärchen ab: "Sie sind doch an allem Schuld"… "Sie sind ein Massenmörder. Haben Sie schon mal zusammengerechnet, wie viele Leichen es in ihren Stücken gibt?"

Shakespeare ist ein fast gebrochener Mann, wäre da nicht die zuckersüße "Lucky", alias Lucretia, die sich zu dem alten Kerle auch noch hingezogen fühlt und mit ihm das Weite sucht. "Schreiben Sie das Stück um", faucht Julia, während ihr Romeo weiterhin missmutig durch die Gegend schlurft und Shakespeare diverse Zitate aus diversen Dramen durcheinander wirbelt.

Wird’s noch was mit dem Vergiften? Das Publikum hält den Atem an: Natürlich nicht. Die beiden streiten munter weiter. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann streiten sie noch heute. Alles in allem erneut ein mitreißender Theaterabend in der "Krone", musikalisch perfekt ergänzt durch den Mann am Klavier, Hans-Walter Berg.