Das Interesse ist beeindruckend bei der Auftaktveranstaltung von "Irslingen hat Zukunft – Gut leben und Wohnen im Alter". Foto: Schwarzwälder Bote

Projekt: "Irslingen hat Zukunft – Gut leben und Wohnen im Alter" gestartet / Vortrag von Thomas Klie mit Humor gewürzt

Der Anfang wäre gemacht: Mit einer sehr gut besuchten Auftaktveranstaltung sind der Irslinger Kirchengemeinderat der Pfarrgemeinde St. Martin und der Irslinger Ortschaftsrat in ihr zukunftweisendes Projekt "Irslingen hat Zukunft – Gut leben und Wohnen im Alter" gestartet.

Dietingen-Irslingen (psw). Mit so viel Zuhörern in der Irslinger Waidbachhalle hatte niemand gerechnet. Am wenigsten der Referent, Wissenschaftler Thomas Klie. "Ich bin beeindruckt, wie viele Leute da sind." Besonders angetan hatte es ihm die Anwesenheit und der Vortrag des Irslinger Jugendchors. Mit zwei passenden Liedern schlug der Chor nach der Begrüßung den Bogen zum mit Spannung erwarteten Vortrag.

Der renommierte und eloquente Professor hatte noch am Tag zuvor im Bundestag zu den Herausforderungen des demographischen und sozialen Wandels gesprochen. Von der großen Berliner Politbühne führte dann sein Weg in das beschauliche Irslingen. "In Berlin hat Irslingen niemand gekannt", verriet er schmunzelnd. Als er in der Expertenrunde von seinem nächsten Termin erzählte, habe er deutlich zum Ausdruck gebracht: "Mit solchen Gemeinden müsst ihr zukünftig rechnen."

In einem höchst interessanten, ja spannenden und mit Humor gewürzten Vortrag ("Ohne Humor kann man sich damit nicht beschäftigen") brachte der Professor den 130 Zuhörern seine Gedanken zu den vielseitigen Facetten des Altwerdens und der Pflege näher. Kaum zu glauben, dass man mit Ausführungen zu dieser sehr ernsten, für manche Menschen bedrückenden Thematik so fesselnd referieren kann.

Seine Kernaussage vorweg: Alter und Pflege seien nicht als Schicksal hinzunehmen, sondern müssten als Gestaltungsmöglichkeit gesehen werden. Klie weiter: "Also nicht abwarten, sondern gestalten und handeln." Im Dorf gehe es immer mehr darum, Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Dies sei ein Teil der Daseinsvorsorge.

Interessant: In Deutschland werden von 2,9 Millionen Pflegebedürftigen noch 73 Prozent zuhause von Angehörigen gepflegt. Der Anteil der von Familienangehörigen versorgten Demenzkranken liegt bei 70 Prozent.

In der Pflege von Menschen sah der Wissenschaftler etwas Wertvolles, das zur Vielseitigkeit des Lebens gehöre. Klie: "Grundsätzlich ist der Mensch helfensbedürftig und will helfen." Die Familienpflege dürfe den Einzelnen aber nicht überfordern. "Es ist nicht in Ordnung, sich aufzuopfern, die Sorge muss fair organisiert werden." Er sprach von geteilter Sorge, und zwar nach Geschlecht (Mann und Frau) sowie Generation (Jung und Alt).

Die Zahl der Familienpflegekräfte werde zurückgehen. Die Schere zwischen dem Pflegepotential (Altersgruppe zwischen 40 und 64 Jahren) und der größer werdenden Anzahl der zu pflegenden Menschen klaffe immer mehr auseinander. Deshalb sei die kommunale Verantwortung immer mehr gefragt. Auch Nachbarschaftshilfen müssten zunehmen.

Anhand der präsentierten statistischen Prognosen zu den verschiedenen Altersgruppen kam der Professor zu dem Ergebnis: "Dietingen hat eine recht stabile Bevölkerungsstruktur und kann mit einer moderaten Entwicklung rechnen." Das Knüpfen von Netzwerken sei die Kunst des Altwerdens. Das Wohlbefinden der Älteren hänge mehr von der Qualität des sozialen Umfelds ab als von Bluthochdruck und Cholesterin. Die Liebe zum eigenen Leben zeige sich erst im Bezug zu den Mitmenschen. Mobilität, auch im digitalen Bereich, werde ebenso von älteren Menschen verlangt.

Thomas Klie erzählte von einer 85-jährigen Frau, die sich im hohen Alter noch mit einem "Tablet" befasste und seitdem mit ihren Kindern in den USA über das Internet kommuniziert. Nach dem Vortrag wurden die nächsten vorgesehenen Schritte vorgestellt (wir berichten noch).