Der digitale Stammtisch für ältere Bürger kann sich künftig im Irslinger Backhaus treffen. Das Gebäude verfügt mittlerweile über einen Internetanschluss. Nebenbei: Auf dem Anbau steht noch eine Gartenbank – ein Maischerz. Fotos: kw Foto: Schwarzwälder Bote

Bürgerbeteiligungsprozess: Irslinger Initiatoren erhalten Lob / Nur mit Bürgerverein geht es weiter

Mit der Präsentation der ersten Ergebnisse im Januar ist der Bürgerbeteiligungsprozess zur Konzeption "Irslingen hat Zukunft – gut Leben und Wohnen im Alter" recht hoffnungsvoll in das neue Jahr gestartet. Doch dann kam die Corona-Pandemie.

Dietingen-Irslingen (kw). Dennoch lassen sich die Initiatoren und Helfer nicht entmutigen. Die Grundlagen für die Gründung des Bürgervereins konnten bisher noch nicht gemeinsam erarbeitet werden. Der Fahrplan – am 6. April war ein erstes Treffen mit interessierten Bürgern geplant – wurde jäh über den Haufen geworfen. Ebenso musste man weitere geplante Aktionen und Treffen absagen.

Doch auch in dieser schwierigen Zeit haben die Verantwortlichen keinesfalls den Elan, der vor allem nach der gut besuchten Veranstaltung mit Sozialminister Manne Lucha überall im Ort deutlich zu spüren war, verloren. "Wir sitzen in den Startlöchern und legen los, sobald es erlaubt ist, sich wieder in Gruppen zu treffen", erklärt Regina Lino Roeßle voller Zuversicht.

Die stellvertretende Vorsitzende des Irslinger Kirchengemeinderats zählt bei diesem Beteiligungsprozess zu den treibenden Kräften. Interessierte Bürger wurden mittlerweile in einem Brief über den Sachstand informiert. Im Koordinationskreis laufen derzeit noch die Fäden zusammen. Doch ein Verein werde jetzt dringend gebraucht.

Für Regina Lino Roeßle steht fest: "Im Prinzip können wir mit den Projekten so lange nicht weitermachen, bis die rechtlichen Grundlagen über den Bürgerverein geschaffen worden sind und dieser klare Konturen annimmt." Der Verein soll als Dachverband für die bestehenden Arbeitskreise fungieren, einen Platz für die gesamte Bevölkerung bieten, Neutralität bewahren und nicht an einen bestehenden Verein angebunden sein.

Gute Grundversorgung

So die Vorstellungen der verantwortlichen Personen. Man sei auch in den vergangenen Wochen im Kontakt geblieben, habe viel nachgedacht und sich ausgetauscht. "Corona verbietet nicht das Denken und die Kommunikation im Rahmen der vorgegebenen Etikette", betont die engagierte Kirchengemeinderätin. Sie war auch federführend bei der Aktion "Wir helfen einander" in der Gesamtgemeinde.

Mehrere Erkenntnisse hat sie in den vergangenen Wochen gewonnen. "Wir haben festgestellt, dass die älteren Leute in Irslingen grundversorgt sind." Für Mithilfe sorgten vor allem Kinder und Nachbarn. Im ländlichen Raum, so ihre Aussage, "funktionieren noch manche Dinge, es muss deshalb nicht alles institutionalisiert werden".

Die zunehmende Bedeutung der digitalen Medien – zu diesem Thema gibt es in Irslingen den Projekttisch "Digital mobil im Alter" – habe sich in der Zeit von Kontaktbeschränkungen einmal mehr bestätigt. Die gebürtige Portugiesin warnt: "Die Vereinsamung ist groß, wenn ältere Menschen die elektronischen Geräte nicht bedienen können."

Wichtig: digital mobil

Das Interesse an dem dafür eingerichteten Stammtisch sei beachtlich, zwölf Personen hätten sich bisher dazu angemeldet. Jedoch habe das erste Treffen im März nicht stattfinden können.

Nicht im Haus, aber im Ort

Für Regina Lino Roeßle eine weitere Erkenntnis aus der Krise: "Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schwierig die Situation in größeren Pflegeheimen in einem solchen Fall sein kann." Auch sei klar geworden, dass Strukturen im Pflegebereich wegbrechen können, wenn Helferinnen aus östlichen Ländern wegen Grenzschließungen plötzlich die Einreise versagt werde. Kleinere, dezentrale Einheiten böten Vorteile für die Bewohner. "Unser Ansatz geht in diese Richtung." Damit beschäftige sich der Projekttisch "Neues Wohnen in Irslingen". Kernfrage sei: "Wie kann man weiterhin in Irslingen wohnen, wenn das Verbleiben im eigenen Haus nicht mehr möglich ist."

Carmen Kopf vom Landratsamt Rottweil – sie berät zum Thema altersgerechtes Wohnen – habe bei einem Seniorennachmittag einen Vortrag gehalten. Der Arbeitskreis "Mobilität und Grundversorgung" hat zwischenzeitlich einen Grüngut-abholdienst für ältere Mit-bürger auf die Reihe ge-bracht. Kleinere regelmäßige Veranstaltungen wie die monatliche Binokel-Runde oder das Bürgercafé fielen zuletzt aus. Man hofft, dass es mit den Aktivitäten bald wieder weitergehen kann.

Besuch aus Stuttgart

Bestärkt in ihrer Motivation werden die Irslinger Initiatoren und Helfer unter anderem von der positiven Resonanz verschiedener Einrichtungen und Experten.

So hat die Initiative Allianz für Beteiligung (Stuttgart) auf ihrer Internetseite den in Irslingen eingeschlagenen Weg in den höchsten Tönen gelobt. Der von der Landesregierung geförderte Verein setzt sich in Baden-Württemberg für die Stärkung von Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung ein.

Eine Vertreterin der Initiative besuchte Anfang des Jahres Irslingen und machte sich vor Ort ein Bild von den ausgewählten thematischen Schwerpunkten. Der Verein wird den Dietinger Ortsteil bei der Umsetzung des Förderprogramms "Quartiersimpulse" unterstützen.