Knapp 100 Böhringer bilden eine lange Menschenkette vor der Schlichemtalhalle. Sie wollen damit ein Zeichen setzen und zeigen, dass sie bereit sind, für den Erhalt ihrer Dorfschule zu kämpfen.Fotos: Zelenjuk Foto: Schwarzwälder Bote

Ortschaftsrat: Bürger präsentieren Alternativkonzept / Verwaltung hält an eigenem Projekt fest / Grundsatzbeschluss am Mittwoch

Es ist ein Thema, das das ganze Dorf bewegt: Um die Zukunft des Schulstandorts Böhringen ging es in der Sitzung des Ortschaftsrats am Donnerstag. Die Diskussion war hochemotional – doch ein Kompromiss oder gar eine Änderung des Konzepts ist weiterhin nicht in Sicht.

Dietingen-Böhringen. Es ist eine Entscheidung mit großer Tragweite – nicht nur für Böhringen, sondern für die Gesamtgemeinde Dietingen und in erster Linie für das Miteinander. Als die Gemeindeverwaltung ihre Pläne zur Zusammenlegung von drei Schulstandorten in Dietingen bekannt gegeben hatte (wir berichteten), hatten die Böhringer und Irslinger sofort mobil gemacht. Die Bürger hatten das Gefühl, vor vollendete Tatsachen gestellt worden zu sein.

Bereits am Mittwoch soll im Gemeinderat der Grundsatzbeschluss gefasst werden. In Böhringen sorgen die Pläne von Anfang an für Unmut – und die Bürger kämpfen. Bereits vor der Sitzung bringen knapp 100 Böhringer mit einer Menschenkette ihre Position zum Ausdruck. Sie stellen sich vor der Schlichemtalhalle auf, um zu zeigen, dass der Erhalt der Dorfschule für sie eine Herzensangelegenheit ist.

Falscher Zeitpunkt

Auch der ehemalige Ortsvorsteher Edgar Kramer steht in der Menschenkette. Er findet es unverständlich, dass so ein wichtiges Thema wie die Zukunft des Schulstandorts mitten in der Pandemie behandelt werden muss, wenn Bürgerbeteiligung nur schwer möglich ist. "Man sieht: Das Thema beschäftigt die Bevölkerung, denn die Dorfschule zu schließen, ist wie der Gemeinde das Herz rauszureißen", sagt Kramer.

Sein größter Wunsch sei, "dass man in den Dialog kommt mit den Bürgern, dass man sie mitnimmt". Kramer ist überzeugt: Das Thema könnte zeitliche Vertagung vertragen. "Es geht darum, dass man verschiedene Meinungen und Ideen hört."

Das ist auch der Punkt, den Isabell Gries kritisch findet. Gries ist in der Gruppe aktiv, die sich mit Unterschriftensammlung und einem alternativen Konzept für den Erhalt der Schule stark macht. "Unserer Meinung nach wurden nicht genug Alternativen geprüft. Wir möchten die Schule behalten, und es sind ganz viele Leute, die dahinter stehen", macht sie klar. Die Böhringer, sagt sie, möchten gehört werden.

Die Ortschaftsräte, die Ortsvorsteherin Martina Stier und den Bürgermeister Frank Scholz lässt die Aktion zwar nicht ganz unbeeindruckt – an der Position der Gemeindeverwaltung ändert das allerdings wenig. Bei der Diskussion im Ortschaftsrat, die rund 30 Bürger als Zuhörer verfolgen, scheinen nicht nur zwei alternative Konzepte, die sich gegenseitig ausschließen, aufeinander zu prallen, sondern fast schon zwei unterschiedliche Welten.

Scholz erhofft Synergien

Auf der einen Seite steht die Gemeindeverwaltung, die sich auf das Gutachten vom Büro "biregio" beruft, die von Effizienz, Kosteneinsparung und Synergien spricht und die ernüchternden Zahlen ins Spiel bringt. Es seien schlichtweg zu wenige Kinder da, um die Schule erhalten zu können. Es gebe keine Planungssicherheit, man könne all die Möglichkeiten, die es in Dietingen gebe, in Böhringen gar nicht bieten. Und: Eine neue Lösung für den Kindergarten-Bereich mit Krippe und Co. müsse möglichst schnell her. "Wir haben da als Gemeinde unsere Verpflichtungen", betont Bürgermeister Scholz, der in der Diskussion immer wieder das Wort ergreift.

Ihm und den Ortschaftsräten gegenüber sitzen vier Vertreter der Gruppe, die für die Dorfschule kämpft: Achim Belser, Isabell Gries, Detlef Langrock und Tanja Frommer. Sie hinterfragen die geplante Zentralisierung, sprechen von der Schule als "Herzstück" und wissen: Wenn die Grundschule jetzt zugemacht wird, wird es praktisch unmöglich sein, sie wieder zu reaktivieren.

Sie stellen ihr Alternativkonzept vor – "in unzähligen Online-Meetings erarbeitet". Darin bekommen einzelne Ortschaften ihre Kompetenzen, ihre Alleinstellungsmerkmale. So werden in Böhringen Schule und Kindergarten auf den Regelbetrieb mit verlängerten Öffnungszeiten ausgelegt, Dietingen bietet Ganztagesplätze, und in Irslingen werden die Kleinsten versorgt – im großzügigen Neubau, in dem die Krippe und der Kindergarten untergebracht sind. "Es wäre eine Chance, als Gemeinde zusammenzuwachsen. Ihr müsstet brennen für diese Konzept", meint Detlef Langrock, an die Ortschaftsräte und den Bürgermeister gerichtet.

"Reine Wortklauberei"

Doch Langrocks leidenschaftliches Plädoyer für die alternative Lösung ruft keine Euphorie unter den Mandatsträgern hervor. Ortsvorsteherin Martina Stier räumt ein: "Das Konzept hört sich gut an, aber ich muss schauen, ob das auch funktioniert." Sie präsentiert Zahlen: 166 Grundschulkinder sind es aktuell in der Gesamtgemeinde. 52 sind im Ganztagsbereich angemeldet. "114 wären dann in Böhringen. In Dietingen wären dann zwölf oder 13 Kinder in der Klasse, aber das geht ja nie genau auf. Eine Schulklasse wird aber gebildet, wenn 16 bis 28 Kinder da sind, außer, man macht jahrgangsgemischte Klassen."

Bürgermeister Scholz macht unmissverständlich klar, dass er keine Alternativen zur zentralisierten Ein-Standort-Lösung sieht: "Im Gutachten ist nachgewiesen worden, dass zwei Standorte nicht funktionieren." Aktuell seien 19 Kinder in Böhringen an der Schule. "Es ist ein Auf und Ab, es sind instabile Verhältnisse auf Dauer, wenn man mehrere Standorte bespielt. Und wir müssen uns nicht für zwei oder drei, sondern für zehn, 15 Jahre gut aufstellen", sagt er. Und fügt hinzu: "Wir schließen keine Schulen, wir führen sie zusammen."

Das bezeichnet Achim Belser von der Pro-Schule-Bürgergruppe dann als "reine Wortklauberei". Er zweifelt auch, ob die Erweiterung der Betreuung für Kindergartenkinder, die im Schulgebäude angedacht ist, auch sinnvoll sei. "Haben wir überhaupt Bedarf an Ganztagsbetreuung? Nach Corona wird die Welt eine andere sein. Wenn Eltern in Kurzarbeit sind oder ihre Arbeit verlieren, wie sollen sie die Betreuung bezahlen?" fragt er in die Runde.

Er findet es unverantwortlich, wieder alles umzuplanen und umzubauen, da man in den vergangenen Jahren "so viel Geld in die Hand genommen hat, um die Schule und den Kindergarten zu ertüchtigen". Bürgermeister Scholz reagiert: In der aktuellen Situation sei Umnutzen günstiger als neu bauen.

Entscheidung fällt schwer

Sichtlich enttäuscht zeigt sich die Bürgergruppe von der Haltung ihrer Ortschaftsräte. "Wir hätten gehofft, unsere Ortschaftsräte sind hinter uns", heißt es aus ihren Reihen.

Dass ihm die Entscheidung alles andere als leicht fällt, betont Martin Häsler: "Ich hätte es mir nicht so schwierig vorgestellt, Kommunalpolitik zu machen. Seit 17. Oktober geht mir das durch den Kopf. Es ist so ein schwieriges Thema. Und die Transparenz fehlt, weil das Corona gerade so viel schlecht macht."

Auch Ortsvorsteherin Stier ist überzeugt: "Das geht an keinem spurlos vorbei. Ich weiß, dass ziemlich alle die Zahlen rausgeholt haben, Möglichkeiten aufgebaut und wieder verworfen haben."

Christoph Dresel macht den Bürgern Mut: "Der Weg ist noch nicht zu Ende. Ihr könnt weitermachen, auch wenn der Gemeinderat den Grundsatzbeschluss fasst."

Enttäuschung bei Bürgern

Am Ende der Diskussion scheint keine Seite wirklich zufrieden zu sein. Die Bürger sagen, sie hätten sich mehr Dialog mit den Ortschaftsräten gewünscht und weniger mit dem Bürgermeister. "Er ist ja von seinem Konzept überzeugt", meint eine Vertreterin. Ortsvorsteherin Stier sagt, sie kann die Sorgen und die Emotionen der Böhringer sehr gut verstehen – doch sie steht weiterhin hinter dem Konzept der Verwaltung.

Welche Entscheidung am Mittwoch im Gemeinderat fällt, bleibt abzuwarten. Dass das Thema die Gemeinde noch lange beschäftigen und begleiten wird, ist auf jeden Fall klar.