Dieter Keller (links), 85, und Willi Kraus, 76, bereiten sich im Villinger Hubenloch auf das Deutsche Sportabzeichen vor. Foto: Birgit Heinig

Sie können sich beide ein Leben ohne Bewegung nicht vorstellen. Dabei haben Dieter Keller und Willi Kraus noch nie Leistungssport betrieben, aber bereits 38 Mal das Sportabzeichen abgelegt. Ab Mai werden sie wieder gezielt dafür trainieren.

Noch weht auf der Sportanlage Hubenloch ein eisiger Wind. Ab dem 2. Mai jeden Freitag von 17.30 bis 19.30 Uhr lädt der Turnverein 1848 Villingen dorthin wieder all jene zum angeleiteten wöchentlichen Training ein, die im Laufe des Jahres das Sportabzeichen erlangen und damit ihre Schnelligkeit, Ausdauer, Koordination und Kraft unter Beweis stellen wollen.

 

Für Dieter Keller stehen dann wieder 25 Meter Schwimmen, 20 Kilometer Radfahren, Medizinball-Weitwurf und 20 Seilsprünge auf dem Programm, und darauf bereitet sich der 85-Jährige gezielt vor. Schließlich soll es auch diesmal wieder zur Goldvariante des bundesweit geltenden Leistungsabzeichens reichen.

An der Schweizer Grenze ist er aufgewachsen, brachte sich im Rhein selbst das Schwimmen bei, spielte in seiner Jugend Fußball und entdeckte im Erwachsenenalter seine Leidenschaft für das Eislaufen und das Inliner-Fahren. Er wandert und schwimmt gerne, besucht regelmäßig ein Fitnessstudio und war auch schon beim Engadiner-Skimarathon dabei. Zusammen mit einer Sportgruppe nahm der Kaufmann vor fast 40 Jahren zum ersten Mal die Aufgaben für das Sportabzeichen in Angriff – und blieb dabei.

Willi Kraus ist gebürtiger Villinger, 76 Jahre alt und arbeitete bis zu seinem Ruhestand im Sozialamt des Landkreises. Bei den Bundesjugendspielen reichte es dem überall jüngsten Schüler „immer nur für eine Siegerurkunde“, erzählt er heute lachend. In der Jugend war er als Ringer, Judoka und sogar Gewichtheber aktiv. Nachdem er das Sportabzeichen für sich entdeckt hatte, entwickelte er seinen persönlichen Ehrgeiz, ließ sich zeigen, wie beim Hochsprung der „Flop“ gelingt, schaffte dabei als Höchstweite 1,52 Meter und unter anderem damit das erste Abzeichen in Gold.

„Bewegung ist für mich Freude“, sagt er heute, „da spüre ich meine Gesundheit“. Wandern, gerne auch den Jakobsweg, Bergsteigen, Nordic Walking, Joggen bis zum Halbmarathon – das Breitensportprogramm von Willi Kraus und seiner Frau ist vielfältig und Ausreden gelten nicht. „Das geht alles bei jedem Wetter – mit der richtigen Kleidung und dem passenden Schuhwerk“, sagt er.

Unter den vielen Disziplinen, die zum Sportabzeichen führen, hat er sich den Hochsprung und den Standweitsprung ausgesucht, wird 25 oder 200 Meter schwimmen, 50 Meter sprinten oder einen 3000 Meter-Dauerlauf angehen – „je nachdem, was ich noch am besten schaffe“.

Für jedes Alter

Das „Ehrenzeichen der Bundesrepublik Deutschland mit Ordenscharakter“, wie das Sportabzeichen auf der Homepage des Deutschen Olympischen Sportbundes auch genannt wird, hält schließlich für jedes Alter die passenden Leistungserbringungen parat. Diese ändern sich – durch den Fortschritt der Medizin – auch immer wieder. Seit 2024 sind zum Beispiel neue Herausforderungen wie Wiederholungen von Klimmzügen, Liegestütze, Triceps Dips und Crunches hinzugekommen.

Auch Dieter Keller, der mit seiner Familie seit 60 Jahren in Marbach lebt, weiß um den Nutzen der Bewegung. Auf dem Sofa liegen – das sei für ihn keine Alternative, sagt er, obwohl er von dort aus, wie er zugibt, auch gerne jedwede Sportart im Fernsehen verfolgt. „Mich interessiert alles: Motorradrennen, Leichtathletik, Boxen“. Doch solange sein Körper mitmache, wolle er ihn fordern.

Das gelte auch in den Wintermonaten, die er, wie auch Willi Kraus, ebenfalls zum Sport nutze: Eislaufen und Schwimmen könne man schließlich in Hallen, wandern bei jedem Wetter, Radfahren, sobald die Straßen frei seien.

Grenzen ausloten

Beide Hobbysportler lieben es, auch im Alter die Grenzen ihres Körpers auszuloten und sie setzen darauf, dass „in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist wohnt“. Als erfahrene Sportabzeichen-Sportler bemerken sie gleichwohl, dass die Zahl der Teilnehmenden weniger wird.

Vor allem Kinder sollten sich wieder mehr bewegen, finden sie, weil sie in ihrer Umgebung das Gegenteil wahrnehmen. Sie selbst sind in jungen Jahren auf Bäume geklettert, haben an keinem Schwimmkurs teilgenommen, sondern sich das Schwimmen durch Abgucken selbst beigebracht. Dem stehe heute ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis der Eltern im Wege, glauben sie.

Wer sich viel bewege, „tut sich Gutes und sieht die Welt mit anderen Augen“, sagt Willi Kraus, „deshalb kann ich das jedem nur empfehlen“.