VW muss im Rahmen eines Vergleichs fast eine halbe Million amerikanische Kunden entschädigen, die ein Dieselauto mit 2-Liter-Motor fahren. Foto: dpa

Es ist ein teures Geständnis, mit dem Volkswagen am Freitag herausrückte: die Rückrufe von Dieselautos in Amerika werden deutlich teurer als bisher erwartet. An der Börse kam die Hiobsbotschaft des Wolfsburger Konzerns schlecht an.

Stuttgart - In den vergangenen Monaten war es ruhig geworden um den Abgasskandal bei VW. Doch nun zeigt sich, dass dieses dunkle Kapitel der Firmengeschichte noch für manche Überraschung sorgen kann. Am Freitag musste VW eingestehen, dass die Rückrufe von Dieselautos in Amerika deutlich teurer werden als bisher erwartet. Erst am Vortag war bekanntgeworden, dass der frühere Porsche-Entwicklungschef Wolfgang Hatz festgenommen wurde und damit erstmals ein ehemaliger Vorstand in Untersuchungshaft sitzt.

In einer knappen Mitteilung informierte VW anlässlich einer Aufsichtsratssitzung darüber, dass die finanzielle Vorsorge für die Rückrufaktion in Nordamerika aufgestockt werden muss. Dies werde das operative Ergebnis des Autokonzerns im dritten Quartal um voraussichtlich 2,5 Milliarden Euro belasten. VW begründete die Aufstockung damit, dass die Umsetzung des Vergleichs mit geschädigten Autobesitzern bei den Wagen mit 2-Liter-Motor länger dauere und technisch schwieriger sei als zunächst angenommen. Dies werde das operative Ergebnis von Juli bis September belasten, erklärte Volkswagen. Ob VW dennoch an den Zielen für das Gesamtjahr festhält, ließ das Unternehmen offen. Bisher wird für das Gesamtjahr mit einer operativen Rendite des Konzerns zwischen sechs und acht Prozent gerechnet. Der Zwischenbericht für das dritte Quartal soll am 27. Oktober veröffentlicht werden. Die Stuttgarter Porsche Holding teilte mit, dass der Großaktionär trotz der zusätzlichen Belastungen an seiner Prognose festhalte. Für 2017 erwarte die Holding unverändert ein Konzernergebnis nach Steuern zwischen 2,1 Milliarden und 3,1 Milliarden Euro. Über die Porsche Holding halten die Familien Porsche und Piëch eine Mehrheit der Stimmrechte an VW.

An der Börse kam die Nachricht von VW schlecht an

An der Börse kam die Hiobsbotschaft von VW schlecht an. Der Aktienkurs rutschte zunächst um bis zu vier Prozent ab, stabilisierte sich dann jedoch wieder. Ein Händler warf die bange Frage auf, „ob das ein Fass ohne Boden ist“. Frank Biller, Autoanalyst der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), warnte dagegen davor, die höhere Vorsorge zu dramatisieren. Biller sieht bisher keinen Anlass, seine Schätzung für den Gesamtschaden anzuheben. Die Landesbank rechnet damit, dass der Abgasskandal den Wolfsburger Autokonzern insgesamt mit rund 30 Milliarden Euro belasten könnte. Bisher beliefen sich die Rückstellungen auf etwa 22 Milliarden Euro. Die jetzt bekannt gegebenen zusätzlichen Belastungen betreffen einen Vergleich, der vor einem Jahr die letzte gerichtliche Hürde nahm. Dabei ging es um rund 475 000 Wagen der Marken VW und Audi mit einem 2-Liter-Dieselmotor. Damals waren gut zehn Milliarden Dollar (8,5 Milliarden Euro) für die Entschädigung der Besitzer vorgesehen. Diese haben die Wahl, ihren Wagen an VW zu dem Wert zu verkaufen, den sie im September 2015 hatten – als die Manipulation der Software von Dieselmotoren in den USA aufflog – oder die Wagen nachrüsten zu lassen, damit sie sauber sind. In jedem Fall erhalten die Kunden eine Entschädigung von bis zu 10 000 Dollar. In dem Vergleich wurde zudem festgelegt, dass die von VW zurückgenommenen Autos erst weiterverkaufen darf, wenn sie nachgerüstet worden sind.

Hängepartie für US-Kunden

Bisher fehlt nach Angaben eines VW-Sprechers noch für mehrere hunderttausend Autos die Genehmigung der US-Behörden für die technische Nachrüstung. Die Hängepartie führt dazu, dass viele Kunden, die eigentlich nachrüsten wollten, sich für einen Rückkauf durch das Unternehmen entscheiden. Die Wagen sind zunächst einmal eine finanzielle Belastung für das Unternehmen. Zudem verlieren sie immer mehr an Wert.

In der Aufsichtsratssitzung am Freitag dürfte auch die Verhaftung des ehemaligen Porsche-Entwicklungschefs Wolfgang Hatz zumindest am Rande ein Thema gewesen sein. Hatz ist der bisher ranghöchste Manager des Konzerns, der hinter Gittern sitzt, weil er verdächtigt wird, in die Manipulation der Software von Dieselmotoren im VW-Konzern verwickelt zu sein. Neben ihm sitzt in München ein ehemaliger Motorenentwickler ebenfalls in Untersuchungshaft; in den USA sitzen zwei ehemalige VW-Manager im Gefängnis. Zudem ermitteln die Staatsanwälte in München und Braunschweig gegen weitere Manager, darunter auch gegen den früheren VW-Konzernchef Martin Winterkorn.