Ulrike Karl, Ex-Chefin der Lahrer Landesgartenschau und heutige Finanzdezernentin im Landratsamt. (Archivfoto) Foto: LGS GmbH

Heikler Vorgang bei der Stadt Lahr: Die ehemalige LGS-Chefin Ulrike Karl muss möglicherweise eine größere Summe an ihren Ex-Arbeitgeber zurückzahlen. Das geht aus einem Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt hervor. Die Stadt ist in einem Dilemma.

Lahr - Der Fall nahm seinen Anfang im Jahr 2014, als die Landesgartenschau Lahr 2018 GmbH gegründet wurde. Die Gesellschaft bekam zwei Geschäftsführer: Ulrike Karl und Tobias de Haën. Letzterer kam von der BW-Grün, der Fördergesellschaft für Landesgartenschauen im Land. Karl arbeitete bei der Stadt Lahr, wo sie zuvor das Rechnungsprüfungsamt geleitet hatte. Sie war erste Geschäftsführerin, de Haën zweiter – eine Reihenfolge, die sich in Sachen Bezahlung nicht widerspiegelte.

De Haën wurde bei der BW-Grün dem Vernehmen nach sechsstellig entlohnt, deutlich mehr, als die Beamtin Karl von der Stadt überwiesen bekam. Eine Angleichung sollte her, so der Wunsch der Verantwortlichen damals. Allerdings stand eine rechtliche Hürde im Weg: Staatsdiener dürfen ihre Bezüge nicht unbegrenzt in die Höhe schrauben, in Karls damaliger Besoldungsgruppe A 15 sind maximal 4900 Euro Zusatzverdienst im Jahr erlaubt, alles darüber hinaus muss gemäß Landesnebentätigkeitsverordnung an den Dienstherrn abgeführt werden.

Stadträte: Karl hat einen guten Job gemacht

Eine (übergangsweise) Freistellung Karls aus dem Beamtenverhältnis wäre zwar möglich gewesen, hätte aber steuerliche Nachteile für die Gesellschaft und damit auch für die Stadt gehabt. So bediente man sich eines Kniffs, um Karl finanziell besser zu stellen: Zusätzlich zu den 4900 Euro Extrabezügen stellte ihr die LGS GmbH einen Dienstwagen zur Verfügung – der ihr jetzt, Jahre später, sprichwörtlich über die Füße rollen könnte. Und der Stadt gleich mit.

Der Fall wurde bislang hinter verschlossenen Türen behandelt, wie es bei Personalangelegenheiten die Regel ist. Auf Anfrage der LZ gaben Stadt und Karl am Freitag nun eine gemeinsame Stellungnahme ab. Daraus geht hervor, dass ein Problem im Jahr 2014 "nicht gesehen" wurde. War man in den Lahrer Amtsstuben der Auffassung gewesen, es genüge, wenn die LGS-Geschäftsführerin das Auto regelrecht versteuere, kam die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA, siehe Info) nach Betrachten des Falls zu dem Schluss, dass auch der Wagen an sich als geldwerter Vorteil Zusatzeinkommen im Sinne des Beamtenrechts sein könnte. Damit freilich wäre die 4900-Euro-Obergrenze überschritten.

Der Bericht der GPA liegt schon seit Juni 2021 im Rathaus, für richtig Kopfzerbrechen sorgte er aber erst in den vergangenen Wochen. Nachdem Karl auf Bitten der Stadt ihre Sicht der Dinge dargelegt hatte, wurde das Thema vor die Stadträte getragen. Dabei zeichnete sich ein Dilemma ab. Nach LZ-Informationen geht die Verwaltung davon aus, dass es keinen Handlungsspielraum gibt, käme sie zu dem Schluss, der Einwurf der GPA ist richtig. Dann müsste die Stadt Karl in Regress nehmen. Das, so ist zu hören, missfällt dem Großteil der Ratsmitglieder. Man ist sich einig, dass Karl vor, während und nach der Gartenschau einen guten Job gemacht hat. Niemand will ihr nachträglich an den Karren fahren, auch weil niemand in der Dienstwagennutzung eine unrechtmäßige Bereicherung sieht, geschweige denn Karls Willen dazu. Die Ex-Geschäftsführerin betont wie die Stadt, dass rein private Fahrten die Ausnahme gewesen seien, das auffällig folierte Auto hätte auch als Werbemittel für die LGS gedient.

Wie viel Geld Karl, die bis Mai 2020 LGS-Chefin war und ihren Dienstwagen bis Ende 2019 fuhr, an die Stadt zurückführen müsste, ist unklar. Im Raum steht eine Summe zwischen 5000 und 30 000 Euro. Die große Diskrepanz ist der langen Zeit geschuldet, die seit Karls Start als LGS-Chefin vergangen ist. Die Frage: Welche Ansprüche bestünden noch, welche wären bereits verjährt? Die maßgebliche Frist, das ist juristisch definiert, beginnt zu laufen, sobald Kenntnis über den beanstandeten Sachverhalt vorliegt. Umstritten ist, wann das hier der Fall war: Schon bei der Vertragsunterzeichnung 2014? Dann wäre der Großteil der Forderungen mittlerweile erloschen. Oder erst, als die GPA der Stadt ihren Bericht vorlegte? Dann wäre der Betrag, den Karl der Stadt schuldet, noch ein stattlicher.

Landet der Fall vor dem Verwaltungsgericht?

Pikant macht den vertrackten Fall Karls beruflicher Hintergrund. Nach ihrer Zeit in Lahr leitete sie ab November 2020 das Ortenauer Kommunal- und Rechnungsprüfungsamt, seit August vergangenen Jahres verantwortet die 55-Jährige das Finanzdezernat der Kreisbehörde. So sind Karl Fälle wie der ihre nicht fremd – nur, dass sie normalerweise auf der anderen Seite stand und steht. Hätte ihr mit ihrem Fachwissen vor neun Jahren nicht selbst die Fragwürdigkeit des Dienstwagen-Arrangements auffallen müssen? Oder lag die Verantwortung allein bei der Stadt beziehungsweise der Gesellschaft?

Wie es weitergeht, ist offen. Das wohl schlimmste auszumalende Szenario: Die Stadt muss Karl vor das Verwaltungsgericht zerren, wo dann eine weitere Dimension hinzukommen könnte, wie aus internen Kreisen zu hören ist. Sollten die Richter die Auffassung der GPA teilen, müsste die Kreisdezernentin nicht nur zahlen, sondern sähe sich als Beamtin möglicherweise auch dem Vorwurf der Untreue im öffentlichen Dienst ausgesetzt.

Das ist die GPA

Die Gemeindeprüfungsanstalt ist eine  selbständige Behörde mit rund 150 Mitarbeitern mit Sitz in Karlsruhe. Ihre Aufgabe ist die gemeindewirtschaftsrechtliche Prüfung aller Stadt- und Landkreise sowie der rund 620 Städte und Gemeinden im Land mit mehr als 4000 Einwohnern.