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Deutliche Worte vom Ex-Weltmeister: Guido Buchwald fordert nach dem 2:2 gegen Ghana einen Umbau im deutschen Team. „Bastian Schweinsteiger bringt wieder Ordnung ins Spiel, Philipp Lahm ist und bleibt ein idealer Verteidiger“, schreibt der frühere Weltklasse-Fußballer in seiner WM-Kolumne.

Stuttgart - Ohne Spaß. Nach dem Spiel gegen Ghana musste ich mir erst mal den Angstschweiß von der Stirn wischen. Uff, war das knapp! Joachim Löw sollte Miroslav Klose in Watte packen und jeden Tag eine Kerze für ihn anzünden – damit er sich während dieser WM nicht mehr verletzt. Wen hat er denn sonst noch auf der Bank, der im Handumdrehen das Sturmzentrum neu beleben kann? Niemand! Klose bindet meistens zwei Innenverteidiger, das schafft Räume für Mesut Özil und Mario Götze. Und er hat den untrüglichen Instinkt eines Klassestürmers für die Situationen im Strafraum. Er weiß, wo er stehen muss. Spieler wie er tauchen aus dem Nichts auf und sind vom Gegner nur mit großem Aufwand schwer zu verteidigen.

Dabei stand Ghana in der Defensive richtig gut. Die Afrikaner haben gut organisiert die Räume und Passwege der deutschen Elf zugestellt, sie waren meistens nah am Gegner, dazu unglaublich engagiert in den Zweikämpfen. Unser Team fand vor allem während der ersten Halbzeit keine Antworten auf diese Spielweise. Da war kein Rhythmus drin, es fehlten die Tempo-Variationen, Özil, Thomas Müller und Götze kamen so gut wie nie hinter die gegnerische Abwehr. Das wurde erst nach der Pause besser. Auch deshalb, weil durch die Einwechslung von Bastian Schweinsteiger mehr Ordnung in die Partie kam. Das war auch bitter nötig.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich habe so meine Probleme mit der Rolle von Philipp Lahm im defensiven Mittelfeld. Er wirkte schon beim 4:0 gegen die Portugiesen nicht immer souverän, gegen Ghana wirkte er zeitweise sogar verunsichert. Eine Weltmeisterschaft verlangt dem Spieler eben alles ab. Tempohärte und Zweikämpfe sind noch intensiver als sonst. Da kommt das Spiel manchmal wie eine gewaltige Lawine auf dich zu. Dafür fehlt unserem Kapitän aber die Robustheit.

Hinzu kommt noch, dass ihm Sami Khedira nicht die Hilfe ist, die er nötig hat. Dem früheren Stuttgarter fehlt nach seinem Kreuzbandriss noch ein Tick an körperlicher Frische. Ich kenne das: Du kommst nach der Verletzung zurück, du bist heiß zu spielen, du spürst keine Schmerzen mehr. Da geht es ein paar Spiele wie von allein. Aber dann fällst du in ein kleines physisches Loch. Khedira war die Quälerei bei seiner Auswechslung förmlich anzusehen.

Für mich ist und bleibt Lahm der ideale Außenverteidiger. Dagegen ist Benedikt Höwedes, der geschulte Innenverteidiger, keine Toplösung für die linke Außenposition. Und das nicht nur, weil er ein Rechtsfuß ist. Ich weiß, wovon ich rede: Ich habe unter Franz Beckenbauer und Berti Vogts ein paar Mal Außenverteidiger gespielt. Es ist ein Riesenunterschied, ob ich im Zentrum der Abwehr stehe und das Spiel um mich herum habe oder ob ich als Außenverteidiger vor allem den Raum hinter mir im Blick haben muss. Typisch für solche Situationen: Höwedes stand beim 1:0 der Ghanaer zu weit weg von seinem Gegenspieler. Er konnte die Flanke nicht verhindern. Und dann steigt innen Mustafi nicht hoch zum Kopfball.

Die Defensivarbeit macht mir insgesamt Sorgen. Solche Fehler können in den K.-o-Spielen schon das Aus bedeuten. Und ganz gleich, unter welcher Konstellation die US-Boys meines Freundes Jürgen Klinsmann im letzten Gruppenspiel auf unser Team treffen. Sie werden ähnlich bissig und konterstark wie die Ghanaer auftreten und keinen Zentimeter Raum verschenken. Hinzu kommt, dass Jürgen die Stärken und Schwächen der deutschen Spieler bis ins Detail kennt. Das ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil für die USA.

Nach dem US-Spiel gegen Ghana habe ich Jürgen per SMS zum Sieg gratuliert. Ich kenne ihn: Er ist sehr ehrgeizig. Aber am liebsten wäre ihm, Deutschland und die USA würden weiterkommen. Und an dieser SMS hätten wir dann beide unsere Freude.

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