So soll die umstrittene Treppe zur Ruine Hohennagold einmal aussehen – wenn sie denn kommt. Foto: Schwarzwälder-Bote

Bürger Nagolds entscheiden über 683-stufiges Bauwerk / Mehr als die Hälfte dagegen / Erst 4000 Nein-Stimmen können Projekt beerdigen

Von Roland Buckenmaier Nagold. Nagold bekommt, was die zaudernden Genossen und erklärten Gegner von Stuttgart 21 gerne hätten: den Bürgerentscheid. Der Ausgang dieser auf 12. Dezember terminierten Wahl in der 22 000 Einwohner großen Stadt im Nordschwarzwald ist ungewiss.Die Treppe – das ist in Nagold Synonym für eine gespaltene Stadt. Die jüngste Umfrage unserer Zeitung ergab, dass knapp mehr als die Hälfte der Bürgerschaft sich immer noch nicht mit diesem Bauwerk anfreunden kann, obgleich die Stadt und die Landesgartenschau GmbH schon Anfang dieses Jahres alle Pläne, Gutachten und Zahlen offengelegt hatten.

Es half nichts. Die Gegner dieses geplanten 683-stufigen Bauwerks vom Stadtpark Kleb quer durch den Schlossberg hinauf zur Ruine Hohennagold fuhren starke Geschütze auf. Ihre Argumente – vor allem, was den Naturschutz anbelangt – wiegen schwer, steht doch der Schlossberg, mit Ausnahme des Burggeländes, unter Naturschutz. Die Stadt erkannte, welches Damoklesschwert über ihrem Prestigeprojekt schwebt, das der Landesgartenschau 2012 in Nagold quasi die Krone aufsetzen soll, und reagierte. Man suchte noch im Sommer den Kompromiss und traf sich mit den örtlichen Naturschutzverbänden. Ohne Einigung. Das überraschende Angebot der Umweltschützer, sich mit einer kleineren Treppe mit etwa 100 Stufen anfreunden zu können, schlug die Stadt aus.

Auf juristischem Terrain fühlten sich die Stadtoberen gewappnet. Der Gemeinderat hatte im Frühjahr den Antrag auf ein Bürgerbegehren mit großer Mehrheit abgelehnt, weil er die Fristen für eine solche Bürgerbeteiligung verstrichen sah. Ein eigens eingeholtes Gutachten bestärkte die Räte in ihrer ablehnenden Haltung. Schließlich, so befanden die von der Stadt engagierten Juristen sinngemäß, habe der Gemeinderat den Bau der Treppe an die Landesgartenschau GmbH übertragen und sei damit für einen Bürgerentscheid gar nicht mehr zuständig.

Die Bürgerinitiative ließ diese Entscheidung nicht auf sich sitzen und zog vors Verwaltungsgericht Karlsruhe, das sich prompt auf die Seite der Stadt schlug. Also verfasste der Jurist und Vertrauensmann der Bürgerinitiative, Eisenhart von Loeper, ein weiteres Rechtsgutachten und hatte in letzter Instanz Erfolg.

Der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim gab der Beschwerde der Bürgerinitiative statt. Die in der baden-württembergischen Gemeindeordnung festgelegte Sechs-Wochen-Frist, in der ein Beschluss des Gemeinderats angefochten werden muss, stünde der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens keineswegs entgegen, urteilten die Mannheimer Richter. Als der Gemeinderat den Rahmenplan mit der Treppe im Jahr 2008 absegnete, habe man das Für und Wider des Vorhabens nicht verlässlich beurteilen können. Weder Kosten noch Ausgestaltung der Treppe hätten damals festgestanden.

Dieses Urteil des VGH ist zugleich ein Präzedenzfall und, wie ein der Juristerei kundiger Nagolder Stadtrat befindet, auch eine "Klatsche für uns alle". Die obersten Verwaltungsrichter schrieben Nagold nämlich ins Stammbuch, dass die "Übertragung der weiteren Durchführung der Landesgartenschau und aller damit verbundenen Maßnahmen auf die GmbH nicht zu einer Verkürzung der bürgerschaftlichen Mitgestaltungsrechte" führe. Laienhafter ausgedrückt: Die Stadt kann nicht einfach ein Projekt an einen Subunternehmer vergeben – und ist damit alle Sorgen wegen möglicher Bürgerbeteiligungen los.

Das VGH-Urteil hat keine aufschiebende Wirkung. Also könnte theoretisch wie geplant in diesen Tagen mit dem Bau der 700 000 Euro teuren Treppe begonnen werden, freilich verbunden mit dem Risiko, dass die Nagolder beim Bürgerentscheid am 12. Dezember das ganze Projekt kippen. Ein Risiko, das man im Rathaus nicht eingehen will. Gemeinsam mit der Bürgerinitiative einigte man sich, die Nagolder vor die Wahl zu stellen.

Die Hürde für die Gegner ist hoch. Sie müssen, um dieses Streitobjekt für immer zu begraben, nicht nur die Mehrheit bekommen, sondern gemäß Gemeindeordnung mindestens 25 Prozent der insgesamt 16 000 Wahlberechtigten hinter sich scharen – also 4000 Nein-Stimmen mobilisieren. Sollte dieses Quorum nicht erreicht werden, aber die Gegner gleichwohl in der Mehrheit sein, liegt es wieder am Gemeinderat, ob die Treppe gebaut wird oder nicht. Eine Fortsetzung von Nagolds unendlicher Treppengeschichte ist also so oder so gewiss.