20.000 Lichtjahre entfernt: der Stern V838 Monocerotis. Klicken Sie sich durch die schönsten Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble. Foto: NASA

Die Existenz außerirdischen Lebens könnte die Menschen friedvoller machen, sagt Jill Tarter.

Stuttgart - Die amerikanische Astrophysikerin Jill Tarter (66) sucht Außerirdische. Sie ist Direktorin des Seti-Programms, bei dem seit 50 Jahren Forscher das Weltall nach Signalen von fremden Zivilisationen abhorchen. Bei der Suche nach E.T. stellt sich die Sinnfrage dieser Suche.

Frau Tarter, gibt es einen Science-Fiction-Film, den Sie besonders mögen?

Ich liebe "Contact", weil er davon handelt, was wir im Seti-Institut tatsächlich machen, nämlich Außerirdische suchen. Viele Details und insbesondere die Leidenschaft der Forscher entsprechen der Realität.

Wie kam es bei Ihnen zu der Leidenschaft, Außerirdische aufspüren zu wollen?

Im ersten Jahr meines Graduiertenstudiums war ich mit dem Programmieren eines Minicomputers beschäftigt. Der Rechner wurde an einen Wissenschaftler abgegeben, der ihn für das Seti-Programm nutzen wollte. Ich wusste damals noch nicht, was Seti bedeutet. Der Kollege drückte mir eine Nasa-Studie in die Hand, wie man Außerirdische aufspüren könnte, und fragte mich, ob ich nicht in seinem Team mitarbeiten wollte. Ich war sofort fasziniert. Unzählige Philosophen und Theologen hatten sich ja jahrtausendelang mit der Frage befasst, ob es außerhalb der Erde noch irgendwo im Weltall Leben gibt. Naturgemäß konnte niemand klären, ob wir allein im Kosmos sind oder nicht. Mir wurde beim Lesen des Reports klar, dass die Menschheit über technische Möglichkeiten verfügte, um wissenschaftlich eine Antwort auf diese sehr alte Frage zu erhalten. Man konnte ein Experiment durchführen, statt nur subjektive Vermutungen zu äußern.

Warum ist es wichtig zu wissen, ob es irgendwo im Weltall Leben gibt?

Das ist fundamental dafür, wie wir uns selbst sehen und welche Rolle wir im Universum spielen. Wenn wir darüber nachdenken, dass die kosmische Evolution auf anderen Planeten ganz andere Lebensformen hervorgebracht haben könnte, dann muss Ihnen bewusst werden, wie ähnlich wir uns doch letztlich alle sind - verglichen mit irgendwelchen Außerirdischen. Ich hoffe, dass dieses Bewusstsein dazu beiträgt, Unterschiede zwischen den Menschen als weniger groß zu empfinden, und wir uns deshalb vielleicht nicht mehr gegenseitig die Schädel einschlagen sollten.

"Wir haben keinen Reserveplaneten"

Das bedeutet, es wäre gut für das Wohl der Menschheit, wenn Seti Signale von fernen Zivilisationen nachweisen würde?

Noch wissen wir nicht, ob wir allein sind oder nicht. Aber wir können uns das nicht aussuchen. Die Dinge sind, wie sie sind. So oder so stärkt die Forschungsarbeit von Seti das Bewusstsein für den Wert des Lebens auf unserem Planeten. Er ist unsere einzige Heimat im Weltall. Wir haben keinen Reserveplaneten. Es wäre töricht, sich nicht für den Schutz der Umwelt und das Wohl der Nächsten einzusetzen - ganz gleich, ob wir allein sind oder ob es viele Planeten mit intelligenten Lebewesen gibt.

Bei Seti wird seit 50 Jahren nach Außerirdischen gesucht, und kein einziger Beleg für die Existenz von Leben im All wurde erbracht. Was bedeutet das?

Nehmen wir an, die Frage würde nicht lauten, gibt es irgendwo im Universum intelligente Lebensformen, sondern gibt es in den Ozeanen Fische? Dann könnte man unsere bisherige Arbeit damit vergleichen, ein einziges Glas Wasser aus dem Meer geschöpft zu haben, um zu schauen, ob sich darin ein Fisch befindet. Wenn man in dem Glas keinen Fisch sieht, wäre es nicht sehr weise, daraus zu folgern, dass es in den Ozeanen generell keine Fische gibt. Das ist die Lage, in der wir uns bei Seti befinden. Wir haben noch nicht die vielen Dimensionen erkundet, in denen sich Signale von fremden Zivilisationen verstecken könnten. Wir haben nicht mal unseren eigenen kosmischen Hinterhof, die Milchstraße, ausreichend durchsucht. Wir brauchen bessere Methoden.

Sollte der Kosmos auf mehr Frequenzen abgehorcht werden?

Ja. Bisher arbeiten wir im Bereich des sichtbaren Lichts und mit Radiofrequenzen. Wir sollten auch die Wellenlängen dazwischen nutzen, also etwa auch im Bereich des Infrarotlichts nach Signalen suchen. Infrarotlicht dringt ohnehin viel besser als Licht durch den kosmischen Staub. Wir brauchen eine neue Strategie für unsere Suche.

Wie lange kann man denn Wissenschaftler motivieren, nach etwas zu suchen, das sie in fünf Jahrzehnten nicht gefunden haben - 100 Jahre oder vielleicht 200 Jahre?

50 Jahre sind im kosmischen Sinne nicht wirklich eine lange Zeit. Menschen stellen über Generationen die gleichen Fragen. Auch große Kathedralen hat man über mehrere Jahrhunderte hinweg gebaut. Ich glaube nicht, dass es hier ein Motivationsproblem geben wird. Vorstellbar ist, dass man an einem bestimmten Punkt die Suche aufgeben wird, weil man kein Geld mehr für das Projekt hat oder zu der Überzeugung gekommen ist, dass bereits alles Mögliche unternommen wurde. Wenn man dann die Suche stoppt, ist das quasi gleichbedeutend mit der Erkenntnis, dass wir allein im Weltall sind. Das wäre eine überaus wichtige Schlussfolgerung, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen kann.

Sind fremde Zivilisationen eher Freund oder Feind?

Könnten wir die Sache nicht beschleunigen, indem wir Signale ins All senden, anhand derer intelligente Wesen erkennen müssten: Aha, da auf der Erde gibt es offenbar Lebewesen. Dann könnten sie uns antworten.

Wenn alle nur lauschen und niemand aktiv sendet, funktioniert die ganze Sache zugegebenermaßen nicht sehr gut. Deshalb bin ich langfristig dafür, dass auch wir Signale in den Kosmos senden. Doch im Moment halte ich das nicht für angebracht, weil unsere Technik kosmisch gesehen erst in den Kinderschuhen steckt. Wir leben zwar in einer alten Galaxie, doch wir sind eine extrem junge Technologie-Zivilisation. Wir haben guten Grund zur Annahme, dass wir die jüngste Zivilisation in der Milchstraße sind, die zu einer kosmischen Kommunikation in der Lage ist. Doch es geht hier um evolutionäre Zeiträume. Man muss sehr lange senden, um überhaupt eine Chance zu haben, von einer das Lauschen beginnenden Zivilisation - wie wir es ja gerade sind - wahrgenommen zu werden. So ein Projekt muss man mindestens für 10 000 oder 100 000 Jahre beschließen, sonst hat es keinen Sinn.

Würde die Arbeit von Seti einfacher, wenn man Teleskope auf der erdabgewandten Seite des Mondes bauen würde?

Dort gibt es keine störende Strahlung von irdischer Technik oder Satelliten. Deshalb wäre dort ein guter Standort für Radioteleskope, mit denen man in die Tiefen des Alls horchen könnte. Doch ein bewegliches Teleskop, das dem feinen Mondstaub trotzen kann, ist wahrlich keine einfache Sache.

Ist die Frage, ob es außerirdisches Leben gibt, in verschiedenen Kulturen unterschiedlich wichtig?

Ich bin überzeugt, dass diese Frage durch die Evolution tief im Menschen verankert worden ist. Es war immer wichtig zu wissen: Gibt es jemanden in der Höhle da drüben oder auf der anderen Seite des Flusses oder hinter dem Horizont? Die Frage, ob es andere im Kosmos gibt, ist die Fortsetzung dieser Fragen.

Was sagt Ihr Bauchgefühl: Werden die Außerirdischen, wenn wir welche finden, eher Freunde oder Feinde sein?

Die meisten fürchten sich vor Außerirdischen. Das muss in den Genen stecken. Durch Aufklärung und Erziehung sind wir dabei, die Angst vor solchen Geschöpfen allmählich abzubauen. Allerdings weiß ich nicht, ob uns fremde Zivilisationen im All eher freundlich oder feindlich begegnen würden. Außerirdische, mit denen wir in Kontakt treten könnten, wären viel ältere Zivilisationen als wir und technologisch bedeutend weiter. Wenn sie über so große Zeiträume überleben konnten, spricht dies dafür, dass sie eine mögliche Aggressivität im Laufe der Zeit abgelegt haben. Aufgrund ihrer Überlegenheit hätten sie unsere Ressourcen wahrscheinlich nicht nötig. Das sind Vermutungen. Als Wissenschaftlerin würde ich aber gerne wissen, wie es wirklich ist.