In Deutschland gibt es so viele Jäger wie nie zuvor – darunter immer mehr Frauen. Warum? Eine Jungjägerin im Kreis Freudenstadt erzählt, was ihr Antrieb war, den Jagdschein zu machen.
460.771 Menschen mit Jagdschein – eine Rekordzahl. Noch nie gab es in Deutschland laut Katharina Daiss, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Marketing beim Landesjagdverband Baden-Württemberg, mehr Menschen mit Jagdschein. In Baden-Württemberg sind es 51.388. Und die Jagd wird weiblicher. So stieg der Anteil der Frauen im Landesjagdverband laut einer Mitgliederbefragung von sieben Prozent in 2016 auf elf Prozent in 2022 an.
Woher kommt diese Entwicklung? Jungjägerin Sandra Saller erzählt von ihrer Motivation, den Jagdschein zu machen und von ihren Erfahrungen im traditionellen, „männergeprägten“ Handwerk.
Was bedeutet „Jungjägerin“?
Seit circa einem Jahr besitzt Saller ihren Jagdschein. Damit ist die 38-Jährige eine Jungjägerin. Das heißt, ihr ist es unter anderem nicht erlaubt, ein eigenes Revier zu pachten, mit dem Alter der Person hat die Bezeichnung nichts zu tun. Erst wenn sie den Jagdschein für drei Jahre besessen hat, darf sie selbst pachten. Bis dahin sammelt sie Erfahrung im Kreis Freudenstadt, wo ein Jäger ihr erlaubt, in seinem Revier zu jagen – ein sogenannter Begehungsschein im Alltagsmund. Der Gesetzgeber spricht von einem Jagderlaubnisschein.
Warum entscheiden sich Frauen vermehrt für die Jagd?
Saller begründet ihr Interesse an der Jagd mit Naturverbundenheit und Nachhaltigkeit. Die Frage „Woher kommt mein Fleisch?“ sei ihr in die Wiege gelegt worden. Schon früh habe sie ihr Vater beim Angeln mit der Familie sensibilisiert: „Hier verliert ein Lebewesen dafür sein Leben, dass wir einen vollen Bauch haben.“ Die selbe Einstellung versuche sie auch an ihre eigenen Kinder weiterzugeben. „Sie sollen sehen, dass das Fleisch nicht aus dem Kühlregal kommt“, erklärt sie.
Eine ähnliche Motivation hätten die meisten anderen Frauen, die Saller in den Vorbereitungskursen für die Jägerprüfung getroffen habe: „Frauen machen sich eher darüber Gedanken, wo das Fleisch herkommt.“ Bei Männern würden Prestige und das Ansehen als Jäger im Vordergrund stehen. Das sei jedoch eine tendenzielle Erfahrung, so Saller, sie möchte nicht alle über einen Kamm scheren.
Außerdem „why not?“ fragt sie. „Warum sollen wir Frauen nicht auch noch Jäger sein?“ Arbeit in Vollzeit, Kinder großziehen, den Haushalt schmeißen – „wenn wir das alles können, können wir auch unser eigenes Fleisch besorgen“, meint sie.
Wie werden Jungjägerinnen von ihren männlichen Kollegen aufgenommen?
Saller selber entspreche im Alltag mit blonden Haaren, schlanker Figur, Highheels und lackierten Fingernägeln nicht dem klassischen Bild eines Jägers, was oftmals zu Schubladendenken führe. „Es gibt ganz wenige, die Frauen und Jungjägern eine Chance geben“, erzählt sie. Erst über eine Facebook-Gruppe habe sie einen Jäger gefunden, der ihr erlaubte, in seinem Revier im Kreis Freudenstadt zu jagen.
Ist dieses Misstrauen gegenüber Anfängern begründet? „Meine persönliche Meinung ist: viele machen den Jagdschein aus falschen Ansätzen“, erzählt Saller. Einige Menschen würden völlig blauäugig und unvorbereitet die Jagdkurse besuchen – darunter beispielsweise Sportschützen, die auf diesem Weg zur Langwaffenerlaubnis kommen möchten oder gut betuchte Menschen, die sich nach Ansehen sehnen würden. „Viele verstehen nicht, dass viel Arbeit dahinter steckt“, meint sie.
„Gott sei Dank ist die Jägerprüfung in Baden-Württemberg schwer, sodass oft die Spreu vom Weizen getrennt wird“, führt Saller weiter aus – so schwer, dass die Prüfung auch „Grünes Abitur“ genannt wird. In Baden-Württemberg lag die Durchfallquote im vergangenen Jahr laut Karin Zeger, Pressesprecherin der Kreisjägervereinigung Rottweil, bei circa 40 Prozent. In drei Teilen - schriftlich, mündlich und praktisch - müssen die Prüflinge beweisen, dass sie sich mit Waffenrecht, Waffenführung, Wildtierbiologie, Jagdhundewesen, Wildgehegebau, Tier- und Naturschutz, Wildtierkrankheiten, und vielen weiteren jagdspezifischen Themen ausreichend auseinandergesetzt haben.
Was sind Aspekte der Jagd, die weniger Beachtung finden?
Einige Menschen bringen die Jagd direkt in Verbindung mit dem Töten. Doch das Handwerk habe mit Mordlust nichts zu tun. Das tatsächliche Jagen mache laut Saller nur zehn Prozent des Jagdhandwerks aus. Die restlichen 90 Prozent bestünden daraus, im Wald unterwegs zu sein, zu arbeiten, Flora und Fauna zu pflegen. So lege sie beispielsweise Pirschwege an, sammele den Müll auf, den andere Waldbesucher hinterlassen und stelle im Winter Mais für das Wild bereit. „Jagen ist kein Hobby, sondern muss Leidenschaft sein“, meint sie.
Der Weg zum „Grünen Abitur“
Vorbereitungskurse,
den ersten Schritt zum Jagdschein, geben örtliche Jagdverbände, wie die Jägervereinigung des Kreis Freudenstadt, der Landesjagdverband sowie private Jagdschulen. Dort erlernen die Teilnehmenden theoretisches und praktisches Wissen und Fähigkeiten in unter anderem Wildbiologie, Wildfleischhygiene, Jagd- und Naturschutzrecht, Jagdhundewesen, Hundeführung und -ausbildung, Jagdwaffenkunde und im jagdlichen Schießen.