Es sollen laut Falschmeldung Kinder ohne Einwilligung der Eltern geimpft worden sein. Foto: © stock.adobe.com

Es klingt wie das Szenario aus einem schlechten Film: Ein Kind rennt von einem Impfbus davon, in dem es ohne Einwilligung der Eltern geimpft werden soll. Die Polizei ist vor Ort und duldet das Verhalten. Besitzt diese Geschichte ein Körnchen Wahrheit oder entpuppt sie sich als Falschmeldung?

Villingen-Schwenningen - Jugendliche können sich ab 16 Jahren ohne die Einwilligung ihrer Eltern impfen lassen, im Alter zwischen 14 und 16 können sie sich unter bestimmten Voraussetzungen ohne das Einverständnis ihrer Erziehungsberechtigten den Piks in den Arm geben lassen. Bei Kindern unter 14 Jahren ist eine Impfung ohne die Einwilligung der Eltern also völlig ausgeschlossen.

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Impfbus soll willkürlich Kinder impfen

Dennoch: Am Montag soll Personal in einem Impfbus an einer Villinger Grundschule Kinder einfach so geimpft haben – ohne Einverständnis der Eltern. "Eine achtjährige Tochter ist am Montag ohne Schulranzen und Jacke nach Hause gerannt, weil Impfbusse die Schule besucht haben und die Kinder sich willkürlich ohne die Einverständnis der Eltern mit dem Covid-Impfstoff impfen lassen konnten", wendet sich ein Leser an unsere Redaktion. "Die Eltern wurden nicht informiert und selbst die Polizei, die dort vor Ort war, meinte, dass die Kinder das selbst entscheiden dürfen, ob sie geimpft werden oder nicht." Diese Nachricht werde in einem Elternchat an der Grundschule verbreitet und beunruhige den einen oder anderen Erziehungsberechtigten, schreibt die Leserin. Hat dieses Szenario in Villingen wirklich so stattgefunden, oder ist es doch ein Fantasiegespinst? Unsere Redaktion ist der Sache nachgegangen.

Pressestelle entpuppt Meldung als Fake-News

Stadt, Landratsamt und Schwarzwald-Baar-Klinikum betonen unisono: Diese Geschichte hat mit der Realität absolut nichts zu tun. "Bei der wohl aktuell kursierenden Info handelt es sich um einen besonders harten Fall von Fake-News."

Zur Aufklärung: Die mobilen Impfteams bieten bislang nur Termine für Personen ab dem vollendeten zwölften Lebensjahr an. Bis zum vollendeten 16. Lebensjahr muss die Impfung im Beisein eines Erziehungsberechtigten erfolgen. Eine angebliche Aktion, wie sie aktuell verbreitet wird, habe nicht stattgefunden. Doch der Vorfall zeigt deutlich, wie schnell sich falsche Informationen verbreiten und für Verunsicherung unter Eltern sorgen. "Bürger dürfen sich jederzeit bei Unsicherheiten an die verantwortlichen Behörden wenden und sich über die aktuelle Vorgehensweise informieren."

Polizei: Fall hat nicht so stattgefunden

Auch der Pressesprecher der Polizei, Jörg-Dieter Kluge kann die mutmaßliche Impfaktion ohne Weiteres ins Nirwana verorten: "Eine solche Aktion unter Beteiligung der Polizei hat in Villingen nicht stattgefunden", sagt er auf Anfrage des Schwarzwälder Boten – dabei solle die Polizei doch laut Meldung im Nachrichtendienst ausdrücklich involviert gewesen sein. Bei Recherche sei die Polizei auf dem Kanal Telegram unter dem Account "peacecrowd" auf eine ähnliche Nachricht einer Person gestoßen. "Allerdings ist diese Ankündigung ohne Ortsbezeichnung oder nähere Hintergründe – die es so wohl auch nicht geben dürfte", so Kluge.

Fake-News verunsichern

Ein aktuelles Beispiel, das zwar – wie sich herausgestellt hat – nichts mit der Realität zu tun hat, aber doch auf alarmierende Art und Weise zeigt, welche Wirkung Fake-News im digitalen Zeitalter haben. Mit einer Geschwindigkeit hat sich die Nachricht über den erfundenen Impfbus, der Kinder ohne Einwilligung der Eltern impft, im Netz verbreitet – und zuletzt auch unsere Redaktion erreicht. Personen fühlen sich durch diese Nachricht verunsichert und wissen nicht, wie sie mit der Information umgehen sollen. Fälle aus der Vergangenheit zeigen, wie rasant Fake-News umherströmen und welchen faden Beigeschmack sie bei Betroffenen zurücklassen.

Schwenninger Kassiererin soll gewalttätig geworden sein

Ein Einzelfall? Eher nicht. Im März letzten Jahres – zu Beginn der Pandemie – verbreitete beispielsweise ein Facebook-Nutzer ein Video, das angeblich in einer dm-Filiale in Schwenningen aufgenommen wurde. Eine Verkäuferin gerät darin mit einer Kundin erst verbal und anschließend körperlich aneinander. Der belanglose Grund: Die Kundin schiebt einen prall gefüllten Einkaufswagen in Richtung Kasse, voller Klopapier – die Mangelware Nummer eins zu Beginn der Pandemie. Später stellt sich heraus: Es handelt sich zwar um einen realen Fall, allerdings hat sich dieser in einer ganz anderen Filiale zugetragen, von Schwenningen war niemals die Rede.

Doch bis andere Nutzer dies überhaupt hinterfragt hatten, war das Video bereits etliche Male geteilt und weit über einhundert Mal kommentiert worden. Die Dynamik zeigt, wie gefährlich das Internet in Bezug auf das Coronavirus sein kann, wenn man Nachrichten, Meldungen, Fotos und Videos nicht hinterfragt oder prüft, sondern einfach teilt und dadurch Falschmeldungen verbreitet.

Flüchtlinge Opfer von Fake-News

Aber nicht nur in Bezug auf Corona besitzen Fake-News eine eindringliche Macht und beeinflussen die Meinung der Bevölkerung. Besonders gefährlich ist das, wenn sie Gruppen, wie Flüchtlinge anprangern – und das zu Unrecht. Vor einigen Jahren sorgte ein Vorfall in Villingen für großes Aufsehen: Drei Syrer hätten sich in das Auto einer Frau gesetzt und sie gezwungen, nach Donaueschingen zu fahren. Die Polizei hätte nichts dagegen machen können, wäre zur Sicherheit der Frau aber hinterhergefahren. Es herrsche ein "Kleinkrieg", die Polizei greife nicht durch, sie würden nicht mal gegen die Flüchtlinge vorgehen dürfen. Unsere Redaktion ist der Sache damals nachgegangen.

Polizei zeigt sich entsetzt über Vorwürfe

Wir fragten bei dem Urheber der vermeintlichen Meldung nach. Der Vorfall habe sich an einer Tankstelle abgespielt. Bei Nachfrage des Tankstellenbetreibers stellte sich heraus, dass so ein Vorfall dort niemals stattgefunden hat, auch die Polizei bestätigte dies. "Es haben sich keine Anhaltspunkte für einen solchen Sachverhalt ergeben", sagt ein Pressesprecher der Polizei. Überhaupt hält man einen solchen Vorfall für "nicht möglich". Es würde sich um eine Nötigung, eventuell Freiheitsberaubung handeln – also schwerwiegende Straftaten. "Ein solches polizeiliches Verhalten ist undenkbar", äußerte sich die Polizei geradezu entsetzt über die Vorwürfe.

Alle Meldungen können Meinungen beeinflussen

Ein angeblicher Impfbus, der Kinder ohne Einwilligung der Eltern impft, eine Kassiererin in Schwenningen, die gewalttätig wird oder ein "Kleinkrieg" zwischen der Polizei und Flüchtlingen – alles Nachrichten, denen man folglich absolut keinen Glauben schenken durfte. Aber trotzdem: Sind sie erstmal verbreitet, hinterlassen sie bei dem Empfänger einen üblen Beigeschmack und können Meinungen im Unterbewusstsein beeinflussen.