Afrika-Kennerin: Antonia Witt plädiert für ein neues Engagement in Mali. Foto: HSFK

Nach dem Rückzug Frankreichs aus der Sahelzone sollte Deutschland seinen Einsatz überdenken und sich neu aufstellen, sagt Antonia Witt vom Leibniz-Institut in Frankfurt.

Frau Witt, ist das Ende der französischen Barkhane-Mission in der Sahelzone Teil eines Gesamtrückzugs aus der Region?

Es ist kein radikaler Bruch. Frankreich will ja zumindest im Niger auch militärisch engagiert bleiben. Aber die Sahelzone erlebt zurzeit tatsächlich schwerwiegende Veränderungen. Das Selbstbewusstsein der politischen Akteure in den frankofonen Staaten Westafrikas ist gewachsen: Sie haben gesehen, dass Machtverhältnisse umwälzbar sind. Die ehemalige Kolonialnation kann vertrieben werden und hat sich verwundbar gezeigt. Man kann jetzt selbst wählen, mit welchen Partnern man welche Aufgaben angehen will.

Was bedeutet der französische Rückzug für Deutschland? Sollte es sich auch zurückziehen?

Im Gegenteil. Deutschland sollte das als Weckruf für ein neues Engagement verstehen. Man sollte die Bedürfnisse und Interessen in der Sahelzone ins Auge fassen und die dortigen Akteure als tatsächliche Partner anerkennen.

Also sollte Berlin das Vakuum füllen?

Falsch wäre, Frankreichs Rückzug als eine Lücke zu sehen, die von einer anderen europäischen Macht gefüllt werden muss. Das wäre die Weiterführung eines kolonialen Machtanspruchs. Vielmehr sollte Deutschland sein Engagement überdenken und sich neu aufstellen.

Wie? Mit mehr Soldaten, mehr Entwicklungshilfe oder engerer politischer Kooperation?

Deutschland genießt ein hohes Ansehen in der Region – auch unter den zivilgesellschaftlichen Akteuren und gerade auch in Abgrenzung zu Frankreich. Der wichtigste Bereich ist derzeit gewiss der politische: dass man an einer gemeinsamen Strategie zur Bewältigung der Konflikte arbeitet.

In den meisten Fällen hat man es aber mit Militärregierungen zu tun: Die sollte man als legitime Partner eigentlich gar nicht anerkennen.

Politische Lösungen anzustreben bedeutet ja nicht, dass man unbedingt mit Regierungen zusammenarbeitet. Das können auch örtliche zivilgesellschaftliche Gruppen sein. Gerade in der Sahelzone mit ihrer vielschichtigen Konfliktdynamik ist das außerordentlich wichtig. Gleichzeitig muss man allerdings auch die ganze Region im Auge behalten: Es muss eine nachhaltige Lösung gefunden werden, die sich nicht in der bloßen Stimmabgabe bei umstrittenen Wahlen erschöpft.

Und militärische Hilfe?

Nach der britischen Entscheidung, sich wie Frankreich aus Mali zurückzuziehen, wird es noch schwerer, für eine Fortsetzung des deutschen Engagements in der UN-Mission „Minusma“ einzutreten. Der Verbleib der Bundeswehr wurde ja immer auch damit begründet, eine Kaskade europäischer Abzüge zu vermeiden. Dennoch: Die UN-Mission ist angesichts der derzeitigen Spannungen besonders wichtig, vor allem für die Bevölkerung.

Und wenn sich auch Deutschland zurückzöge, würde das Feld ganz den Russen überlassen?

Das ist die falsche Begründung für den Verbleib. Die Fortsetzung der Mission sollte nicht aus geopolitischen Erwägungen erfolgen, sondern aus dem Beitrag, den die Mission für die Befriedung des Konfliktes leisten kann.