Dieter Hallervorden in „Chuzpe“ Foto: ARD/Degeto

Er war der mit der Kuh Elsa. Er war der, der „Die Wanne ist voll“ sang. Doch Dieter Hallervorden, der in 1970ern als die Kunstfigur Didi berühmt wurde, kann viel mehr als Klamauk. Das beweist er auch in dem Film „Chuzpe“, den das Erste an diesem Samstag, an Hallervordens 80. Geburtstag, zeigt.

Herr Hallervorden, Sie haben die einmalige Gelegenheit, sich ein Thema auszusuchen, über das wir nicht reden!
Oh, dann nehme ich Griechenland, bitte. Oder denken Sie da an Privatangelegenheiten? Die können wir natürlich auch gern weglassen . . .
Ich dachte vor allem an Didi, Ihre Kunstfigur der 1970er.
Stimmt, über die ist nun wirklich alles gesagt – auch weil ich so viele Jahre danach noch immer ständig was dazu sagen muss. Aber wenn Sie so fragen, brennt Ihnen doch garantiert was unter den Nägeln. Also schießen Se mal los!
Ist alles darüber gesagt, weil es Geschichte ist oder weil Ihnen der Klamauk dieser Geschichte womöglich ein bisschen unangenehm ist?
Ersteres, weil ich das nie als Klamauk empfunden habe. Klamauk ist „Bild“-Zeitung, Didi dagegen ist ja daraus entstanden, dass ich seinerzeit Marty Feldman synchronisiert habe, der in seiner Heimat ein gefeierter Superstar war, weil Komödie im englischsprachigen Raum als ganz hohe Kunst gesehen wird. Aber obwohl Goethe mal gesagt hat, wie ernst man sein müsse, um was Heiteres zustande zu bringen, wird es in Deutschland noch immer nicht anerkannt. Komödie gilt hier als minderwertig, mit dem seltsamen Nebeneffekt, dass ich erst durch späte Filme wie „Honig im Kopf“ oder jetzt „Chuzpe“ Anerkennung kriege, die es in England auch mit dem gegeben hätte, was Sie Klamauk nennen.
Haben Sie das Gefühl, jetzt Fähigkeiten zeigen zu dürfen, die zuvor brach lagen?
Ich kann halt nur spielen, was man mir anbietet. Und da bin ich Kilian Riedhof dankbar, dass er den Mut hatte, die Rolle des Marathonläufers in „Sein letztes Rennen“ vor ein paar Jahren auf mich zuzuschreiben. Ein Film, bei dem der Humor allenfalls hintergründig ist. Das war mein Wiedereinstieg ins Charakterfach, was – ohne mir auf die Schulter zu klopfen – schon auch meine Vielseitigkeit beweist.
Empfinden Sie das angesichts des ersten Karrieredrittels als zweiten Frühling oder angesichts des mittleren eher als vergoldeten Spätherbst?
Wer sich genauer mit mir beschäftigt hat, weiß ja, dass ich auf der Schauspielschule schon Franz Moor in Schillers „Räuber“ gespielt und zunächst mal Filme wie „Springteufel“ oder „Millionenspiel“ gedreht habe, was dann aber durchs politische Kabarett und „Nonstop Nonsens“ überdeckt wurde. Umso größere Freude bereitet es mir, die Zuschauer meiner neuen Filme mit einem Hallervorden zu überraschen, den sie noch nicht kannten.
Statt noch irgendwen überraschen zu wollen, könnten Sie sich aber auch in Ihr bretonisches Schloss mit eigenem Wikipedia-Eintrag setzen und den Ruhestand genießen, oder haben Sie dafür zu viele Hummeln im Hintern?
Wissen Sie, wenn man einen Beruf hat, der aus einem Hobby entstanden ist, kann man damit nicht einfach aufhören, nur weil es daheim gemütlicher ist. Solange mich meine Beine noch auf die Bühne tragen, da oben genug Grips steckt und ein paar Leute zusehen, werde ich dieser Leidenschaft immer nachgehen. Die anderen Hobbys von Gärtnern über Surfen bis Lesen würden nie ausreichen, mein Dasein mit Leben zu füllen. Ich bin im Unruhestand.
Das haben Sie mit Ihren jüngsten Rollen gemeinsam. In „Chuzpe“ spielen Sie einen, der ganz vor vorne anfangen und eine Bulettenfabrik in der alten Heimat aufmachen will.
Was uns mehr noch vereint, ist die Tatsache, dass wir uns diese Ziele gegen alle Widerstände setzen. Aus Steinen, denen man Menschen in den Weg legt, lassen sich durchaus solide Gebäude bauen. Gut, ich werde 80; aber das Leben ist wie ein Theaterstück: Es kommt nicht drauf an, wie lange es dauert, sondern wie interessant es ist. Meins ist noch nicht uninteressant genug, um aufzuhören.
Dieses Motto scheint für die ganze Branche, zu gelten, die Senioren oft als sehr agile Menschen darstellt. Hat das mit der demografischen Entwicklung zu tun?
Was meinen Sie denn?
In meiner TV-Erinnerung mussten alte Leute vor 30 Jahren meistens die Rolle der im Sessel sitzenden Omas und Opas spielen. Heute müssen sie partout noch mal Firmen gründen und tollen Sex haben  . . .
Wie weit das im Trend liegt, vermag ich nicht zu sagen. Aber es war und ist wünschenswert, dass die letzten Jahre oder Jahrzehnte nicht fremdbestimmt werden. Insofern ist ein Film wie „Chuzpe“ angesichts der wachsenden Anzahl älterer Menschen, die zusehends fitter werden, absolut zeitgemäß. Darüber hinaus interessiert mich der Kontext meiner Filme weit weniger als die Qualität ihrer Bücher und Figuren. Und an dieser Figur des Edek Rotwachs hat mich besonders die Lebensphilosophie interessiert. Edeks Glas ist immer halbvoll.
Das ist es bei Ihnen auch?
Meistens.
Was über Edeks Kraft hinaus interessant ist, ist seine Sprache, die sich nach 60 Jahren im australischen Exil irgendwie aus Jiddisch, Deutsch und Englisch zusammensetzt.
Das war die Idee: Eine Kunstsprache zu erschaffen. An der habe ich lange gebastelt. War nicht einfach. Weit authentischer ist allerdings die Figur selbst, diese Lebensfreude, da steckt im Gegensatz zu „Honig im Kopf“ Gott sei Dank schon auch eine Menge von mir selbst drin. Ich hab’ wie er ja noch einiges vor.
Dafür spricht, dass Sie sich gerade das zweite Berliner Theater zugelegt haben.
Nicht zugelegt – nur gemietet. Ein Haus, das eine hohe internationale Reputation hat, aber als ich es vor sechs Jahren übernommen habe, total heruntergekommen war. Wir beginnen an diesem Samstag mit der siebten Spielzeit. Richtig stolz bin ich aber eher auf die Wühlmäuse, die ich 1960 gegründet habe und seither ohne Subventionen am Laufen halte. So schlecht kann der Spielplan da nicht gewesen sein. Dennoch ist das Schlosspark-Theater mein Lieblingsprojekt, da steckt so viel Liebe, Herzblut und Geld von mir drin.
Müssen Sie eigentlich noch irgendwem etwas beweisen?
Das nicht, aber die Arbeit als Intendant so eines Hauses war schon eine besondere Herausforderung. Wir gehen noch immer nicht mit plus, minus null aus einer Saison heraus, aber die Kurve weist nach oben.
Glas fast voll also . . .
Auf jeden Fall.
Bleibt da noch Zeit und Lust zum politischen Kabarett?
Lust ja, Zeit nein. Und Kraft? Ich bin schon jetzt total überlastet, da freue ich mich erst mal auf ein bisschen Ferien, um die Batterien aufzuladen und zu sehen, welchen Schritt ich als Nächstes tun kann. Zurück darf keiner gehen.
Wenn Sie ein Cowboy wären, würden Sie offenbar in Ihren Stiefeln sterben wollen.
Ich will Molière nicht alles nachmachen und auf der Bühne sterben, aber solange mich die Leute sehen wollen, müssen Sie damit rechnen, dass ich noch etwas weitermache.

„Chuzpe – Klops braucht der Mensch“, Samstag, 20.15 Uhr, ARD