Eigentlich ist er seit Anfang des Jahres weg – aber manchmal ist er noch da: Klaus Schmid ist offiziell zum Jahreswechsel als Geschäftsführer der Diakoniestation Nagold in Ruhestand gegangen. Aber einen Tag die Woche steht er seinem Nachfolger Rainer Dietsch noch als Berater zur Seite.
Nagold - "Ich bin froh, nicht mehr verantwortlich entscheiden zu müssen", sagt Schmid mit einem Seufzer. Und denkt zum Beispiel an die bald geltende Impflicht in der Pflege: "Es gibt gute Gründe, nicht geimpft zu sein", findet Schmid. Aber – nicht mehr seine Herausforderung, die neuen Pflichten umzusetzen. Zumal deutlich über 90 Prozent der Mitarbeiter der Diakonie Nagold eh bereits gegen Corona geimpft seien. Überhaupt – Corona: "Ich freue mich ehrlich, dass ich die Maske jetzt weniger tragen muss!"
66 Jahre alt
Gerade ist Klaus Schmid 66 Jahre alt geworden. "Da fängt das Leben an", zitiert er einen bekannten Schlagertext. Sein Lebensmittelpunkt war immer Nufringen im Kreis Böblingen, dort ist er aufgewachsen, lebt dort bis heute mit seiner Familie. Gelernt hat er mal Großhandelskaufmann, arbeitete 22 Jahre für die Kriegbaum-Gruppe in Böblingen, zuletzt im mittleren Management. Als das Unternehmen Ende der 1990er-Jahre an die Metro verkauft wurde, "wollte ich mein persönliches Übernahmeangebot von dort nicht wahrnehmen", wie Schmid erklärt. Der Familie zuliebe.
Aber vielleicht hatte es auch mit der mutmaßlich neuen Unternehmenskultur zu tun: Das Familienunternehmen Kriegbaum lebte traditionell ein christliches Leitbild in der Unternehmensführung – mit dem sich der bereits damals im heimischen Nufringen als Kirchengemeinderat aktive Klaus Schmid hundert Prozent identifizierte. Unter den "neuen Herren" schienen solche Ideale eher schwer im Alltag integrierbar. Es sei "eine göttliche Fügung" gewesen, so Schmid, dass er just in dieser Situation auf eine Stellenausschreibung der "Deutschen Indianer Pionier Mission" (DIPM) gestoßen sei – wo er ab 1999 als Verwaltungsleiter eine seiner neuen Berufungen fand.
Ab 2000 in Nagold tätig
"Bis heute ist die Mission ein Teil meines Ehrenamtes", erläutert Schmid. Aber das tägliche Pendeln auf die Schwäbische Alb zum Sitz der Mission – das habe er nur bis um 15. Juli 2000 durchgehalten. Nur einen Tag später nahm er seinen Dienst als Geschäftsführer der Diakoniestation Nagold auf - "Nagold war halt besser zu erreichen". Und die Arbeit einer Diakonie, die kannte er von seiner Ehefrau – die war bereits viele Jahre Einsatzleiterin der Diakoniestation Gärtringen. "Da habe ich immer mitbekommen, wie das läuft."
Der neue Job – er war vor allem erst einmal Herausforderung. "Ich hatte damals zwei Wochen Einarbeitungszeit durch meinen Vorgänger", dann muss Schmid bereits im "Alten Gesundheitsamt" in der Hohe Straße in Nagold die komplette Verantwortung für die damals 18 Stellen und "50 bis 60 Mitarbeiter" der Diakonie Nagold übernehmen. Aber es gab schon damals ein gutes Unterstützer-Netzwerk der Diakoniestationen untereinander, berichtet Schmid. So dass er sich schnell in die neue Aufgabenfülle hineinfinden konnte. Was sich dabei mehr oder weniger von selbst ergab: Die folgenden über zwei Jahrzehnte sollten für die Diakonie Nagold unter der Leitung von Klaus Schmid eine permanente Expansions-Gesichte werden – auf bis heute 45 Stellen mit 115 Mitarbeitern.
Betreuungsgruppen gegründet
Einige Beispiele: 2007 wurde der Hausnotruf eingeführt, damals zum Start mit 30 Teilnehmern. Heute sind es 170 Anschlüsse, die von der Diakonie Nagold aus betreut werden. 2015 wurde die Betreuungsgruppe in Iselshausen ins Leben gerufen, 2017 in Ebhausen. Gedacht ist dieses Angebot für Menschen mit und ohne demenziellen Erkrankungen, die dabei einen Nachmittag lang "mal etwas anderes" erleben können: eine besondere Gemeinschaft, gemeinsame Förderung der eigenen Fähigkeiten und Erinnerung. Gleichzeitig wird dadurch für sonst pflegende Angehörige "freie Zeit zur eigenen Verfügung" geschaffen.
Größte Zäsur unter Klaus Schmid für die Diakonie Nagold aber sicher: die Einführung der Tagespflege ab Februar 2019 – und damit verbunden der Umzug der Diakonie von der Hohe Straße in die neuen Räume in der Lindachstraße 15/2. "Wir wurden damals vom Investor angesprochen", erzählt Klaus Schmid, "und haben die Chance ergriffen und für den Ausbau unseres Angebotes genutzt". Ein gewaltiger Kraftakt, aber "wir haben das ganz gut hinbekommen". Die wirtschaftliche Basis der Diakoniestation – eigentlich ein "mittelständisches Unternehmen"; "auch von uns werden positive Zahlen erwartet" - sei gesichert. Wobei aber "immer der Mensch im Fokus steht".
Zum Wohle der Menschen
Doch all das – und gemessen am heutigen Leistungs-Portfolio der Diakonie Nagold: noch sehr viel mehr! – sei jetzt Aufgabe von Schmids Nachfolger Rainer Dietsch. Auch Dietsch ist wie Schmid Quereinsteiger in die Diakonie, kommt als gelernter Industriekaufmann und -fachwirt ursprünglich aus dem produzierenden Gewerbe. Und auch für Dietsch ist die nun aufgenommene Arbeit für die Diakoniestation vor allem eine "spirituelle" Selbstverwirklichung, die eigene Arbeitskraft wirklich zum Wohle der Menschen einsetzen zu können.
Und Klaus Schmid? Neben der Missionsarbeit ist er nach wie vor im heimatlichen Kirchengemeinderat aktiv, dort im Bauausschuss: "Unsere Gemeindekirche braucht dringend unsere Aufmerksamkeit." Ansonsten arbeite er "gerne im Wald", ist mit dem Traktor unterwegs. Und sei auch sonst sehr aktiv: "Ich freue mich sehr auf die Schwimmbad-Saison!" Dann ohne Maske. Aber dem ganzen Elan von 66 Jahren.