Der Schwabe Mark Schober ist seit 2017 Vorstandsvorsitzender des DHB. Foto: imago/Marco Wolf

Mark Schober, der Vorstandschef des Deutschen Handballbundes (DHB), spricht über die von Corona geprägte EM, künftige Notfallpläne und die Lehren mit Blick auf die Heim-EM 2024.

Stuttgart - Kurz vor der Abreise der deutschen Handballer von der EM wurde der Rückraumspieler Lukas Stutzke als 16. DHB-Spieler bei diesem Turnier positiv getestet. Mark Schober spricht über die aufregenden Tage in Bratislava, sagt, was er von einer möglichen Verlegung der Heim-EM 2024 in den Sommer hält, und er verrät neben seinem EM-Tipp auch den Lieblings-Nationalspieler seiner Mutter.

 

Herr Schober, seit Sie mit 15 Jahren Ihre Trainer-B-Lizenz erworben haben sind Sie im Handball-Geschäft. Liegen die aufregendsten Tage Ihrer Karriere hinter Ihnen?

Zunächst einmal ist die EM für mich noch nicht zu Ende. Als Mitglied der EHF-Exekutive bin ich von Donnerstag bis Montag noch in Budapest, es stehen Termine und Veranstaltungen mit Blick auf die EM 2024 an. Außerdem ist so etwas Teil des Jobs. Ich bin Manager, muss arbeiten und auch in solchen Momenten einfach funktionieren. Ich hatte schon einige Herausforderungen in meinem beruflichen Leben, aber sicher gehören die der vergangenen Tage zu denen, an die ich mich hin und wieder sicher erinnern werde.

Hand aufs Herz, wie viele Nachrichten hatten Sie auf Ihrem Handy mit dem Tenor: Zieht doch nach den nicht enden wollenden Covid-Fällen die Reißleine und kommt aus diesem lodernden Corona-Herd nach Hause?

Ich bekam sehr viele Rückmeldungen zum Auftritt unserer Nationalmannschaft. Aber eher in der Art, dass es beeindruckend war, mit wie viel Herz und Leidenschaft die Jungs bis zum letzten Sieg gegen Russland am Ball waren – und das, ohne zu klagen.

Die Kritiker gab es aber doch sicher auch, diese EM glich doch gerade im deutschen Team einem gesundheitlichen Vabanquespiel.

Kritische Stimmen gab es auch, und deshalb haben wir mit allen Beteiligten alle Blickwinkel betrachtet, viele Menschen in die Entscheidung eingebunden und so am Ende verantwortungsvoll gehandelt.

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Am Ende gaben die Zwänge des Geldes und die von der EHF angedrohten Konsequenzen den Ausschlag, weiterzuspielen.

Die EHF hat uns klar mitgeteilt, dass es keine rechtliche Grundlage für einen Rückzug gibt und uns auch über die Folgen informiert (Anm.d.Red.: keine Teilnahme an der WM-Qualifikation 2023, Auswirkungen auf die Heim-EM 2024). Das war einer der Blickwinkel. Aber die Verantwortung für die Gesundheit der Spieler war auch wichtig, genauso der sportliche Aspekt. Stellen Sie sich vor, wir hätten in der Hauptrunde gegen Schweden gewonnen, dann wäre auch sportlich eine andere Situation da gewesen.

Stellen Sie sich vor, ein Spieler wäre mit einer Herzmuskelentzündung auf dem Spielfeld umgekippt. Das hätte alle sportlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Diskussionen ad absurdum geführt.

Selbstverständlich. Deswegen haben wir eine Entscheidung getroffen unter Abwägung aller Faktoren wie zum Beispiel der Minimierung des medizinischen Risikos. Wir haben einen Kardiologen und Internisten einfliegen und im Hotel unterbringen lassen. Und wichtig war natürlich auch, dass die Covid-Verläufe der Spiele, wenn sie überhaupt Symptome hatten, mild waren.

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Wie sehr haben Sie die Bilder von den vollen Hallen in Budapest erschreckt, wo offenbar alle Regeln außer Kraft gesetzt gesetzt wurden?

Im Rückblick würde man wahrscheinlich anders handeln. Aber im Dezember hatten wir eine Frauen-EM in Spanien mit einem ähnlichen Hygienekonzept und alles ging gut. Keiner konnte absehen, wie der Januar abläuft. Zudem wird die Zuschauerzahl in verschiedenen Ländern unterschiedlich geregelt wird. Diese Herausforderung haben wir ja sogar innerhalb Deutschlands.

Müsste es künftig nicht irgendwelche Notfallpläne geben, damit Nationen ab einer bestimmten Anzahl infizierter Spieler ohne Konsequenzen abreisen können?

Sicher müssen wir uns mit Notfallplänen beschäftigen. Aber es reicht nicht, bei der EHF Regelungen zu treffen, sondern wir müssen alle bestehenden Verträge mit TV-Partnern und Sponsoren überprüfen, ob sie etwa mit einer Höhere-Gewalt-Klausel modifiziert werden könnten.

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Ist das auch realistisch?

So richtig vorstellen kann man sich das nur schwer. Es muss schon das Ziel sein, Veranstaltungen auch durchzuführen, in zwei Jahren sind wir schließlich selbst der Organisator.

Welche Lehren ziehen Sie für die Heim-EM 2024?

Wir müssen künftig in sehr verschiedenen Szenarien denken. In unserem realistischen Szenario werden wir etwa 25 Millionen Euro mit der Heim-EM umsetzen, im schlechtesten Szenario benötigen wir eine Hallenauslastung von 60 Prozent. Wir müssen vorsichtiger sein, wir müssen kreativ denken, noch mehr digitale Angebote schaffen für Zuschauer, Partner und Sponsoren. Ich bin optimistisch, dass wir 2024 ein herausragendes Event erleben werden.

Das hat der Handball dringend nötig, die laufende EM dürfte enorme Mehrkosten verursacht haben. In welcher Höhe?

Die Ausgaben liegen deutlich über dem Plan. Es war nicht vorgesehen, dass wir einen deutlich größeren Kader haben, deutlich mehr testen mussten und viele unserer Spieler einzeln nach Hause gefahren haben. Ich schätze, die Mehrkosten werden im sechsstelligen Bereich liegen.

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Zudem hat der DHB hat 2020 rund 25 000 Mitglieder verloren, das entspricht 3,4 Prozent.

Auch in diesem Fall bauen wir unter anderem auf die EM in zwei Jahren. Grundsätzlich wirken Heim-Events und sportlicher Erfolg der Nationalmannschaft wie ein Katalysator für die Mitgliedergewinnung sowie für die Fan-Gewinnung und Fan-Bindung.

Wichtig sind auch Typen. Kids finden, um in deren Sprache zu bleiben, nicht den DHB geil, sondern Stars.

Absolut, wir brauchen starke Markenbotschafter. Unser Kapitän Johannes Golla hat das Profil dafür. Oder auch Julian Köster. Ohne unseren EM-Senkrechtstarter zu sehr hypen zu wollen, aber den Jungen findet sowohl meine Söhne, als auch meine Mutter toll.

Wer bedient denn nun die Zielgruppe, die den Handball vor allem mit schrillen Pullis in Verbindung brachte?

Da müssen Sie andere fragen. Aber ich gebe Bob Hanning ja recht, dass es dem Handball gut tut, wenn Menschen unsere Sportart auch auf einer anderen Ebene nach außen tragen, unser Ex-Nationalspieler Pascal „Pommes“ Hens macht das als Kommentator zum Beispiel sehr gut.

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Könnte ein Szenario sein, die EM in den Sommer zu verlegen?

Das ist eine spannende und hoch komplexe Frage. Aber es hängt so vieles an Arenaverfügbarkeiten, konkurrierenden Großveranstaltungen und bestehenden TV-Verträgen, ich kann es mir nicht vorstellen. Sollen wir jetzt sämtlich Veranstaltungen nur noch von April bis September durchführen und Winter nicht mehr essen gehen?

Wer wird Europameister?

Dänemark.

Zur Person

Vita
Mark Schober wird am 30. Dezember 1972 in Bietigheim-Bissingen geboren und wächst in Möglingen auf. Mit 15 Jahren macht er die Trainer-B-Lizenz. Mit 27 wird er Manager des damaligen Zweitligisten TV Kornwestheim. 2005 wechselt er zur Handball-Bundesliga (HBL), 2014 zum Deutschen Handballbund (DHB) als Generalsekretär. 2017 wird er Vorstandsvorsitzender.

Privates
Schober wohnt in Witten und ist verheiratet mit Andrea, sie haben zwei Söhne (Jaro/13, Bennet/15). Sein Hobby ist Tennis, er spielt beim TC Bommern.