Der Gewerkschaftsbund hält 2,64 Millionen junge Menschen ohne Berufsabschluss für eine „Katastrophe“. Laut einer Bertelsmann-Studie sieht eine Mehrheit der Jugendlichen gute Chancen am Ausbildungsmarkt.
Angesichts des wachsenden Fachkräftemangels kritisiert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) immer massiver die aus seiner Sicht zu geringe Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen. „Mittlerweile bildet nicht einmal mehr jeder fünfte Betrieb noch aus – Jahr für Jahr wird ein neuer Tiefststand erreicht“, sagte die stellvertretende Vorsitzende Elke Hannack bei der Vorstellung des DGB-Ausbildungsreports.
Allein seit Corona seien bundesweit jährlich 50 000 Ausbildungsverträge weniger abgeschlossen. Mittlerweile hätten 2,64 Millionen junge Menschen keinen Berufsabschluss. „Das ist ein historischer Höchststand und zugleich ein katastrophales Zeichen für junge Menschen.“ Vor allem Hauptschüler und junge Menschen ohne Schulabschluss hätten immer weniger Chancen auf einen Ausbildungsplatz – obwohl zeitgleich Zehntausende Ausbildungsstellen unbesetzt blieben.
Viel Lob für das Handwerk
Im Visier hat der DGB vor allem die Dax-Konzerne. „Die haben ihre Ausbildungskapazitäten in den vergangenen Jahren deutlich zurückgefahren, um sich dann auf dem Arbeitsmarkt zu bedienen“, schildert Bundesjugendsekretär Kristof Becker. „Dafür sprechen sie mit der Bundesagentur für Arbeit, dass diese die Leute umschulen soll, damit sie bei ihnen anfangen können.“ Hannack zufolge „müssten die Großbetriebe erheblich mehr ausbilden“ – sie müssten Vorbilder für die gesamte Wirtschaft sein und auch über den eigenen Bedarf ausbilden, den sie jetzt nicht mal abdeckten.
Lob findet sie für das Handwerk, das immer noch mindestens zu zehn Prozent junge Menschen ohne Schulabschluss oder mit sehr schlechten Schulnoten ausbilde. Das Handwerk agiere „vorbildhaft, da müssen sich andere Betriebe mal was abgucken“.
Gedämpfte Freude äußert der DGB über den von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Einstieg in die Ausbildungsgarantie. Demnach erhalten junge Menschen in den Regionen, in denen es besonders schwierig ist, einen Ausbildungsplatz zu finden, von 2024 an einen gesetzlichen Anspruch auf eine Lehrstelle. Für Hannack ist das ein „großer Erfolg für unsere Gewerkschaftsjugend, die unermüdlich dafür gekämpft hat“. Doch habe die Ausbildungsgarantie noch Lücken, die dringend geschlossen werden müssten. Denn eigentlich müsse jeder, der keine Lehrstelle erhalte, das Angebot einer außerbetrieblichen Ausbildung bekommen. Zudem gebe es „keine Bereitschaft der Politik, eine Ausbildungsumlage der Betriebe auf Bundesebene umzusetzen“. Da wolle der DGB genauer darauf achten, wie die Bundesländer für sich damit umgehen. „Wir brauchen den Zukunftsfonds, auch um die Betriebe zu entlasten, die noch ausbilden“, mahnte sie.
Große Unzufriedenheit mit den Berufsschulen
Laut dem Ausbildungsreport sind vier von zehn Azubis mit der digitalen Ausstattung der Berufsschulen unzufrieden: Fast 40 Prozent bewerten diese mit „ausreichend“ oder „mangelhaft“, was eine Folge fehlender Investitionen sei. Die fachliche Qualität des Berufsschulunterrichts werde nur noch von rund 54 Prozent zumindest als „gut“ bewertet – ein Tiefstwert in der Geschichte des Reports. Befragt hatte der DGB fast 10 000 junge Menschen aus den 25 am häufigsten gewählten Ausbildungsberufen.
Eine Konsequenz ist für den DGB ein verstärktes Dringen auf den im Koalitionsvertrag vereinbarten Pakt für berufliche Schulen. Bisher mache die Bundesbildungsministerin „keine Anstalten, das Versprechen einzulösen“, sagt Hannack. Das einzige Projekt, was Bettina Stark-Watzinger (FDP) noch im Fokus habe, sei die Exzellenzinitiative für die berufliche Bildung. Der Pakt sei nicht einmal mehr im neuen Haushaltsentwurf der Regierung enthalten, „weil überhaupt nicht daran gedacht ist, ihn umzusetzen“. Weil die Berufsschulen „richtig viel Geld für die technische Ausstattung und Instandhaltung der Gebäude“ benötigten, werde der DGB seine Lobbyarbeit bei den Fraktionen verstärken.
Fast drei Viertel der jungen Menschen sind optimistisch
Zum Start des Ausbildungsjahres am 1. September hat die Bertelsmann-Stiftung auch in einer Studie eine deutlich verbesserte Stimmung auf dem Ausbildungsmarkt festgestellt. Nach den Unsicherheiten infolge der Pandemie blickten nun fast drei Viertel der jungen Menschen optimistisch auf die Situation. Viele Jugendliche mit niedriger Schulbildung hingegen schätzten ihre Aussichten auf eine Lehrstelle als schlecht ein.