Herzlich willkommen in Südtirol – einen Gratiskurs im heimischen Dialekt gibt es für die deutsche Fußball-Nationalspieler gleich dazu. Foto: dpa

Das Hotel ist herausgeputzt, der Trainingsplatz erstrahlt in sattem Grün – nur die Nationalmannschaft kommt nicht in Tritt: Zum Start des Trainingslagers in Südtirol gibt es neue Hiobsbotschaften für Bundestrainer Joachim Löw.

St. Leonhard - Auf der kurvigen Fahrt von Meran ins Passeiertal künden schon acht Kilometer vor dem Quartier des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Plakate, Flaggen und Trikots am Rande der Bergstraße von der Ankunft der prominenten Gäste. Und am Dienstag war es endlich soweit: Da zog die Nationalmannschaft in St. Leonhard, dem Geburtsort des Widerstandskämpfers Andreas Hofer, ins Fünf-Sterne-Hotel Andreus ein, das der DFB exklusiv bis zum 31. Mai gebucht hat. Um genau zu sein: Es zogen nur 23 von 27 WM-Kandidaten ein. Denn für Joachim Löw, den Bundestrainer, kommt es weiter knüppeldick, was die personelle Lage angeht.

Die halbe Mannschaft geht ohnehin schon am Stock, fast jeder trägt Blessuren mit sich herum oder plagt sich angesichts seines Trainingsrückstandes, endlich Form und Fitness für die WM vom 12. Juni bis zum 13. Juli in Brasilien zu finden. Um dies abzustellen, setzt Joachim Löw große Hoffnungen in das Trainingslager in Südtirol – nach der Vorbereitung auf die vorangegangenen Turnier-Teilnahmen unter seiner Leitung hatte dies stets prima geklappt. Diesmal aber stehen ein paar dicke Fragezeichen dahinter. Und nun kommen weitere hinzu.

Drei gesetzte WM-Spieler mussten am Mittwoch passen, wobei das Fehlen von Per Mertesacker noch am Erfreulichsten war. Der Innenverteidiger des FC Arsenal ist Vater geworden und rückt erst an diesem Donnerstag ins Quartier ein. Beunruhigender sind die beiden anderen Fälle. Philipp Lahm hat statt des zunächst diagnostizierten Blutergusses einen Kapselriss im Sprunggelenk erlitten, der Kapitän soll erst am Freitag ins Passeiertal nachreisen. Ob und wann Torhüter Manuel Neuer zur Mannschaft stößt, ist sogar noch offen. Der Schlussmann von Bayern München laboriert seit dem Pokalfinale am vergangenen Samstag an einer schmerzhaften Kapselverletzung in der Schulter.

Zumindest Philipp Lahm beeilte sich, Entwarnung zu geben. „Die MRT-Untersuchung hat ergeben, dass ich einen Kapselriss habe. Deshalb steige ich zwei Tage später ein, aber bis zur WM bin ich wieder fit“, sagte er. Bei Neuer ist von einem WM-Aus noch nicht die Rede, doch seine Verletzung ist zumindest so gravierend, dass nicht absehbar ist, wann er grünes Licht für das Training erhält. Wie vereinbart, fehlt auch Sami Khedira. Der Mittelfeldspieler von Real Madrid reist wegen des Champions-League-Endspiels gegen Atletico Madrid am Montag an.

Angesichts dieses Auftakts mit Hindernissen in die WM-Mission ist es zunächst ein schwacher Trost, dass die Mannschaft in St. Leonhard jeden Wunsch von den Lippen abgelesen bekommt. Weil die müden Knochen der Spieler täglich mit 200 Kilogramm Eis gekühlt werden müssen, hat das Andreus sogar eine Eiswürfelmaschine angeschafft. Und das, obwohl die Hotelbesitzerin Helga Fink vor einem Jahr zunächst abweisend auf die Anfrage reagiert hatte: „Ich wusste nicht mal, was das Kürzel DFB bedeutet.“

Jetzt ist sie glücklich über die deutschen Gäste, wie auch Oswald Tschöll, der Bürgermeister von St. Leonhard. Rund 500 000 Euro haben die Gemeinden und der Tourismusverein Passeiertal in den Aufenthalt der Nationalmannschaft investiert, zuletzt wurde der Trainingsplatz für 80 000 Euro erneuert. Im Gegenzug erhoffen sich die Gastgeber eine nachhaltige Werbung für die Region. „Überall in den Medien wurden wir schon erwähnt, das ist unbezahlbar“, sagt Tschöll. Auch auf die WM 2010 bereitete sich der DFB in Südtirol vor. Eine Medienresonanz-Analyse ergab damals einen werberelevanten Wert von 11,2 Millionen Euro.

Werbung in eigener Sache? Das gilt erst recht für die Mannschaft bei der WM. Denn vom Abschneiden dürfte maßgeblich die Zukunft von Löw abhängen. Ob er wirklich bis 2016 im Amt bleibt, lässt er offen. Stattdessen kündigte der Bundestrainer eine Bestandsanalyse nach der WM an. Eine Trennung für den Fall eines frühen Ausscheidens schloss er ausdrücklich nicht aus. „Ich weiß natürlich, dass ein Nationaltrainer immer daran gemessen wird, was bei einem Turnier passiert“, sagte Löw, „aktuell gehe ich aber davon aus, dass ich bis 2016 dabei bleibe.“