Christian Streich lobt seine Mannschaft trotz der Niederlage im Pokalfinale. Es war ein denkwürdiges Spiel im Berliner Olympiastadion. Lange schnupperte der SC Freiburg am Titel, der ihm am Ende doch noch entrissen wurde. Ärgern konnte sich Christian Streich danach noch nicht, zunächst überwog der Stolz über das Erreichte.
Als alles vorbei war, entwich auch bei SC-Trainer Christian Streich die Anspannung. War er während des Spiels noch emotional und engagiert wie immer, so wirkte er wenige Minuten nach dem Spiel extrem ruhig. Die Hände in den Hosentaschen vergraben, lief er auf die Freiburger Bank zu und war mit seinen Gedanken alleine. Zuvor hatte er den Leipzigern herzlich zum Titel gratuliert, kurze Zeit später ging er in Richtung Fankurve. Dort wurde es sofort noch mal lauter als ohnehin schon.
Starre Gesichter
Auf der charakteristischen blauen Tartanbahn in Berlin standen schon vorher minutenlang Streichs Spieler, die über 120 Minuten inklusive Elfmeterschießen um den ersten DFB-Pokalsieg der Vereinsgeschichte gekämpft hatten. Die Enttäuschung war jedem Einzelnen von ihnen ins Gesicht geschrieben.
Fans sorgen für Unterstützung
Die Fans merkten das und versuchten, die Mannschaft durch langes Klatschen aufzumuntern. Auch als die Leipziger schon lange wieder auf dem Rasen waren und auf die Siegerehrung warteten, die sich aufgrund eines Notarzteinsatzes verzögerte (noch am Abend hieß es vom DFB, der Patient sei stabil), standen die SC-Spieler noch bei ihren Fans. Es war der emotionale Schlussakkord eines Spiels, das in die SC-Geschichte eingehen wird.
Verpasste Chance
Die Enttäuschung über die verpasste Chance ließ sich jedoch nicht einfach wegklatschen – auch wenn es Streich am Samstagabend noch nicht schaffte, sich über die Niederlage im Elfmeterschießen zu ärgern. »Morgen wird es brutal weh tun, übermorgen noch mal mehr – aber heute nicht. Aber wahrscheinlich habe ich auch keine Kraft mehr«, sagte der Freiburger Trainer kurz nach Mitternacht in den Katakomben des Berliner Olympiastadions.
Der Kopf schaltet sich ein
In diesem hatte Streichs Mannschaft gegen Leipzig vieles richtig gemacht, am Ende jedoch extrem bitter verloren. »Super erste Halbzeit, wir haben es taktisch hervorragend gemacht«, sagte er. Bis tief in die zweite Halbzeit hinein sah einiges nach einem Freiburger Sieg aus, Leipzigs hochkarätige Offensive blieb lange Zeit komplett blass.
Dann schaltete sich der Kopf bei den Freiburgern ein. »Du führst 1:0 gegen Leipzig, bist einer mehr. Dann hat der eine oder andere Spieler ein kleines bisschen Angst bekommen, einen Fehler zu machen«, glaubte Streich eine gewisse Unsicherheit festgestellt zu haben. Das bestätigte Kapitan Christian Günter im »Sky«-Interview. »Wenn man etwas zu verlieren hat, geht einem zu viel durch den Kopf, man will nicht ins letzte Risiko gehen. Das war im Nachhinein der Fehler«, sagte der Tennenbronner, der als zweiter Freiburger Schütze im Elfmeterschießen antrat und den Ball über das Tor jagte.
Dreimal 1:1 gegen Leipzig
Der 56-jährige Übungsleiter war jedoch weit davon entfernt, irgendjemandem einen Vorwurf zu machen. »Wir haben in dieser Saison dreimal gegen Leipzig gespielt und dreimal nicht verloren. Was soll ich mehr von dieser Mannschaft verlangen? Ich kann nicht mehr verlangen«, sagte Streich. Sein Kapitän Günter übernahm die Kritik für ihn. Der Hauptadressat: er selbst. »Ich kann nicht so viel sagen, weil: Ich hab den Drecks-Elfmeter verschossen, und auch deswegen haben wir verloren. Das tut natürlich weh«, sagte der 29-Jährige.
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Denn auch wenn man im SC-Lager im Vorfeld darum bemüht war, keinen zusätzlichen Druck aufzubauen, so war natürlich eine gewisse Erwartungshaltung da. Maximilian Eggesteins Führungstreffer zum 1:0 nach 19 Minuten erhöhte diese zusätzlich. Und so begann irgendwann das Nachdenken bei Günter und Co. »Wir wollten nicht mehr so in die gefährlichen Räume spielen und bekommen dann einfach ein Scheißtor«, ärgerte sich der Kapitän.
Dass der SC Freiburg auch in der Verlängerung die bessere Mannschaft war, half auch nichts mehr. Gleich dreimal ging der Ball ans Aluminium. Die eingewechselten Ermedin Demirovic und Janik Haberer hatten bei ihren Abschlüssen Pech. Dass auch Demirovics Elfer an die Latte ging, war für Streich »symptomatisch«.
Vorfreude auf Europa
Doch auch das ganze Pech in der Verlängerung trübte sein Laune – zumindest vorerst – nicht. Selten hatte man Streich nach einem Spiel so locker erlebt. »Jetzt freuen wir uns auf Europa, und dann kommen wieder die wahnsinng anstrengenden Bundesliga-Spiele. Am liebsten würde ich die ganze Zeit nur Pokalendspiele spielen«, sagte er und verschwand lachend in den Katakomben des Berliner Olympiastadions.
Der Druck einer langen und sehr erfolgreichen Saison war entwichen. In der kommenden Runde wird er wiederkommen.