Auch Kampfpanzer könnten Teil der robusten Brigade sein, die Verteidigungsminister Pistorius für Litauen versprochen hat. Foto: dpa/Michael Kappeler

Verteidigungsminister Pistorius hat versprochen, 4000 Soldaten dauerhaft in Litauen zu stationieren, frühestens 2025 könnte es so weit sein. Doch dies könnte die Bundeswehr überfordern.

Es war eine Ankündigung, die für sich selbst eine kleine Zeitenwende für die Bundeswehr bedeutet. „Deutschland ist bereit, dauerhaft eine robuste Brigade in Litauen zu stationieren“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vergangene Woche beim Besuch im Baltikum. Bis zu 4000 Soldaten versprach der Minister. Im Falle eines Angriffs aus Russland oder Belarus stünden sie von Beginn des Konflikts an vorderster Linie.

 

Doch zu diesem Plan gibt es noch viele offene Fragen – und er könnte die Bundeswehr überfordern. Das Besondere an dem Vorhaben ist nämlich, dass die bundesdeutsche Armee damit Neuland betritt. Denn das Truppenkontingent soll dauerhaft in Litauen stationiert sein. In Auslandseinsätzen wie Mali dagegen rotieren die Truppen bisher in der Regel für mehrere Monate auf ihre Posten. Doch bei einer dauerhaften Stationierung wäre das Engagement in Litauen im Prinzip eigentlich nichts anderes, als wenn ein Soldat aus einer Kaserne in Marienberg im Erzgebirge nach Hardheim im Odenwald versetzt wird.

Unter Verteidigungspolitikern gilt am wahrscheinlichsten, dass die Bundeswehr die Panzergrenadierbrigade 37 Freistaat Sachsen entsenden wird. Sie ist mit Kampf- und Schützenpanzern ausgerüstet und erfüllt so die Anforderung an eine robuste Brigade. Außerdem war die Einheit bereits im Rahmen der Nato im Baltikum stationiert.

Doch die stärksten Verbände können nicht kämpfen, wenn ihnen die Unterstützung fehlt. Dafür ist in der Bundeswehr die Streitkräftebasis zuständig. Sie stellt für andere Truppenteile etwa Logistik und Pioniere zur Verfügung. Doch Verteidigungspolitiker sehen diesen Teil der Bundeswehr seit Jahren als schlecht ausgestattet an. Ähnliches gilt für den Sanitätsdienst, der sich um verletzte Soldaten kümmert.

Bundeswehr hat der Nato weitere Truppen versprochen

Außerdem müssen sich die Planer im Bundesverteidigungsministerium nicht allein um rein militärische Belange Gedanken machen. Denn wenn die Soldaten mitunter Jahre in Litauen zubringen, werden einige von ihnen auch ihre Familien mitbringen. Also braucht es auch Kindergärten und Schulen, darüber hinaus Arbeit für die Ehepartner. All diese Fragen müssen unter Zeitdruck beantwortet werden, denn bis 2026, vielleicht sogar schon 2025 wollen die Litauer die notwendige Infrastruktur für die Brigade bereitstellen. Dann könnten die Deutschen schon einrücken.

Dabei ist es nicht so, dass die Kampfbrigade für Litauen die einzige Baustelle der Bundeswehr ist. Die Bundesregierung hat den Verbündeten noch mehr versprochen. Drei voll ausgestattete Heeresdivisionen, dazu noch Verbände von Luftwaffe und Marine will Deutschland der Nato bis 2031 zur Verfügung stellen.

An so viel Unklarheit stört sich die Opposition. Verteidigungspolitiker Jens Lehmann (CDU) sagte unserer Redaktion: „Die Bundesregierung verspricht der Nato viel, wenn der Tag lang ist. Aber wie bei der Zwei-Prozent-Ankündigung können solche Versprechen nur mit ausreichend Finanzmitteln, Material und Personal gehalten werden. Nichts davon sehe ich beim Heer als Truppensteller in dem Maße, wie es jetzt notwendig wäre.“ Lehmann bezeichnet Pistorius’ Ankündigung daher als Sonntagsrede.

Auch der Bundeswehrverband, der die Interessen der Bundeswehrangehörigen vertritt, ist skeptisch. „Es gibt eine Menge konzeptioneller Fragen, angefangen beim fehlenden Material, notwendigen strukturellen Anpassungen und schließlich, wie sich diese Ankündigungen unmittelbar auf Soldatinnen und Soldaten von Heer, Streitkräftebasis und Sanitätsdienst sowie auf deren Familien auswirken“, sagte der Vorsitzende André Wüstner.

Fragt man im Bundesverteidigungsministerium nach, was planerisch aus der Ankündigung des Ministers folgt, gibt es eine Antwort, die viel offen lässt. Die Worte des Verteidigungsministers stünden für sich, heißt es von einem Sprecher. „Ich kann bestätigen, dass wir mit unseren litauischen Partnern vereinbart haben, mit konkreten Planungen für eine verstärkte Präsenz der Bundeswehr in Litauen zu beginnen. Zu Zeitabläufen und Truppenteilen gibt es aber derzeit noch nichts mitzuteilen.“