Die ersten deutschen Lehrer am Lisesi in Instanbul gab es 1915. Foto: dpa

An der berühmtesten deutsch-türkischen Eliteschule wird hitzig über den Umgang mit dem christlichen Weihnachtsfest diskutiert. Im Fokus: eine Mail ans deutsche Kollegium.

Istanbul - Kein Weihnachten mehr für die Schüler eines berühmten deutsch-türkischen Gymnasiums in Istanbul? Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa, die am Sonntag große Empörung in Deutschland hervorrief, dürfen die deutschen Lehrer am staatlichen Istanbul Lisesi auf der europäischen Stadtseite das christliche Fest nicht mehr wie gewohnt im Unterricht behandeln. In einer E-Mail an das Kollegium habe der türkische Schulleiter seinen Kollegen vor Kurzem mitgeteilt, „dass ab sofort nichts mehr über Weihnachtsbräuche und über das christliche Fest im Unterricht mitgeteilt, erarbeitet sowie gesungen wird“.

Stimmt alles gar nicht, behaupten die Türken nun, nachdem die Meldung Kreise zog. Laut dem türkischen Parlamentsabgeordneten Mustafa Yeneroglu von der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP ist sie „eindeutig falsch“. Der in Köln aufgewachsene Politiker sagte unserer Zeitung: „Auf Nachfrage hat mir der Schulleiter versichert, dass es eine solche Anordnung oder E-Mail nicht gibt. Sollte es tatsächlich so etwas geben, wäre ich der Erste, der sich dagegen ausspricht. In der Türkei gilt die Religionsfreiheit.“ Die Schulleitung dementierte ebenfalls. Zuvor hatte sich das türkische Bildungsministerium allerdings inhaltlich nicht zu der Weisung äußern wollen.

Schulchor darf angeblich keine Weihnachtslieder singen

Erdogan, deutsche Schule, Weihnachtsverbot – in der erregten deutsch-türkischen Debatte sind das Zutaten für einen großen Skandal. Zudem soll die Schulleitung nicht nur den Weihnachtsunterricht untersagt, sondern dem Schulchor vergangene Woche auch verboten haben, am traditionellen Weihnachtskonzert im deutschen Generalkonsulat teilzunehmen. Auch diese Behauptung sei falsch, sagt Yeneroglu. Doch sie wird vom Auswärtigen Amt in Berlin gestützt, das zu dem Vorgang schreibt: „Es ist sehr schade, dass die gute Tradition des vorweihnachtlichen interkulturellen Austausches an einer Schule mit langer deutsch-türkischer Tradition in diesem Jahr ausgesetzt wurde.“ Am Sonntag war es nicht möglich, Lehrer des Istanbul Lisesi zu befragen, weil sie sich dazu nicht (mehr) äußern möchten.

Der Vorgang wirft ein Schlaglicht auf eine jahrzehntelange, weitgehend gedeihliche deutsch-türkische Zusammenarbeit an der Eliteschule, die 1915 die ersten deutschen Lehrer aufnahm. Heute unterstützt die Regierung in Berlin die Oberschule mit viel Geld und schickt 35 Lehrer, deren Auftrag unter anderem lautet, den Kindern deutsche Bräuche und Kultur nahezubringen. Teile des Unterrichts finden in deutscher Sprache statt. Das Istanbul Lisesi wird nur von türkischen Schülern besucht, ist aber auch eine anerkannte deutsche Auslandsschule.

Türkisches Schulsystem wird neu strukturiert

Das deutsche Kollegium an der Istanbul Lisesi hat eine eigene Abteilungsleitung, die der türkischen Schulleitung untersteht. Sie soll schon seit Längerem über den neuen Kurs der Schule verunsichert sein. Tatsächlich führt die Diskussion über das Weihnachtsverbot mitten hinein in die Neustrukturierung des türkischen Schulsystems. Die AKP-Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan zwingt alle Bildungseinrichtungen zunehmend auf einen islamisch-konservativen Kurs. Doch ein Weihnachtsverbot dürfte nur schwer in Einklang mit dem Kulturabkommen zwischen der Türkei und Deutschland zu bringen sein, in dem die Rede davon ist, „sich gegenseitig dabei zu unterstützen, ihren Völkern die Kenntnis der Kulturgüter des anderen Landes zu vermitteln“. Ein Zusatzvertrag sieht vor, dass Deutschland bis zu 80 deutsche Lehrer an bestimmte türkische Schulen entsendet. Sie werden aus deutschen Steuermitteln bezahlt.