Herzlicher Empfang: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begrüßt Bundeskanzler Olaf Scholz in Paris. Foto: dpa/Michael Kappeler

Zwischen Paris und Berlin knirscht es. Die Partner müssen einen neuen Modus finden. Ein Kommentar von unserem Korrespondenten Tobias Peter.

Aus ehemaligen Feinden sollten Freunde werden. Das klingt wie Zauberei, aber es ist in Wirklichkeit harte Arbeit. Vor 60 Jahren haben der französische Staatspräsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer den Elysée-Vertrag unterschrieben. Das Ziel der deutsch-französischen Freundschaft war nur 18 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Heute kann man sagen: Es ist geglückt.

Freundschaft ist mehr als nur Erinnerung

Freundschaften brauchen Symbole. Gleichzeitig dürfen sie sich nicht in Uralt-Erinnerungen erschöpfen, sondern es ist wichtig, immer neue Erfahrungen und Erlebnisse zu schaffen. Das kennt jeder aus dem Privatleben, es gilt aber tatsächlich auch in der Politik. Ein Bundeskabinett, das zu einer gemeinsamen Klausur mit den französischen Kolleginnen und Kollegen nach Paris reist – das ist etwas Besonderes. Eine solche Klassenfahrt schafft Begegnungen und erweitert den Horizont. Richtig so!

Es hat zuletzt geknirscht im deutsch-französischen Verhältnis. Kanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron haben persönlich noch nicht gut genug zusammengefunden. Es gab handwerkliche Fehler. Dazu gehört, dass Macron nicht vorab über die Pläne für Scholz’ „Doppel-Wumms“ – den 200 Milliarden Euro schweren Abwehrschirm gegen hohe Energiepreise – informiert war. Die Franzosen wiederum geben sich gern schon mal künstlich beleidigt, wenn Deutschland nicht zuvorderst nach ihren Interessen spielt. Beziehungsstatus: Es ist kompliziert.

Beide verfolgen auch Eigeninteressen – das ist normal

Für sich genommen ist es erst mal nicht dramatisch, dass sich das Miteinander von Frankreich und Deutschland in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten weiterentwickelt hat. Die Welt ist eine vollkommen andere als die vor 60 Jahren. Die Europäische Union ist ein großes und komplexes Gebilde, das sich längst nicht mehr einfach durch eine deutsch-französische Achse steuern lässt. Hinzu kommt: Dass sowohl Deutschland als auch Frankreich Eigeninteressen verfolgen und dabei innerhalb Europas auch andere Koalitionen suchen, ist normal. Eine erwachsene Freundschaft zu haben heißt ja nicht, dem anderen immer nachzugeben. Scholz hat das erkannt und spricht auch ehrlich darüber. Das ist gut.

Problematisch ist, wenn die Abstimmung untereinander in wichtigen Fragen in Zeiten des Krieges in Europa nicht rundläuft. Es war kein gutes Signal, wie Macron Scholz vor einigen Wochen in der Frage der Schützenpanzer – obwohl im Kern Einigkeit bestand – mit einer vorschnellen Ankündigung unter Druck gesetzt hat. Eitelkeit darf, auf welcher Seite auch immer, nicht die Agenda bestimmen. Beide Länder sind hier auf die gegenseitige Fähigkeit, sich zu einigen und aufeinander zu verlassen, angewiesen – schon allein, um gegenüber den Amerikanern mit einer Stimme zu sprechen.

Global gesehen sind beide keine Riesen

Deutschland und Frankreich dürfen nie vergessen, dass sie, global betrachtet, alles andere als Riesen sind. Die USA sind für Europa durch US-Präsident Joe Biden wieder zum verlässlichen Partner geworden. Doch genau das könnte sich durch die nächste Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten auch wieder komplett ändern. Frankreich und Deutschland müssen es also zu ihrem gemeinsamen Projekt machen, die Europäische Union in Sachen Verteidigung selbstständiger aufzustellen.

Es kommt darauf an, Entscheidungsprozesse in der EU so zu organisieren, dass sie überhaupt wieder erweiterungsfähig wird – ohne dass eine Selbstlähmung droht. Wenn Europa zwischen den USA und China auch künftig eine gewichtige Rolle spielen will, muss es jetzt die Weichen dafür stellen.