Synthetische Drogen nehmen zu - Anbieter spielen Katz und Maus mit Polizei.
Brüssel - Sie werden ganz legal als Badezusatz oder Kräutermischung vertrieben, wirken aber ähnlich berauschend wie Cannabis. Immer mehr Europäer greifen zu sogenannten Designerdrogen. Verkauft werden sie übers Internet.
Eine Rekordzahl neuer synthetischer Drogen überschwemmt den europäischen Markt. Das geht aus dem jüngsten Jahresbericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) und des Polizei-Verbunds Europol hervor. 24 neue bewusstseinsverändernde Substanzen haben die Mitgliedstaaten 2009 der Lissabonner Beobachtungsstelle gemeldet. Das sind doppelt so viele wie im Jahr zuvor.
Zu den auffälligsten Neuzugängen gehören rauchbare Kräutermischungen, die mit synthetisch hergestellten Cannabis-Wirkstoffen verstärkt sind. Die Modedroge Spice zum Beispiel wird offiziell als Kräutermischung zur Raumbeduftung vertrieben. Der Inhalt der farbenfrohen Tütchen hatte Wissenschaftlern lange ein ratloses Stirnrunzeln abgerungen. 2009 gelang es deutschen Chemikern, ein synthetisches Cannabinoid nachzuweisen. Das ist eine cannabisähnliche Substanz. Kurz darauf war die Mischung in Deutschland verboten.
Spice ist ein Paradebeispiel für die neuen Drogen. Es wurde wie viele andere Drogen als legales Rauschmittel vermarktet, zum Beispiel als Duft-Essenz für Wohnräume, als Räuchermischung oder Badezusatz. Die Verkaufsstrategie soll Drogenfahnder und Verbraucher in die Irre führen, sagte Roumen Sedefov von der EBDD. "Viele nehmen die illegalen Drogen gegen ihren Willen." Den ahnungslosen Kunden sei nicht bewusst, dass die vermeintlich harmlose Kräutermischung mit illegalen chemischen Zusatzstoffen versetzt ist.
Vertrieben werden die Stoffe häufig über das Internet. Die Betreiber spezialisierter Websites sitzen in Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland. Die Anbieter liefern sich ein ständiges Katz-und-Maus-Spiel mit den Drogenfahndern: Neue Substanzen werden als legale Rauschmittel vertrieben. Allmählich werden die Behörden auf den Trend aufmerksam und analysieren seine chemische Zusammensetzung. Erst dann kann die Substanz verboten werden - und die Händler tauchen ab.
Als die in Großbritannien populäre Partydroge Mephedron Mitte April verboten wurde, seien einschlägige Websites innerhalb von Stunden aus dem Internet verschwunden, sagte Sedefov. In Deutschland steht der Stoff seit Januar auf dem Index.
In der Gunst der Verbraucher belegen die Labor-Drogen nur den dritten Platz, überholt vom "aufsteigenden Stern" Kokain. 4,5 Millionen Europäer haben im vergangenen Jahr Kokain genommen. Cannabis ist das begehrteste Rauschmittel. Laut EBDD hat ein Viertel aller erwachsenen EU-Bürger ihm schon einmal zugesprochen. Die Zahl der Drogentoten liegt nach den Schätzungen der Drogenstelle weiter zwischen 7000 und 8000 pro Jahr.