Hohe Tarifabschlüsse, Inflation, Corona-Nachwehen – die Finanzen des Ortenauer Klinikverbunds sind arg belastet. Steigenden Ausgaben steht eine „desaströse Unterfinanzierung“ gegenüber.
„Auch das Jahr 2023 war erneut maßgeblich durch die Auswirkungen der vergangenen Krisen wie die Corona-Pandemie, den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und den starken Anstieg der Energie-, Sach-, und Personalkosten geprägt“, heißt es im aktuellen Geschäftsbericht des Ortenau-Klinikums.
Dieses „sehr schwierige Geschäftsumfeld“ werde durch immer mehr Vorgaben des Gesetzgebers getrübt. D as Geschäftsjahr 2023 endete für das Klinikum mit einem Bilanzverlust in Höhe von etwas mehr als 33 Millionen Euro. Es handelt sich um den höchsten Verlust in den vergangenen zehn Jahren, ist dem Bericht zu entnehmen. 2022 stand nur ein Minus von rund 8,2 Millionen Euro unter dem Strich.
„Der Verlust ist auf das Jahr 2024 vorzutragen“, heißt es in den Unterlagen für die Kreistagssitzung kommende Woche. Er soll also mit künftigen Gewinnen verrechnet werden. Laut Finanzierungsmodell der Klinikreform soll das Klinikum bis 2030 Verluste in Höhe von bis zu einer Viertelmilliarde Euro vor sich herschieben – und dann mit erwarteten Gewinnen ausgleichen.
Appelle ab den Bund verhallen ohne Reaktion
„Die wirtschaftliche Lage der Kliniken ist so angespannt wie nie zuvor. Trotz wiederholter Appelle der Krankenhausgesellschaften und lautstarker Proteste, an denen sich auch das Ortenau Klinikum beteiligt hat, weigert sich der Bund, die gestiegenen Kosten für Personal und Sachmittel angemessen auszugleichen“, ist dem Geschäftsbericht zu entnehmen. Zwar lagen die Tariferhöhungen 2023 mit durchschnittlich 3,93 Prozent unter dem Budgetanstieg von 4,42 Prozent. Dennoch handelt es sich eher um einen Tropfen auf den heißen Stein, denn der Personalkostenanstieg seit 1995 liege mittlerweile bei rund 48 Prozentpunkten über dem Budgetanstieg.
„Diese unverantwortliche Politik bringt die Kliniken in eine nie dagewesene finanzielle Schieflage und gefährdet zunehmend auch die Qualität der Patientenversorgung. Der Bund muss deshalb jetzt schnell nachhaltige Maßnahmen zur finanziellen Stabilisierung der Kliniken ergreifen“, heißt es.
Schuldenstand erreicht mit 189 Millionen Euro Rekordhoch
Auch der Schuldenstand des Klinikums erreichte 2023 Rekordniveau. Mit den Kreditaufnahmen bei Banken in Höhe von rund 38 Millionen Euro stieg dieser auf 189 Millionen Euro. Gleichzeitig betrugen die Investitionen rund 50 Millionen Euro.
„Insbesondere Investitionen in den Zentral-OP am Standort Ebertplatz, den Klinikneubauten, der Nachnutzung des Klinikareals Gengenbach und der Umbauten des Pflege- und Betreuungsheims sowie verschiedene weitere Maßnahmen im Rahmen des Modells Landrat und der Agenda 2030 führten zu den relativ hohen Investitionsaufwendungen“, heißt es dazu im Prüfbericht der Verwaltung.
Derweil hatte sich das Patientenaufkommen leicht erholt. 2023 wurden 61 163 Menschen stationär behandelt. Das sind 1006 mehr als 2022. Die Zahl liegt aber selbst gegenüber dem ersten Corona-Jahr 2020 um mehr als vier Prozent zurück. Die Zahl der ambulanten Fälle stieg von rund 177 000 in 2022 auf 180 000 in 2023. In Summe wurden im Klinikum 241 700 Patienten behandelt.
Christian Keller geht vier Monate früher
Klinikum-Chef Christian Keller
zieht es Ende das Jahres nach Mallorca. Dort will er mit seiner Frau eine Wein- und Champagner-Bar eröffnen, verkündete er Ende Juni. Bereits im Frühjahr war bekannt geworden, dass er zum Jahresende das Klinikum verlassen wird – offenbar deutlich vor Ablauf seines Vertrags. Nach Informationen unserer Redaktion wurden die Kreisräte damals nicht-öffentlich über Kellers Wunsch informiert, seinen Ende April 2025 auslaufenden Vertrag nicht nur nicht zu verlängern, sondern auch vorzeitig aufzulösen. Demnach hatte man sich dann auf den 31. Dezember 2024 verständigt, obschon Keller dem Vernehmen nach noch früher gehen wollte. Das Landratsamt wollte sich auf Anfrage unserer Redaktion nun nicht in der Sache äußern.
Kellers Nachfolger
ist derweil noch nicht gefunden. Wie zu hören ist, muss die Stelle erneut ausgeschrieben werden, um dem zuständigen Klinik-Verwaltungsrat mehrere geeignete Kandidaten zu präsentieren. Ein Bewerber hat kurzfristig zurückgezogen. Der Kreisverwaltung ist nach eigenen Angaben aber nicht bange, weil das Ortenau-Klinikum seit dem Rechtsformwechsel zur Kommunalanstalt über drei Vorstände verfüge, wie Sprecher Kai Hockenjos erklärt: „Wir haben damals bewusst Fachwissen und Entscheidungskompetenz auf mehreren Schultern verteilt, um stets handlungsfähig zu sein. Sollte ein nahtloser Übergang zum Ausscheiden von Herrn Keller nicht möglich sein, sind wir auch für eine Übergangsphase gut aufgestellt.“