Neues Jahr, neues Glück – das gilt auch, oder in manchen Fällen sogar inbesondere für die politischen Abgeordneten für die Region. Wir sprachen mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Derya Türk-Nachbaur über ihre Aussichten für das begonnene Jahr – das erste, in das sie in dieser Position startet.
Die SPD-Politikerin aus Bad Dürrheim stellt im Januar die Weichen für den weiteren Jahresverlauf.
Frau Türk-Nachbaur, das neue Jahr hat begonnen. War’s für Sie ein guter Anfang?
Es war –wie bereits schon letztes Jahr – ein sehr ruhiger Anfang in kleiner, vertrauter Runde. Ich habe die Gelegenheit in den letzten Tagen genutzt, um bei meiner Familie nochmals Kraft zu tanken. Die werde ich bei den vielen Aufgaben, die mich erwarten, nämlich dringend brauchen.
Und was versprechen Sie sich vom neuen Jahr?
Trotz all der Unwägbarkeiten und der durch die Pandemie dominierten Einschränkungen, schaue ich optimistisch ins neue Jahr. Nach den vorsichtigen Lichtblicken, die einige Virolog*innen in Aussicht gestellt haben, wage ich es zuversichtlich zu sein. Wir werden uns nicht nur beherzt um die Pandemiebekämpfung kümmern, wir werden auch eines unserer zentralen Versprechen umsetzen: Der Mindestlohn von zwölf Euro, von dem über zehn Millionen Menschen profitieren werden, wird eingeführt.
Mit Sorge beobachte ich allerdings die Entwicklungen in der Impfgegner- und Coronaleugner-Szene. Die physische und verbale Gewalt gegen unsere Sicherheitskräfte, Medienvertreter*innen und Politiker*innen nimmt zu. Es wird eine Zeit nach der Pandemie geben und ich frage mich, wie diese laute Minderheit sich in die solidarische Gesellschaft wieder einfügen wird. Wir werden uns alle nach der Pandemie wieder in die Augen schauen, wieder miteinander arbeiten müssen. Ein respektvoller Umgang miteinander ist das A und O. Die große Mehrheit der Bevölkerung verhält sich vernünftig und solidarisch. Denen gilt es eine Bühne zu bieten – nicht den wenigen Lauten. Da sind auch die Medien gefragt.
Wenn Sie zurückblicken auf 2021, was war Ihr persönlicher Höhepunkt?
Das wird Sie sicher wenig überraschen. Den Höhepunkt des Jahres kann ich sogar genau datieren: Es war der 26. September, beziehungsweise der 27. September früh morgens. Da stand nämlich fest, dass der Wahlkreis Schwarzwald-Baar nach 20 Jahren wieder durch eine SPD-Abgeordnete in Berlin vertreten ist und zwar durch mich.
Und das tiefste Tief?
Obwohl das Jahr für mich persönlich mit sehr vielen positiven und auch intensiven Momenten gespickt war, gab es natürlich auch Momente, die nicht ganz so toll waren. Der Ausgang der Landtagswahl und das Nicht-Stattfinden der Ampel auf Landesebene gehören zu den verpassten Chancen und damit zu den politischen Tiefpunkten des Jahres 2021. Auch auf persönlicher Ebene gab es die eine oder andere schlechte Nachricht: Wenige Stunden vor einer großen Podiumsdiskussion im Wahlkampf erfuhr ich von einer schlimmen Erkrankung meines Vaters, die mich selbstverständlich sehr beschäftigt.
Nun sitzen Sie im Bundestag und machen Politik für die SPD. Fühlt es sich immer noch ein bisschen surreal an?
Surreal trifft es nicht ganz. Es ist mehr ein Gefühl von Dankbarkeit und Demut, die mich seit dem ersten Betreten des Plenarsaals begleitet. Es ist nicht selbstverständlich, dass ich unseren Wahlkreis dort vertreten darf. Das mache ich mir jedes Mal bewusst. Schon gar nicht für ein Arbeiterkind mit meiner Vita.
Was hatten Sie sich möglicherweise anders vorgestellt an Ihrem Abgeordneten-Dasein?
Es ist immer wieder beeindruckend, wie viele Termine, wie viel Kommunikation und wie viel Organisation in einen 24-Stunden-Tag hineinpassen. Das habe ich in den letzten Wochen sehr intensiv erfahren.
Und wo sehen Sie mittlerweile politisch den größten Handlungsbedarf?
Prioritär muss es um die Pandemiebekämpfung gehen. Denn wir wollen alle unsere Normalität zurück. Die bekommen wir nur zurück, wenn wir endlich endemisch sind. Das heißt konkret, dass wir die Impflücke schließen müssen. Für die nächsten Monate noch muss die Politik die Leitplanken vorgeben, um den Weg zur Entlastung des medizinischen Personals, zur Stabilisierung der Wirtschaft und den Erhalt der Arbeitsplätze zu sichern. Ganze Branchen befinden sich seit nunmehr zwei Jahren in der Krise, viele Existenzen sind bedroht. Daher gilt nach wie vor: Impfen, impfen, impfen. Darüber hinaus haben wir es mit einer weiteren Krise zu tun: Wir müssen alles dafür unternehmen, um den menschengemachten Klimawandel zu bremsen und die Klimaziele zu erreichen. Mit großer Sorge ist auch die auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich zu sehen. Während die Reallöhne in 2021 um 1,4 Prozent nach unten entwickelt haben, ist das Großvermögen um 19 Prozent gestiegen. Das verstärkt das Ungleichgewicht. Die Löhne müssen steigen.
Wie lauten Ihre drei wichtigsten To-Dos für das Jahr 2022 in der Bundestagsarbeit für Ihren Wahlkreis?
Mein Wahlkreis ist durch innovative Mittelständler wirtschaftlich sehr stark und bietet neben der einzigartigen Natur auch ein hohes Maß an Lebensqualität. Damit das so bleibt und die Transformation gut gelingt, brauchen wir eine enge Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Land und Bund. Diese Zusammenarbeit möchte ich gerne mitgestalten. Auch in meinem Wahlkreis gibt es einen hohen Investitionsstau zur Sanierung von öffentlichen Gebäuden, Straßen oder Brücken. Die größten Investitionen müssen von den Kommunen getätigt werden und dafür brauchen sie mehr finanziellen Spielraum, den der Bund ermöglichen muss. Im Koalitionsvertrag ist die Entlastung der Kommunen beschlossene Sache. Ich setzte mich in Berlin dafür ein, dass auch unsere Region von der finanziellen Förderung spürbar profitieren wird. In den nächsten vier Jahren werden Schulen von den Plänen der Ampel-Regierung profitieren: Gemeinsam mit den Ländern wird viel in die Sanierung der Gebäude, in die Digitalisierung und in die Sozialarbeit investiert werden. Ich freue mich für meinen Wahlkreis, dass diese so dringend notwendigen Maßnahmen nun endlich erfolgen.
Das sind ja schon mal viele Vorsätze – wie halten Sie es damit eigentlich, fassen Sie welche und nehmen sich für das begonnene Jahr etwas fest vor?
Schon vor einigen Jahren habe ich damit aufgehört, mir irgendwelche Vorsätze für das neue Jahr vorzunehmen. Denn die fortschreitende Lebenserfahrung zeigt: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Allerdings habe ich gewisse Ansprüche an mich selbst, die ich zu jeder Zeit erfüllen möchte.
Jetzt sind wir natürlich neugierig: Was wäre das denn?
Immer ansprechbar zu bleiben, weiterhin in allen Entscheidungen transparent zu sein und immer ein offenes Ohr zu haben.