Am Tübinger Landgericht ging der Prozess gegen den Würger von Hirsau zu Ende. Foto: Sebastian Bernklau

Im Prozess um den versuchten Mord in Hirsau hat das Tübinger Landgericht den Angeklagten zu sechs Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass er seine Ex-Partnerin im Beisein der beiden Kinder im Auto erwürgen wollte. Ihm droht nun die Abschiebung.

Tübingen/Calw-Hirsau - Nach knapp zwei Monaten ging der Prozess am Tübinger Landgericht am Dienstag zu Ende. Der Vorsitzende Richter Armin Ernst verkündete das Urteil. Sechs Jahre und sechs Monate Haft für einen versuchten Mord und schwerer Körperverletzung muss der Verurteilte nun absitzen. Das Mordmerkmal der Heimtücke sei erfüllt. Das Gericht folgte damit zu großen Teilen der Staatsanwaltschaft, die für die beiden Taten acht Jahre Haft gefordert hatte. Der Verurteilte vergrub nach dem Urteil sein Gesicht in den Händen.

Es sei ein anstrengendes Verfahren gewesen, so Ernst. Der Sachverhalt sei aber klar. Am 17. Juni vergangenen Jahres wollte das frisch getrennte Paar Reisepässe für die beiden gemeinsamen Kinder in Esslingen beantragen. Nachdem das dort ohne Termin nicht ging, habe man sich auf den Weg nach Bad Wildbad gemacht, um es dort zu versuchen. Die Frau wollte dort nach der Trennung mit den Kindern wohnen.

"Er wollte jegliche Gegenwehr im Keim ersticken"

Der Mann sei zwar äußerlich ruhig gewesen, habe aber schon mehrere Tage den Plan mit sich herumgetragen, seine Ex-Partnerin zu töten, weil diese sich von ihm getrennt habe. Dafür habe er zuerst in der Nähe von Weil der Stadt auf einem Parkplatz angehalten unter dem Vorwand dort urinieren zu müssen. Weil dort zu viel los war, sei er weiter gefahren.

Auf dem Waldweg "Bleiche" zwischen Hirsau und Oberreichenbach habe der Mann dann unter dem gleichen Vorwand wieder angehalten. Er sei dort ausgestiegen, hinten um das Auto herum gegangen, habe die Beifahrertür geöffnet und dann für die Frau unvermittelt auf sie eingeschlagen. "Er wollte jegliche Gegenwehr im Keim ersticken", so Ernst. Anschließend habe der Mann die Frau erst mit einem Kabelbinder, dann mit der bloßen Hand mindestens 20 Sekunden bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt.

Einkaufen und schließlich schwimmen gegangen

Der Mann sei davon ausgegangen, dass die Frau tot sei. Er habe sie dann – mit dem Kopf und dem Oberkörper im Fußraum verstaut, um sie auf der Weiterfahrt zu "verstecken". Die Frau sei in Hirsau wieder zu sich gekommen und aus dem Auto geflohen. Der Mann habe das erst verhindern wollen, sei dann aber mit den beiden Kindern weitergefahren und erst einkaufen und schließlich schwimmen gegangen.

Die Frau habe eine mehrfache Nasenbeinfraktur, Würgemale und Hämatome davon getragen. Die Nase habe operiert werden müssen. Die Frau sei bis September krankgeschrieben und in der Zeit auch psychisch sehr belastet gewesen.

"Diese Geschichte ist völlig unplausibel"

Von diesem Sachverhalt sei die Kammer überzeugt, so Ernst. Die Aussage der Frau und der Zeugen, die Ermittlungen der Kriminalpolizei, die Gerichtsmedizin und die Lichtbilder vom Tatort sprächen dafür. Der Version des Mannes – er hatte behauptet, dass sie ihn zuerst attackiert und er sie lediglich deshalb geschlagen sowie mit der Hand am Hals fixiert habe – glaubte Ernst nicht. "Diese Geschichte, anders kann ich es nicht bezeichnen, ist völlig unplausibel", so der Richter. Der Angeklagte habe seine Aussagen immer wieder dem Ermittlungsstand angepasst.

Die Geschädigte wiederum habe ein große "Aussagekonstanz" gezeigt. Auf ihre Aussage stütze sich das Gericht auch. Allerdings stehe im vorliegenden Fall nicht Aussage gegen Aussage. Es gebe genügend Zeugen und Indizien. Und die passten zur Aussage der Geschädigten. Außerdem habe sie keinen Grund gehabt zu lügen. Sie wollte das gemeinsame Sorgerecht und hat den Angeklagten als guten Vater beschrieben. Auch die vielen Details ihrer Aussage sprächen für ihre Glaubwürdigkeit.

"Er hat alles getan, um sie umzubringen"

Der Angeklagte sei "planmäßig" vorgegangen, habe sich einen geeigneten Tatort gesucht und die Kabelbinder mitgenommen. Er sei von dem Mordversuch auch nicht "zurückgetreten". "Er hat alles getan, um sie umzubringen", so Ernst. Als die Frau wieder zu sich kam, hätten die Anwesenheit von Zeugen die Umsetzung des Planes verhindert. Der Angeklagte sei zudem voll schuldfähig.

Für ihn spreche, dass er mit der Flucht aus Jugoslawien und der Trennung von seiner ersten Frau sowie dem Kind "keine leichte Biographie" habe, so Ernst weiter. Auch habe er keine Vorstrafen und die Frau keine bleibenden Verletzungen. Gegen ihn spreche die "kriminelle Energie" mit der er die Tat umgesetzt habe und auch, dass der Mann den Ausgang seines Angriffs nicht in der Hand gehabt habe.

"Sie bedauern nur ihre Person"

Dem Verurteilten drohe die Abschiebung, verkündete Ernst. Das Regierungspräsidium prüfe das. Ernst richtete sich auch noch direkt an den Mann. "Sie bedauern nur ihre Person", meinte er. Ein Bedauern der Tat gebe es aber nicht. Der Mann zuckte daraufhin mit den Schultern. Eine mögliche Revision habe wenig Aussicht auf Erfolg, erklärte Ernst. "Wer so wie sie die Beherrschung verliert, muss an seiner Person arbeiten und nicht die Schuld bei anderen suchen", fand der Richter. Tue er dies nicht, werde er die volle Haftstrafe absitzen – sollte er nicht vorher abgeschoben werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.