Nervtöter Quelle: Unbekannt

Die einen meckern, die anderen jammern - Südafrikas Nationalkeeper war es dagegen beim WM-Auftakt noch nicht laut genug: Das Tröten der Vuvuzela

Pretoria  - Die einen meckern, die anderen jammern - Südafrikas Nationalkeeper war es dagegen beim WM-Auftakt noch nicht laut genug: Das Tröten der Vuvuzelas ist schon nach dem ersten Wochenende zum Soundtrack der Weltmeisterschaft in Südafrika geworden.

Die WM-Organisatoren in Südafrika haben Berichten widersprochen, dass im OK wegen des Lärms in den Stadien über ein Vuvuzela-Verbot nachgedacht werde. "Vuvuzelas sind ein kulturelles Phänomen für unser Land und für den Fußball", sagte OK-Sprecher Rich Mkhondo.

Nach einem Interview von OK-Chef Danny Jordaan mit der BBC war der Eindruck entstanden, dass die lärmenden Plastiktröten aus den Stadien verbannt werden könnten. Nach Mkhondos Angaben habe Jordaan gesagt: "Wenn Vuvuzelas dazu verwendet werden, andere Menschen anzugreifen oder auf den Rasen geworfen werden, würden wir über ein Verbot nachdenken." Jordaan habe nicht davon gesprochen, dass die Vuvuzelas generell verbannt werden sollten.

Auf den Straßen, in Hotels, einfach überall, wird in die lärmenden Plastiktröten gepustet. Schön laut muss es sein - doch das gefällt vielen TV-Anstalten, Spielern, Trainern und Fans nicht. Auch bei den deutschen Fernsehzuschauern nimmt der Vuvuzela-Ärger zu. Bei ARD und ZDF gehen zahlreiche Beschwerden von Menschen ein, die sich durch die lauten Tröten bei der Fußball-WM in Südafrika gestört fühlen. "Wir haben der Produktionsfirma HBS die Proteste unserer Zuschauer mitgeteilt. Auch andere europäische TV-Sender finden das nervig", sagte ARD/ZDF-Teamchef Dieter Gruschwitz der Nachrichtenagentur dpa.

Nach Angaben des ZDF-Sportchefs handelt es sich nicht um eine offizielle Protestnote. Es stehe deutschen Sendern nicht zu, ein Verbot der Vuvuzelas vom Weltverband FIFA und den WM-Gastgebern in Südafrika zu fordern. "Wir sind Gast in einer anderen Kultur und müssen damit leben", erklärte Gruschwitz.

Die Firma HBS produziert im Auftrag der FIFA die WM-Übertragungen aus Südafrika. Eine Sprecherin des Unternehmens machte gegenüber "Spiegel online" wenig Hoffnungen auf eine Besserung des Vuvuzela-Problems: "Eine Eliminierung oder Filterung des Vuvuzela-Geräuschpegels ist technisch ohne eine Beeinflussung des Gesamtsignals nicht möglich."

Die deutschen TV-Sender rüsten ihre WM-Reporter inzwischen mit älteren Lippenmikrofonen statt mit modernen Headsets (Kopfhörer) aus. Dadurch sollen weniger Umgebungsgeräusche aufgenommen werden. Trotz einer Verbesserung der Ton-Qualität ist das permanente Bienenschwarm-Gesumme aber weiterhin bei jeden WM-Spiel zu hören.

Mittlerweile weiß jeder, warum der vermeintlich der Zulu-Sprache entstammende Begriff Vuvuzela "Krach machen" bedeutet. Viele würden gern auf den Bienenschwarm-Klang verzichten, aber fast schon trotzig betonte FIFA-Boss Joseph Blatter: "Die Vuvuzelas gehören zu Afrika dazu." Und der "Kaiser" steht sowieso über den Dingen: "Neben mich kannst eine Blaskapelle hinstellen, das ist mir wurscht. Das stört mich nicht", meinte Franz Beckenbauer.

Dänemarks Trainer Morten Olsen hat seine eigene Methode. "Ich zieh einfach die Stöpsel von meinen beiden Hörapparaten raus", sagte der 60-Jährige, der an einer Gehörkrankheit leidet. Weit über 100 Dezibel erreicht der Sound; Vergleiche mit Presslufthämmern, Schlagzeugen oder startenden Flugzeugen wurden schon angestellt.

Doch der Klang des heimlichen WM-Stars wird das Turnier weiter prägen, und noch nach Jahren wird man von den Vuvuzelas erzählen. Dagegen erklingen deutlich weniger Fan-Gesänge in den Stadien von Polokwane bis Kapstadt. Beim Eröffnungsspiel zwischen Südafrika und Mexiko in Johannesburg war die 55. Minute eine Wohltat - zumindest für europäische Ohren. Denn die Dauerbeschallung wich beim 1:0 der Gastgeber dem Torjubel.

Ansonsten hat das armlange Spielzeug-Instrument schon in wenigen Spielen für so manchen Missklang gesorgt. "Vuvuzelas - nein, bitte nicht!", schrieb "El País" (Spanien), und in Portugal ging "Público" noch weiter: "Vuvuzelas sind der öffentliche Feind Nummer eins." In Südafrika ist die Tröte dagegen beliebt, sogar Fan-Souvenir Nummer 1. Und die Referees stört es nicht, meint zumindest der deutsche Schiedsrichters Herbert Fandel. "Wer in Mailand, Barcelona oder Chelsea pfeift, dem macht dieser Lärm wenig aus."

Dagegen klagten schon Spieler, selbst Super-Stars. "Es ist unmöglich, sich mitzuteilen, wenn man wie taub ist", sagte Argentiniens Lionel Messi und Portugals Cristiano Ronaldo "hasst" die Vuvuzelas gar. "Sie irritieren mich. Und ich bin nicht der einzige im portugiesischen WM-Kader, der so denkt."

Auch Frankreichs Spielmacher Yoann Gourcuff beklagt sich über den störenden Lärm. Das ohrenbetäubende Gedröhn der Plastiktröten habe sich beim Debüt der "Blauen" gegen Uruguay (0:0) negativ auf den Spielfluss ausgewirkt. "Das ist eine der Erklärungen für unsere Stellungsfehler und Fehlpässe", betonte der Profi von Girondins Bordeaux laut französischen Medienberichten im südafrikanischen Knysna. Kapitän Patrice Evra berichtete, er sei am Morgen des Uruguay-Spiels von den Tröten bereits um sechs Uhr morgens aus dem Schlaf gerissen worden.

Dem französischen Fernsehsender "TF1" sagte Gourcuff: "Bei dem Krach hat man auf dem Platz gar nicht verstanden, was die Kameraden gesagt haben". Man habe sich im Green Point Stadium in Kapstadt bestenfalls mit Gesten verständigen können. "Das ist das erste Mal, dass mir so etwas passiert", meinte der 23-Jährige. Selbst aus wenigen Metern Entfernung habe man "kein Wort mitgekriegt".

Gourcuffs Teamkollege Evra beurteilt die Angelegenheit mit den Vuvuzelas hingegen differenzierter. "Auf dem Platz hat man sich totgeschrien, aber die Trompeten sind eine Tradition des Landes, man kann hier nicht anfangen, die Vuvuzelas zu kritisieren", erklärte er.

"Das ist keine Wettbewerbsverzerrung. Man muss sich darauf einstellen", sagte DFB-Teammanager Oliver Bierhoff. "Funk können wir den Spielern nicht geben auf dem Platz." Ohrstöpsel auf dem Feld seien auch keine Alternative, meinte Teamarzt Tim Meyer. Joachim Löw setzt daher mehr auf Gesten als auf Worte. "Ich brauche von der Seitenlinie im Spiel gar nicht reinzurufen, da hört mich keiner. Ich werde mit Zeichensprache arbeiten", sagte der Bundestrainer.

Im Gastgeber-Land finden Ohrstöpsel inzwischen reißenden Absatz. Südafrikanische Ärzte berichteten schon von geschwollenen Vuvuzela- Lippen, einige Mediziner befürchten eine Virengefahr, und eine Beschwerde hatte auch "Bafana Bafana"-Torhüter Itumeleng Khune: Das Tröten von den Rängen sei im Eröffnungsspiel nicht kräftig genug gewesen - er habe sich lautere Unterstützung versprochen.

(dpa)