Während der Drache Smaug die Seestadt Esgaroth verwüstet, bedrohen längst weit zerstörerischere Kräfte Mittelerde in „Der Hobbit 3 – Die Schlacht der fünf Heere“ Foto: Warner Bros.

An diesem Mittwoch kommt „Der Hobbit – Die Schlacht der fünf Heere“ in die Kinos. Als Abschluss von Peter Jack­sons Verfilmung von J. R. R. Tolkiens „Der Hobbit“ – und als Finale eines nun um die eigene Vorgeschichte erweiterten sechsteiligen „Herr der Ringe“-Epos.

Mittelerde - Der Zwergenprinz Thorin Eichenschild, der so gerne König wäre, verschanzt sich im Einsamen Berg. Er leidet an der Drachenkrankheit. Das Gold und die Edelsteine seiner Vorfahren, angehäuft in den Hallen unterm Berg, vernebeln seine Sinne, machen ihn misstrauisch. Er lässt sogar die Menschen aus der Seestadt Esgaroth im Stich, die ihm Unterschlupf gewährt haben und die nun selbst heimatlos sind nach der Feuerattacke des Drachen Smaug – Thorin bricht sein Ehrenwort.

Er verliert sich und den Boden unter den Füßen, sein Schatz droht ihn zu verschlingen wie der Eine Ring seine Träger. Thorin- Darsteller Richard Armitage lässt das Erschrecken seinen ganzen Körper fluten, Peter Jackson zelebriert es auf schwankendem Goldgrund im weiten, dreidimensionalen Raum des Panoramafensters, das die Kinoleinwand dank Stereoskopie geworden ist.

Mächtig sind die digitalen Bildwelten, ausgestattet mit donnerndem Klang. Jeder Flügelschlag des Drachen Smaug wirkt wie der Tritt eines Giganten, jeder Feuerstoß aus seinem rot glühenden Rachen wie ein infernalischer Fausthieb. Geschmeidig gleitet die schimmernde Elbenarmee in perfekter Ordnung dahin, vor Eisen starrend, und scheppernd marschieren die Zwerge auf, und wenn die Orks mit ihren Trollen anstürmen, beben die Kinosessel. Pfeile flirren, Schwerter sengen, Mauern brechen, und beim Showdown auf gefrorenem Bergplateau knackt bedrohlich das Eis. Dritte Teile von Tolkien-Verfilmungen: üppige Schlachtengemälde.

Der kleine Hobbit Bilbo Beutlin bleibt zunächst im Wartestand. Er hat in Teil zwei zwischen den Schätzen den Arkenstein gefunden, das Symbol der Macht der Zwergenkönige, nun ringt er mit sich: Soll er ihn Thorin geben, der im Wahn versinkt? Der Brite Martin Freeman hat die Wandlung seiner Figur vom Komfortbürger zum Abenteuerer glaubhaft ausgestaltet, nun traut man ihm eine letzte Heldentat zu, die Mittelerde vorerst retten wird. Und natürlich nutzt er ein weiteres Mal die trügerische Macht des Einen Rings, der unsichtbar macht.

Die wahre Bedrohung: Der Nekromant in der verwunschenen Burgruine

Dabei sind Smaug, Thorin, Bilbo und der Ork-Häuptling Azog nur Nebendarsteller. Armselig und kleinlich wirkt der Disput von Zwergen, Elben und Menschen am Einsamen Berg um unermessliche Reichtümer, die tausendfach für alle reichen würden, angesichts der wahren Bedrohung: Der Nekromant in der verwunschenen Burgruine, der den Zauberer Gandalf gefangen hält, manifestiert sich leibhaftig als der dunkle Herrscher Sauron. Er setzt wieder an zur Unterwerfung Mittelerdes, er hat die Ork-Armeen geschickt, sich der Reichtümer zu bemächtigen.

Jackson bietet nun alles auf, was der britische Fantasy-Dichter J. R. R. Tolkien hinterlassen hat: Anmutig schwebt Cate Blanchett als Elbenkönigin Galadriel heran, eine silbrige Lichtgestalt, die magische Blitze gegen das Schattenwesen und seine Ringgeister schleudert; Hugo Weaving als Elbenfürst Elrond lässt die Gespenster mit schimmernder Klinge platzen, Christopher Lee als weißbärtiger Zauberer Saruman wirbelt mit seinem Stab unter ihnen wie ein Derwisch. Er verfolgt Sauron alleine – und wird, wie man bereits weiß, in dessen Bann fallen.

All das steht natürlich nicht im „Hobbit“, diesem kleinen Kinderbuch, das Tolkien 1937 veröffentlichte, als er sich den 1955 folgenden „Herrn der Ringe“ noch gar nicht ausgedacht hatte. Es ist Teil von Jacksons großer Interpretation: Er macht die Vorgeschichte zum Teil eines größeren Gesamtepos, er nimmt sich die Freiheit, sie zu Ende zu denken; und durchweg ist der Vorsatz zu spüren, dass Jackson es in Tolkiens Geist tun wollte, und das ist ihm im Wesentlichen auch gelungen. Am Ende beginnt „Der Herr der Ringe“: Gandalf kommt zum gealterten Bilbo mit dem nächsten, finalen Abenteuer.

Wagt sich Jackson an „Silmarillion“?

Was nun noch zu erzählen bliebe? Die Vorgeschichte, wie Tolkien sie im „Silmarillion“ skizziert hat, einem überbordenden Sammelsurium an Geschichten und Figuren? Im Internet kursiert bereits der Witz, Jackson habe die Verfilmung des „Silmarillion“ angekündigt – als 72-Teiler.

Ein Strang aus dieser Sammlung freilich müsste den Filmemacher tatsächlich umtreiben, denn ohne ihn bleibt seine Reihe unvollendet: Die Geschichte des Gestaltwandlers Sauron, der im Zweiten Zeitalter – alles bisherige spielt im Dritten – die Ringe der Macht schmiedet: drei für die Elbenkönige, sieben für die Zwerge, neun für die Menschen und den Einen für Sauron, der alle anderen heimlich kontrolliert.

Wie das endet, hat Jackson bereits filmisch angerissen. Isildur, später König von Gondor, schlägt Sauron in der entscheidenden letzten Schlacht den Finger mit dem Ring ab, weigert sich aber, diesen zu vernichten. Dafür vernichtet der Ring ihn: Isildur gerät in einen Hinterhalt und verendet kläglich im Fluss Anduin. Der trägt den Ring zum Hobbit-Fischer Déagol, den bald dessen Verwandter Sméagol erschlägt, um den Ring zu bekommen, der ihn zum gespaltenen Höhlenwesen Gollum machen wird.

Jetzt ist aber erst mal Pause. Und das ist vielleicht gut so. Zeit, sich die großartige Folge der Sitcom „Big Bang Theory“ noch einmal anzuschauen, in der sich die Nerds und Tolkien-Anhänger Leonard und Sheldon in Gollums Duktus um eine Nachbildung des Rings balgen. Oder sich den Machenschaften der dunklen Herrscher der Gegenwart zu widmen; zum Beispiel denen, die unter dem Deckmäntelchen des Freihandels Rechtsstaatlichkeit aushebeln und öffentliche Güter privatisieren wollen.

Wissen, was wichtig ist – abonnieren Sie hier den StN-Newsletter