Im Nagolder Kubus trat das "Jan-Prax-Quartett" auf. Foto: Fritsch

"Wie glauben Sie, kann man es ändern, dass das Publikum in einem Jazz-Konzert immer älter wird", so eine Publikumsfrage während des Auftrittes des "Jan-Prax-Quartetts" im Nagolder Kubus. Nun, zumindest bei dieser Veranstaltung war das kein Problem.

Nagold - Im nach Corona-Regeln vollbesetzten Kubus in Nagold saßen nämlich an diesem Abend fast nur junge Menschen – Schülerinnen und Schüler aus Musik-Leistungsfächern von vier verschiedenen Gymnasien, dem Otto-Hahn-Gymnasium Nagold, dem Christophorus-Gymnasium Altensteig, dem Andreae-Gymnasium Herrenberg und dem Eugen-Bolz-Gymnasium Rottenburg.

Jazz-Preise eingeheimst

Die Begeisterung im Saal war zu spüren, sowohl am spontanen Applaus wie auch an den positiven Reaktionen der Musizierenden: Jan Prax, Karlsruher Saxophonist, der schon viele Jazz-Preise eingeheimst hat, tonlich flexibel mit genialen Improvisationen; Tilman Oberbeck am Bass, der auch moderierte, einen souveränen Groove unterlegte, aber auch immer wieder solistisch in Erscheinung trat. Der Hamburger Bassist, von dem die Ideen zu diesem "Jazz-aktiv-Konzert" kam, moderierte die Veranstaltung charmant, mit Selbstironie und großer Sachkenntnis.

Martin Sörös überzeugte durch sein technisch brillantes, scheinbar ganz lässiges Klavierspiel. Seine Freude am eigenen Spiel bemerkte man in jedem seiner Chorusse, er konnte sein Spiel aber jederzeit auch auf eine reine Begleitfunktion reduzieren.

Eckard Stromer, Schlagzeugdozent an der Stuttgarter Musikhochschule, legte nicht nur den "Rhythmus-Teppich" unter die Musik. Kicks und Akzente saßen perfekt, teilweise bediente er sein Drumset nur mit dem Fingern. Beeindruckend waren auch die klanglichen Möglichkeiten, die er auf dem Set demonstrierte. Ein Schlagzeug lässt sich auch ganz ohne Schlägel spielen!

Schwerpunktthema im Musikabitur

"Jazz am Beispiel von 10 Standards" heißt das Schwerpunktthema, das seit 2021 auch im Musikabitur geprüft wird. Und diese 10 Standards gab es fast alle im Konzert zu hören, teilweise in einer "Vollversion", in der alle Mitspieler wenigstens einen Solo-Durchgang hatten, teilweise auch in einer vom Moderator Oberbeck ironisch "Radio-Fassung" genannten kürzeren Version.

Zu hören war zum Eingang "On a Green Dolphin Street", keines der Abi-Stücke, einfach ein guter Opener. Am Gershwin-Titel "I got rhythm" wurde das demonstriert, was man im Jazz als "contrafact" versteht: Eine neue Nummer wird über eine bekannte Akkordfolge komponiert. Die Changes, also die Akkordverbindungen von "I got rhythm" sind jedem Jazzmusiker bekannt, es gibt unzählige Umarbeitungen dieser Struktur. Gezeigt wurde dies an den Charlie-Parker-Stücken "Anthropology" und "Dexterity".

Das gleiche Prinzip wurde an der Ballade "How high the moon" und Parkers "Ornithology" demonstriert: Das Ornithology-Thema, Solo-Chorusse, dann "How high the moon", immer über die gleichen Begleitakkorde.

Die Basis für alles

Der Blues ist die wohl wichtigste Basis für alles, was sich später im Jazz, aber auch im Rock’n Roll und im Rhythm and Blues entwickelt hat. Miles Davis hat mit seinem "All Blues" eine moderne Fassung geschaffen, klanglich teilweise kirchentonal angehaucht, im ungewöhnlichen Dreier-Takt und ganz "cool arrangiert". Auch in Nagold wurde das Stück ganz lässig und "laid back", mit Soli garniert dargeboten.

Einer der "Children Songs" von Chick Corea liegt in einer vollständig notierten Fassung für Piano solo vor. In Anlehnung an Debussys "Children’s Corner" oder Schumanns "Kinderszenen" wollte sich der Jazz-Pianist Chick Corea wohl auch in der Klassik-Welt etablieren. Das Jan-Prax-Quartett hat es aber sehr spontan in einem Head-Arrangement für die vierstimmige Besetzung bearbeitet. Dem Publikum wurde dabei erklärt, wie man sich in so einem Fall absprechen kann.

Das "Girl form Ipanema" von João Gilberto ist eines der am häufigsten gecoverten Stücke überhaupt. Diesen Bossa Nova hört man auch ab und zu in Aufzügen oder Kaufhäusern, nicht aber in der fantasievollen Gestaltung, wie sie an diesem Abend zu hören war.

Eine Jazz-Lehrstunde

Eine echte Jazz-Lehrstunde war, als gezeigt wurde, in welchen Stilen ein Standard denn bearbeitet werden kann. "Autumn Leaves", ursprünglich ein französisches Chanson und eben keine Melodie aus einem Broadway-Musical, wurde in verschiedensten Stilen musiziert: ziemlich original, in einer Bebop-Version, als Bossa Nova - Eckard Stromer benutzte hier sein Schlagzeug gewissermaßen als Percussion-Ensemble - und in vielen anderen Stilen gespielt. Auch diese Performance wurde in aller Öffentlichkeit, mit einem Augenzwinkern, abgesprochen.

"So what", ebenfalls von Miles Davis, mit einem Head aus einer halbtönig höher transponierten dorischen Skala im zweiten Teil gab es nach Publikumszuruf als Zugabe, in der alle vier Mitwirkenden noch einmal ihr Können demonstrieren konnten.

Begeisternder Applaus beendete die Lehrstunde des Jazz unter dem Motto "Jazz Standards in neuem Gewand", die vom Otto-Hahn-Gymnasium Nagold und dem Christophorus-Gymnasium Altensteig, beide Musikprofil-Gymnasien, veranstaltet wurde.

Auch die vier Musiker waren begeistert, vor einem so großen und so jugendlichen Publikum auftreten zu dürfen. Der Funke sprang einfach über.