Die Amateurfußballer fürchten angesichts der hohen Energiepreise, im nächsten Winter womöglich nicht unter Flutlicht trainieren zu können. Foto: Sebastian Ruckaberle

Die hohen Energiepreise bedrohen den Sport, der sich mit allen Mitteln gegen einen weiteren Lockdown stemmen will – notfalls mit Yoga im Skianzug.

Noch ist der Winter nicht da, die Sportlerinnen und Sportler in Herrenberg aber frieren schon. Beim Duschen. Seit Ende Juli fließt in den städtischen Hallen nur noch kaltes Wasser – um Energie zu sparen.

 

Es ist nur ein erster kleiner Schritt, weitere und größere aber könnten folgen. Überall in Deutschland. Folglich fürchtet der organisierte Sport, dass ihm nach zwei dunklen Coronajahren die hohen Preise für Gas und Strom erneut das Licht ausknipsen könnten. „Egal, ob es um Schwimmbäder, Fußballplätze oder Sporthallen geht, ein dritter Lockdown darf nicht sein“, sagte Bernd Neuendorf, der Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB) beim „Stuttgarter Sportgespräch“ am Montagabend, „dieses Szenario müssen wir unbedingt verhindern.“ Weshalb hinter den Kulissen derzeit viel geredet wird.

Drei Gespräche mit dem Kanzler

Der DFB, mit 7,2 Millionen Mitgliedern der weltgrößte Sportverband, und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) machen der Politik gemeinsam Druck. Bernd Neuendorf, selbst ehemaliger SPD-Politiker, hat in den vergangenen Wochen allein dreimal mit Kanzler Olaf Scholz gesprochen, und auch die anderen Parteien werden von den Lobbyisten der Verbände bei jeder Gelegenheit bearbeitet. Schließlich spielt der Sport in den bisher geschnürten Entlastungspaketen keine Rolle. „Dass da der Eindruck entsteht, die Politik kümmert sich nicht um uns, ist nur allzu verständlich“, sagte DOSB-Präsident Thomas Weikert. Und Bernd Neuendorf meinte kurz und knapp: „Jetzt ist die Politik gefragt.“ Denn die Lage ist ernst, wofür der MTV Stuttgart als gutes Beispiel taugt.

Der umtriebigste Verein in der Landeshauptstadt hat 8900 Mitglieder, bietet pro Woche mehr als 1300 Übungseinheiten in 41 Sportarten an, dazu rund 180 Fitnesskurse. Das sind beeindruckende Zahlen, der Umfang der vereinseigenen Gebäude ist es auch. Unter anderem betreibt der MTV an zwei großen Standorten sechs Sporthallen, sechs Sportplätze, ein Fitnessstudio, einen Krafttrainingsraum, einen Wellnessbereich und ein beheiztes Freibad. Das kostet Energie. Vor der Coronakrise belief sich die Gasrechnung auf rund 100 000 Euro, für das nächste Jahr wird mit Kosten von 250 000 Euro kalkuliert. Beim Strom (rund 85 000 Euro) profitiert der Club von einem bis Ende 2023 laufenden Liefervertrag.

Vereine sind ohne Rücklagen

Angesichts der galoppierenden Preise wird beim MTV versucht, möglichst viel Energie einzusparen – mit gedimmtem Flutlicht, kürzeren Saunazeiten, halber Beleuchtung in Umkleidekabinen und Gymnastikräumen, kälteren Hallen (17 statt 19 Grad) oder kürzeren Duschzeiten. Und trotzdem sagte Peter Kolb, der MTV-Geschäftsführer für Technische Betriebe: „Im Moment ist die Lage noch nicht existenzbedrohend, sie verursacht mir aber die eine oder andere schlaflose Nacht. Das Problem ist, dass kein Verein für die Energiekrise Rücklagen gebildet hat.“ Unsicherheit birgt zudem die Frage, wie die Kommunen reagieren werden.

Zusätzlich zu den eigenen Gebäuden nutzt der MTV auch 28 Sporthallen und drei Hallenbäder, in denen die Stadt Stuttgart für das Energiemanagement verantwortlich ist. Bisher gibt es laut Kolb das Signal, dass nichts geschlossen werden wird, was den Appellen der Vereine entsprechen würde. „Wir brauchen nach zwei Jahren mit Corona-Einschränkungen offene Hallen, damit uns die Mitglieder nicht wegrennen“, sagte Kolb. Weshalb es immer noch besser wäre, die Sportstätten nicht mehr zu heizen, als sie ganz zu schließen. „Wir passen uns an. Wenn die Finger zu kalt sind für Volleyball oder Handball, ändern wir eben unser Trainingsprogramm“, erklärte der MTV-Funktionär, „und Yoga machen wir notfalls auch im Skianzug.“

In Deutschland gibt es rund 41 000 Fußballplätze

Andernorts wäre es schwieriger, Kompromisse zu finden. In Deutschland gibt es rund 41 000 Fußballplätze. Beim Thema Flutlicht geht es folglich weniger um die Idee, das Freitagabendspiel der Bundesliga am Samstagnachmittag auszutragen. Sondern vielmehr um den (früh)abendlichen Trainingsbetrieb in den mehr als 24 000 Vereinen. Und die sprichwörtliche Frage, ob bei den Kickern in diesem Winter das Licht ausgeht. „Viele Anlagen sind in kommunaler Hand, deshalb ist unsere Sorge real“, sagte DFB-Boss Neuendorf am Montag in Stuttgart. „Folglich hoffen wir, dass der Bund den Städten und Gemeinden helfen wird.“

Weil es nicht unwahrscheinlich ist, dass die Preise für Gas und Strom hoch bleiben werden, ist das Thema Energiesparen zugleich ein mittelfristiges. Natürlich auch im Fußball. Bernd Neuendorf denkt dabei an die vielen älteren Sportheime, die energetisch saniert werden müssten, an die Möglichkeit, auf deren Dächern oder auf weitläufigen Sportplätzen Fotovoltaikanlagen zu errichten, an Flutlichtmasten mit LED-Strahlern. „Eigentlich“, sagte er, „bräuchten wir ein umfassendes Sanierungsprogramm.“

„Der Sport hat genug gelitten“

Es bleibt also noch viel zu tun für die Lobbyisten des Sports, unter denen Matthias Schöck eine besondere Rolle spielt. Denn er ist nicht nur der Präsident des Württembergischen Fußballverbandes, sondern im Hauptjob Bürgermeister der Gemeinde Hildrizhausen – wo im Gegensatz zum benachbarten Herrenberg in den Sporthallen noch warmes Wasser fließt. „Es ist nicht auszuschließen, dass im Winter die Lichter ausgehen werden“, sagte Schöck mit Blick auf die vielen Sportplätze in Württemberg, seine Hoffnung aber ist natürlich eine gänzlich andere: „Ich finde, dass der Sport unter den Krisen genug gelitten hat.“