Die Schulsozialarbeit steht seit 2017 jedem Schüler – unabhängig davon, welche Klasse – zur Verfügung. Foto: Kusch

Die Zahl der jungen Menschen, die bei der Ortenauer Schulsozialarbeit Hilfe gesucht haben, hat sich im Vergleich zum Jahr 2019 fast verdreifacht. Grund dafür sind unter anderem die damaligen Schulschließungen, die sich bis heute auf die Kinder auswirken.

Die Schulsozialarbeit ist an Offenburger Schulen wichtiger denn je. Das wurde am Dienstagmittag beim Bildungs- und Kulturausschuss deutlich. „Zahlreiche junge Menschen leiden bis heute an den Folgen der Corona-Pandemie“, erklärte Marion Stumm, Sachgebietsleiterin für Schulsozialarbeit an den kreiseigenen Schulen. Die größten Probleme seien dabei Angst- oder Essstörungen sowie Depressionen. Wie ernst die Situation ist, zeigte Stumm anhand der steigenden Zahl an Beratungsterminen. Während im Jahr 2019 – also vor der Pandemie – noch 1543 Schüler Hilfe gesucht hatten, waren es 2023 rund 6600. „Und in diesem Jahr sind es bereits 4546 Termine“, so die Sachgebietsleiterin.

 

Mitverantwortlich dafür seien die langen Schulschließungen in Deutschland von 183 Tagen – ein Schuljahr hat 180 Unterrichtstage. Zum Vergleich: im Nachbarland Frankreich waren es 56 Tage. Diese hätten teilweise zu Entwicklungsrückschritten geführt. „Weitere Folgen waren massive Lernrückstände, zunehmender Schulabsentismus und ein Anstieg von psychischen Belastungen, die unbehandelt häufig zu psychischen Störungen, zu weniger sozialer Teilhabe sowie zu schlechteren Schulleistungen und Bildungsabschlüssen führen“, so die Expertin.

Zahlreiche Krisen machen den Schülern das Leben schwer

Das alles sei jedoch nicht das einzige Problem. Auch die oftmals gering ausgeprägte Resilienz junger Menschen – also die Fähigkeit, mit Problemen umzugehen – ist laut Stumm eine Herausforderung. Der Grund dafür seien die schwierigen Rahmenbedingungen für die Kinder und Jugendlichen: Kriege, Klimawandel, schwieriger werdende wirtschaftliche Situation, Digitalisierung und weitere Faktoren. Aber auch die gestiegene Zahl an Schülern mit anderen Nationalitäten und Kulturkreisen habe einen vermehrten Unterstützungsbedarf ausgelöst. So verzeichnete die Schulsozialarbeit einen Anstieg der Anzahl der Ratsuchenden um 29 Prozent. Die Beratungstermine seien um rund 30 Prozent gestiegen. „Ebenso sind die Angebote der Gruppenarbeit um 48 Prozent und die Zahl der Hinweise auf Gefährdungsmerkmale, die eine Überprüfung und Gefährdungseinschätzung notwendig machen, um 50 Prozent angestiegen“, bilanzierte Stumm.

Derzeit seien 24 Schulsozialarbeiter an den Kreisschulen tätig. Dieses Angebot muss laut der Expertin ausgebaut werden, da die Probleme der Schüler auch die Pädagogen an die Grenzen bringen. „Sie sind aufgrund der großen Altersspanne mit komplexen und oft multiplen Problemlagen konfrontiert“, beschreibt Stumm.

Schulsozialarbeit ist unverzichtbar geworden

Demnach sei die Schulsozialarbeit für die komplexer gewordenen Problemlagen der Schüler zwingend notwendig und sei unverzichtbarer Bestandteil des eines gelingenden Schulalltags an den Kreisschulen geworden. „Ein Ausbau der Schulsozialarbeit ist somit nur logisch.“

Dass die Lage immer ernster wird, erkannte auch Landrat Frank Scherer: „Dieses Bild ist bundesweit zu sehen. Corona ist ein großer Faktor, politisch wurden viele Fehler gemacht.“ So sah das auch Wolfram Britz (SPD): „Die jungen Menschen brauchen immer mehr Betreuungsbedarf. Das zeigt, dass sie mit dieser Welt nicht mehr klar kommen. Wir müssen uns auf den Weg machen und die Schulsozialarbeit ausbauen.“ Die gleiche Meinung teilte auch Hans-Jürgen Decker (CDU). Laut ihm ist es erschreckend, wie sich die Situation entwickelt hat. „Man kann den jungen Menschen einfach nur die Daumen drücken, dass sie ihr Leben meistern“, erklärte Decker.

Info – So fing alles an

Der Kultur- und Bildungsausschuss hat am 25. Oktober 2016 beschlossen, die ehemalige Jugendberufshilfe ab dem Schuljahr 2017/18 in ein Angebot von Schulsozialarbeit mit dem Schwerpunkt Übergang Schule-Beruf zu überführen. Allen rund 13 000 Schülern aller Kreisschulen in allen Schularten steht seither das Angebot zur Verfügung.