Wie könnte Schopfheim in 20 Jahren aussehen? Unter dieser Leitfrage fand mit dem „Utopischen Spaziergang“ in der „Langen Nacht der Demokratie“ am Vorabend zum Tag der Deutschen Einheit eine besondere Veranstaltung statt.
Eingeladen hatte die VHS unter Leitung von Katrin Nuiro. Gefördert wurde die Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Miteinander reden“ von der Bundeszentrale für politische Bildung. Die VHS in Schopfheim war hierbei eine von über 20 Kommunen in Baden-Württemberg, welche an dieser ersten Auflage der „Langen Nacht der Demokratie“ teilnahm.
Als Moderatoren hatte die VHS das Ehepaar Isabell Schäfer-Neudeck und Hartmut Schäfer eingeladen. Die beiden sind Gründer des Kleinunternehmens „Kraft im Wandel“, das sich als „offene Werkstatt“ im sozio-ökologischen Wandel versteh. Isabell Schäfer-Neudeck sieht ihren Schwerpunkt in Teamentwicklung und Prozessbegleitung, unter anderem bei der „Entfachung von Veränderungsprozessen“. Der Fokus von Ehemann Hartmut liegt unter anderem auf der Organisationsentwicklung und der Gemeinwohl-Ökonomie. Die Eheleute haben sich auf Visions-Workshops spezialisiert und waren daher eine ideale Besetzung für die Begleitung des „Utopischen Spazierganges“, an welchem rund 25 Personen teilnahmen.
„Trainingseinheit für die Vorstellungskraft“
Die Idee des „Spaziergang“ ging denn auch voll auf: Die Teilnehmer waren mit Spaß bei der Sache, tauschten sich rege aus und entwickelten gemeinsam zahlreiche Ideen und Verbesserungsvorschlägen für ein künftiges Schopfheim.
„Was ist demokratischer, als gemeinsam darüber nachzudenken, wie ein Ort bürgerfreundlich für die Zukunft gestaltet werden kann?“, fragte VHS-Leiterin Nuiro. Aus dieser Überlegung heraus wurde ein Abendspaziergang mit vier Stationen geplant, als Basis der gemeinsam entwickelten Visionen, wie Schopfheim im Jahr 2045 aussehen könnte.
Hartmut Schäfer erklärte den Gästen, dass alle ihre Ideen einbringen können, ob fantastisch oder realistisch. Wichtig sei, über die Entwicklung des eigenen Lebensraums nachzudenken, was zu einer stärkeren Identifizierung mit Schopfheim führen könne. „Heute Abend haben wir eine Trainingseinheit für unsere Vorstellungskraft“, sagte Schäfer und führte aus: „Utopien sind keine schlaraffischen Vorstellungen, sind auch kein linkes oder rechtes Literaturgenre. Sie sind Leitbilder, dass eine andere Welt möglich ist und machen die Zukunft greifbar“.
Treffpunkt und erster Station des „Utopischen Spaziergangs“ war das Schopfheimer Rathaus. Unterhaltsam gestaltete sich dort zunächst das gegenseitige Kennenlernen. Rund zwei Drittel der Gäste wohnen in Schopfheim und Umgebung. Weiterhin erklärten sich rund die Hälfte mit der Entwicklung von Schopfheim zufrieden. Positive Äußerungen waren hier: „Ein toller Wochenmarkt“, eine „schöne Altstadt“, oder eine „gute Verkehrsanbindung“.
Kritik, Lob und Verbesserungsvorschläge
Eher negative Äußerungen lauteten: „Gefährlich für Radfahrer“, „alte Bebauung wird zunehmend abgerissen und hässliche Bauten folgen“, „Geschäfte weichen aus auf die grüne Wiese“. Spontane Verbesserungsvorschläge lauteten: „Autos aus der Hauptstraße für eine verkehrsfreie Innenstadt entfernen“ oder „Künstler und Musiker nicht gleich nach kurzer Zeit aus der Innenstadt verscheuchen“. Viel gewonnen wäre auch, „wenn die Verwaltung und der Einzelhandel endlich verstehen würden, dass auch die Fußgänger Kunden sind“, so ein weitere Besucher. Ein weiterer Vorschlag lautete, Bäume für einen angenehmen Aufenthalt in der Innenstadt zu pflanzen und bequeme Sitzgelegenheiten zu schaffen.
Zweite Station war der Torbogen in der Wallstraße, vorbei an der Lenkplastik und der Hebelschule. Die Fragestellung, was sich in den letzten 20 Jahren verändert hatte, wurde beantwortet mit dem Fehlen einiger Einzelhändler, dem Niedergang des Krankenhauses, den Windrädern und Solardächern. Ein Besucher meinte: „Vor 20 Jahren gab es noch elf evangelische Pfarrer, jetzt gibt es noch zwei“. Schäfer ergänzte, dass die Wohnfläche pro Person statistisch um 20 Prozent gestiegen sei, und es gebe ein Drittel mehr Autos. Die Zahl der Ausländer sei von 1500 auf 3000 Personen gestiegen.
An der dritten Station im Hinterhof der Sparkasse sagte die Moderatorin: „Ich fühle Trauer und Schmerz, wenn ich diese verschachtelte Bebauung sehe“. Verbesserungsvorschläge waren Fassadenbegrünung, Musiker, Gemeinschaftsgärten, Mehr-Generationenhäuser und Gemeinschaftspunkte. Auch die Renaturierung der Innenstadt-Kanäle war ein Vorschlag. Zudem hatten Gäste den Wunsch, die „Geräusche der Stadt“ angenehmer zu machen. Weitere Vorschläge waren eine Handy-freie Zone und Wasserspiele als Anziehungspunkte für Kinder.
„Herzlich willkommen in Utopia“
An der vierten Station beim Bahnhof meinte Hartmut Schäfer: „Willkommen in Utopia“. Die Gäste hatten die Aufgaben, sich Gedanken zu machen über ihnen zugeteilte Aufgaben zu „Wohnen“, „Arbeit“, „Bildung und Engagement“ und „Natur, Stadt“. Festgestellt wurde, dass ein Wechselspiel von Wasser und Grünflächen für alle ein besseres Wohnklima schaffe.
Schließlich luden die Moderatoren in die Kulturfabrik zum abschließenden Imbiss, zum Austausch und zur Entwicklung weiterer Zukunftsvisionen ein – ein Angebot für einen „Ausflug in die Zukunft“, das gerne genutzt wurde.