Die Aufführung von „Der 52. Hochzeitstag“ stieß im Schlachthof vor voll besetztem Saal auf große Resonanz. Die Schauspieler ließen die Situationen im Stück bewusst eskalieren, um später mit dem Publikum Verbesserungsvorschläge zu suchen.
Die Geschichte des Stücks „Der 52. Hochzeitstag“ hat es in sich: Dr. Hubert Schreiner, ehemaliger Geschäftsführer, leidet an Demenz. Obwohl seine Frau Gerda oft an ihre Grenzen stößt, versucht sie, die Situation nach außen zu verharmlosen. Anlässlich ihres 52. Hochzeitstages lädt Gerda ihre Kinder ein. Die geplante Feier, die auch dazu dienen sollte, den Familienfrieden wiederherzustellen, löst zahlreiche schwelende Konflikte aus. Das Theaterstück endete mit einem herausfordernden Schluss und vielen offenen Fragen.
Schon beim Sektempfang vor dem Stück waren alle Plätze besetzt, wie es in einer städtischen Pressemitteilung heißt. Vorherrschendes Gesprächsthema war demnach die Begleitung und Pflege von Angehörigen mit Demenz und die damit verbundenen Herausforderungen. Interessierte konnten sich anhand von Flyern über das Thema Demenz, das Projekt „Zeit für mich“ und den Pflegestützpunkt informieren.
Zuschauer dürfen auch selbst mitspielen
Beatrice Meyer, Pool-Managerin des Projekts „Zeit für mich“ im Netzwerk Demenz, begrüßte rund 140 Besucher. Anschließend stellte Heike Dorow vom Pflegestützpunkt Ortenaukreis, Außenstelle Lahr, den Pflegestützpunkt sowie die Demenzagentur vor. Die Nachbarschaftshilfen informierten zudem über ihre Arbeit.
Im Stück von Karlo Müller, Theaterpädagoge und Psychotherapeut, und Kornelia Masur, Sozialpädagogin und Krankenschwester, ließen die Schauspieler die Situationen bewusst eskalieren, um im folgenden Teil gemeinsam mit dem Publikum nach Verbesserungsvorschlägen zu suchen. Anhand der Fragen „Was hat Sie berührt?“ und „Wo sehen Sie Probleme?“ wurde das Publikum in die Szenen eingebunden. Es fielen Stichworte wie Eskalation aus geringem Anlass, der Vergleich früher und heute, Kränkungen und Entmündigungen, falsche Scham, Verdrängung, die Hilflosigkeit der Angehörigen, Zeitmangel, Beschuldigungen, herausforderndes Verhalten, fehlende Diagnose, Angst vor Offenheit, das Spannungsfeld zwischen Wut und Ohnmacht sowie der Umgang mit negativen Gefühlen, Selbstschutz und Selbstfürsorge.
Im zweiten Teil wurden eskalierende Szenen erneut angespielt und das Publikum war nun aufgefordert, die Konfliktsituationen zu erkennen. Anschließend schlüpften Zuschauer selbst in die Rollen und spielten aus dem Stegreif die Szenen mit alternativen Verhaltensweisen und Reaktionen, die zur Deeskalation und Lösung der Konflikte beitragen konnten.
Der Abend ging somit weit über einen gewöhnlichen Theaterauftritt hinaus und zeigte konkrete Handlungsalternativen auf, die trotz des ernsten Themas auch mal für Lacher sorgten.
Demenz auf besondere Weise angesprochen
Das Thema Demenz ist in der Mitte der Gesellschaft noch nicht wirklich angekommen, heißt es in der Mitteilung weiter. Menschen mit Demenz gegenüber herrschen demnach oft Unsicherheit und Hilflosigkeit. Ursachen seien häufig Unwissenheit und Berührungsängste. Die Not der Betroffenen und ihrer Angehörigen werde oft nicht wahrgenommen. Pflegende Angehörige seien meist überlastet und nehmen kaum noch am sozialen Leben teil, was die Isolation der Demenzkranken und die Vereinsamung ihrer Angehörigen fördere. Pflegekräfte und Angehörige konkurrierten oft um die beste Behandlung für die Erkrankten.
Mit dem Projekt wollten die Veranstalter das Thema Demenz auf besondere Weise ansprechen und einen fruchtbaren Austausch anstoßen. Mit Mitteln des Theaters regten sie an, sich auf die Welt der Menschen mit Demenz einzulassen und die Kommunikation zu verbessern, heißt es in der Mitteilung abschließend.
Eine Kooperation
Der Theaterabend war eine Kooperation des Netzwerks Demenz, der Demenzagentur, des Pflegestützpunkts, des Mehrgenerationenhauses, von Lahr-Kultur, der Lahrer Rockwerkstatt und der Dreyspringbar, unterstützt durch das Ministerium für Soziales und Integration und gefördert durch Mittel der gesetzlichen Pflegeversicherung.