Dieses Artefakt am "Ochsen" könnte eventuell erhalten bleiben. Das Gebäude wurde im 16. Jahrhundert erbaut Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: Was tun mit dem Gebäude in der Ortsmitte? Knappe Mehrheit für ein Gutachten

Der Deißlinger "Ochsen" trieb am Dienstagabend die Gemüter im Gemeinderat um. Mit knapper Mehrheit wurde ein Gutachten beauftragt. Dieses soll aufzeigen, wie es mit dem Gebäude weitergehen könnte.

Deißlingen. Ein kleiner Rückblick: 2016 hat die Gemeinde den ehemaligen "Ochsen" erworben, um im Hinblick auf die "Neue Ortsmitte" die Gestaltungshoheit über das Areal zu bekommen. Ein Jahr später, 2017, forderte die SPD-Fraktion in einem Antrag, zu prüfen, inwieweit das Gebäude umgebaut und saniert werden könne. Dabei sollte das Augenmerk vor allem auf die Schaffung von neuem Wohnraum gelegt werden. Denn die Nachfrage an Wohnraum sei in der Neckargemeinde nach wie vor groß. In vielen Sitzungen hat der damalige Gemeinderat mit Bauträgern und Architekten gesprochen.

Dabei wurde recht schnell deutlich, dass sich eine Sanierung des Altbaus für Bauträger und Investoren nicht lohne. Schadhafte Stellen im Gebäude, unterschiedliche Dachformen sowie Um- und Anbauten seien der Grund dafür gewesen, dass Bauträger und Architekten zwar ihr Interesse signalisiert hätten. Jedoch nur, wenn ein kompletter Rückbau des Gebäudes und eine anschließende Neubebauung erfolgen könnten, hätten sie zugegriffen.

Die Stadtentwicklungsgesellschaft (STEG) wurde als Projektpartner für die neue Ortsmitte mit dieser Aufgabenstellung betraut. Zu einer Entscheidung kam es letztendlich nicht. Zur Abstimmung kam im September vergangenen Jahres jedoch der Vorschlag von Bürgermeister Ralf Ulbrich, zu diesem Thema eine Bürgerversammlung einzuberufen. Dann hätten auch die Deißlinger Bürger die Chance, sich zu äußern.

Expertise soll 30 000 Euro kosten – zu viel?

Zur Vorbereitung dieser Bürgerversammlung und zur Abwägung über die beiden Alternativen Sanierung oder Abbruch und Neubau sollte zunächst ein Sanierungskonzept erstellt werden, das die notwendigen Maßnahmen im Sanierungsfall benennt und mit Kostenansätzen unterlegt.

Alexander Vincent von der STEG war hierzu eingeladen worden. Vincent erläuterte den Räten das Angebot für ein Gutachten. Eine Bearbeitung des Gutachtens bis Ende März wurde zugesichert. Somit könnte eine Bürgerversammlung Ende April/Anfang Mai stattfinden. Ein weiteres Sanierungskonzept wurde nicht eingeholt, es wird auch kein Angebot der örtlichen Interessengruppe erfolgen. Grundlage für alle weiteren Überlegungen soll das Ergebnis der Bewertung der STEG sein. Die Kosten für dieses Gutachten: knapp 30 000 Euro.

Doch an diesen Kosten schieden sich die Geister, und zwar quer durch die Fraktionen. Jürgen Bögelspacher (CDU) schlug vor, die Fassade zu erhalten, alles dahinter Liegende abzureißen und neu zu bauen. Dem widersprach Bürgermeister Ralf Ulbrich: "Wir wollen doch keine Hollywoodkulisse im Ort." Es solle geprüft werden, ob der Erhalt des Gebäudes sinnvoll ist.

Gemeinderätin Karin Schmeh (CDU) wehrte sich gegen den Begriff der Hollywoodkulisse. "Es ist ein Ortsbild prägendes Gebäude, bei dem es sich lohnt, die Fassade zu erhalten." Bürgermeister Ulbrich sagte auch, dass die Kirchbergstraße bei der Einmündung in die Stauffenbergstraße deutlich verengt werde, egal, ob eine Neubau oder die Sanierung des Ochsens verwirklicht werde. Für Heinz Schleicher (DUL) waren die 30 000 Euro für das Gutachten zu viel des Guten. "Das ist meines Erachtens überflüssig."

Neun Räte sind dafür, acht sind dagegen

Anja Stumpf plädierte für das zu erstellende Gutachten. "Ohne das Gutachten brauchen wir keine Bürgerversammlung abzuhalten." Für Dietmar Kargoll (CDU) macht es keinen Sinn, nachdem man das Gebäude innen und außen angesehen habe, dieses umzubauen und zu sanieren. Er könne sich eine Sanierung nicht vorstellen. Warum jetzt ein Gutachten? Für Kargoll bedeute das nur die Scheu vor einer Entscheidung.

Dazu meinte Bürgermeister Ulbrich, dass ein öffentliches Interesse bestehe und deshalb eine Bürgerversammlung im Raum stehe. Auch sei es für einen möglichen Investor wichtig zu wissen, wohin die Reise gehe. "Wir wollen die Bevölkerung mitnehmen."

Innerhalb der Fraktionen selbst gab es kein einheitliches Stimmungsbild. So war es nicht verwunderlich, dass das Ergebnis der Abstimmung recht knapp ausging. Mit neun zu acht Stimmen bei einer Enthaltung wurde das Gutachten in Auftrag gegeben.

Die Räte haben es sich wirklich nicht leicht gemacht. Mit Carl Valentin gesprochen: "Demokratie ist schön, macht aber viel Müh’."