Christoph Lehmann (links) und Julian Kempf Fotos: Göttling Foto: Schwarzwälder Bote

Kirche: Kandidaten für die Landessynode rüsten sich für die Wahl und wollen auch junge Generation erreichen

"Meine Kirche. Eine gute Wahl." Unter diesem Motto ruft die Evangelische Landeskirche in Württemberg alle protestantischen Christen ab 14 Jahren zu den Kirchenwahlen am Sonntag, 1. Dezember, auf.

Deißlingen/Rottweil/Zimmern o. R. Die Mitglieder der württembergischen Landeskirche können anders als die badischen Kirchenmitglieder aus dem Umkreis, die am selben Tag zur Wahl aufgerufen sind, ihre Stimme nicht nur bei der Wahl der Kirchengemeinderäte abgeben, sondern dürfen auch über ihre Vertretung in Stuttgart und damit über die Ausrichtung ihrer Landeskirche mitentscheiden.

Zu dem flächenmäßig besonders großen Wahlkreis Balingen/Tuttlingen gehören unter anderem Kirchengemeinden Deißlingen, Rottweil und Zimmern-Flözlingen. Die Synode setzt sich aus einer festen Anzahl ordinierter Pfarrer und nicht-ordinierter Vertreter zusammen. Die Mitglieder der Landessynode schließen sich nach der Wahl zu Gesprächskreisen zusammen – ähnlich der Arbeit politischer Parteien in Parlamenten. Aktuell gibt es in der Synode vier Gesprächskreise: "Evangelium und Kirche", "Kirche für morgen", "Lebendige Gemeinde" und "Offene Kirche".

Für jeden Wahlkreis treten wie in der Politik eigene Kandidaten der Parteien ähnelnden Gesprächskreise an. Die landesweit stärkste Gruppe "Lebendige Gemeinde" schickt in der Region ein komplett neues Team und zwei der landesweit jüngsten Kandidaten ins Rennen.

Obwohl ihr angestrebtes Amt rein ehrenamtlich und mit großer Mühe verbunden ist, gestalten sie dafür einen aufwendigen Wahlkampf: durch unzählige Prospekte, in Form eines YouTube-Videos und über soziale Medien, um gerade die junge Generation zu erreichen.

In zahlreichen Veranstaltungen stellten sich die Kandidaten vor und gewannen die schriftliche Unterstützung vieler Kirchenmitglieder, darunter die einiger Pfarrer und die ihres Wahlkreisabgeordneten Volker Kauder (CDU).

Christoph Lehmann und Julian Kempf studieren Evangelische Theologie in Tübingen mit dem Ziel, Pfarrer ihrer Kirche zu werden. Dieser Wunsch läuft aktuellen Trends in der Gesellschaft zuwider. Lehmann berichtet: "Mit 16 Jahren kam ich zum Glauben an Jesus. Die Botschaft der Bibel war revolutionär für mich: Jesus befreit, gibt neue Hoffnung, vergibt und hilft mir, anderen zu vergeben. Kurzum: Er macht alles neu. Diese gute Botschaft wollte ich weitergeben."

Deshalb habe er angefangen, in der kirchlichen Jugendarbeit mitzuarbeiten. "Nach meinem Abitur ging es dann für ein Jahr nach Tansania. Von den oft armen, aber umso fröhlicheren Christen lernte ich Gottvertrauen, Freude, und Gelassenheit."

Lehmann wünscht sich eine von Nächstenliebe geprägte Gesellschaft, in der Menschen den Glauben an Gott leben und weitergeben. Der 24-jährige Student aus Tübingen sieht eine feste Orientierung seiner Kirche an der Bibel als einen Weg für eine starke Zukunft an. Er will sich für die Förderung der internationalen Ökumene und für ein einladendes und lebendiges Bekenntnis zu Jesus Christus stark machen.

Auch der 25-jährige Wirtschaftswissenschaftler Julian Kempf aus Mühlheim an der Donau beschloss nach seinem Studium in Konstanz doch noch den Weg zum Pfarrberuf einzuschlagen. "Ich wollte die weiteren 40 Jahre meines Berufslebens etwas machen, was anderen Menschen, aber auch mir selbst sinngebend ist. Da ist der Beruf des Pfarrers besonders spannend, aber angesichts der strukturellen Umbrüche, die bevorstehen, auch herausfordernd."

Als reizvoll empfindet Kempf den Kontakt mit verschiedenen Teilen der Gesellschaft. "Dort die gute Nachricht von Gottes Liebe weitersagen zu dürfen, aber auch zu leben, ist mein großer Wunsch." Er wünscht sich eine Kirche, die eine Heimat für verschiedene Menschen und für alle Generationen ist. "Dabei ist mir eine gute Versorgung des ländlichen Raums ein großes Anliegen. Die Anzahl der Pfarrer wird immer kleiner, und auch die Anzahl der Kirchenmitglieder geht zurück." Kempf wünscht sich eine "Trendwende durch mutige Investitionen" sowie neue Veranstaltungs-, Gottesdienst- und Musikformen. Den Ehrenamtlichen in der Kirche will er mehr Spielraum für eigene Ideen geben.

 Warum gibt es in den Landeskirchen unterschiedliche Wahlsysteme?

Fast überall in Deutschland war das besonders demokratisch strukturierte Modell der direkten Wahl der Landessynode nach der Unterwanderung der Kirchen durch die Nationalsozialisten abgeschafft worden. Dass die Landeskirche in Württemberg dieses Prinzip erhalten hat, ist daher eine Besonderheit. Es soll den einzelnen Gläubigen mehr Mitbestimmung und Einfluss geben.

 Wie viele Menschen sind wahlberechtigt?

Insgesamt gibt es in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg 1,75 Millionen wahlberechtigte Mitglieder. Anders als bei politischen Wahlen dürfen bereits Konfirmanden ab 14 Jahren wählen. Das soll ihr Interesse an kirchlichen Vorgängen wecken.

 Wie kann man sich die Landessynode vorstellen?

Die Synode ähnelt hinsichtlich ihrer Strukturierung und ihrer Aufgaben einem Parlament. Sie ist die gesetzgebende Versammlung der Landeskirche. Sie berät und entscheidet auch über den Haushalt und wählt einen Landesbischof.

 Wie oft wird gewählt? Wie oft tagt die Synode?

Gewählt wird alle sechs Jahre. Die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich und müssen zu Sitzungswochenenden meist nach Stuttgart fahren. Die Landessynode tagt drei Mal pro Jahr.

 Wie viele Kandidatinnen und Kandidaten gibt es?

Es treten 120 Männer und 45 Frauen an.

 Wie viele Personen werden landesweit gewählt?

Das Gremium setzt sich aus 60 so genannten Laien und 30 Theologen zusammen. Insgesamt gibt es also 90 "Synodale". Dazu kommt ein Vertreter der Evangelisch-Theologischen Fakultät an der Universität Tübingen. Außerdem können wenige Experten zusätzlich in das Amt berufen werden.

 Welche Gruppen und wie viele Vertreter gibt es in der Region?

Den Wahlkreis "Balingen, Tuttlingen" vertreten aktuell drei Vertreter der "Lebendigen Gemeinde", einer der "Offenen Kirche" und einer für "Evangelium und Kirche".