Die Polizei ermittelt weiter nach dem Überfall auf den Hofladen eines Biolandbetriebs in Deißlingen. Ein junger Landwirt wurde dabei getötet. Foto: Eich

Nach Bluttat in Deißlingen ergeht gegen mutmaßlichen Täter Haftbefehl wegen Mordes. Bestürzung in Bevölkerung ist groß.

Deißlingen - Gegen den Mann, der am Dienstag einen jungen Landwirt in Deißlingen erstochen hat, wurde gestern Haftbefehl erlassen: wegen Mordes und räuberischer Erpressung mit Todesfolge.

 

Auch am Tag nach der schrecklichen Tat auf dem Heiligenhof zwischen Deißlingen und Niedereschach, bei der ein junger Mann am Dienstag sein Leben verloren hat, ist die Bestürzung groß. "So eine Tragödie, warum ist ein Menschenleben nichts mehr Wert?", schreibt etwa Monika F. auf der Facebook-Seite unserer Redaktion in Rottweil. Sie wünscht der Familie ihr aufrichtiges Beileid. Monica S. fragt sich: "Was ist mit der Welt los?"

Unterdessen befindet sich der 61 Jahre alte Wohnsitzlose, der den jungen Landwirt getötet hat, in Untersuchungshaft. Am Mittwoch wurde er dem Haftrichter vorgeführt, und auf Antrag der Staatsanwaltschaft Rottweil wurde Haftbefehl wegen Mordes und räuberischer Erpressung mit Todesfolge erlassen. Der Mann habe Angaben gemacht, sagte der Frank Grundke, Sprecher der Staatsanwaltschaft, gestern auf Nachfrage. Dass er der Täter war, das habe der 61-Jährige eingeräumt. "Was er bestreitet, ist die Tötungsabsicht." Zu dem oder den tödlichen Stichen sei es im Gerangel gekommen. Für die Ankläger allerdings steht nach den bisherigen Erkenntnissen fest, dass es Mord war, also eine vorsätzliche Tötung.

In einer Pressemitteilung gaben Staatsanwaltschaft und Polizei am Mittwoch bekannt, wie sich die Ereignisse auf dem Biolandbetrieb nach derzeitigen Erkenntnissen darstellen.

Offenbar sei der wohnsitz- und staatenlose Mann aus Ungarn auf seiner Wanderung an dem Aussiedlerhof vorbeigekommen. In der Nacht vor der Tat habe er in einem der Hofgebäude unbemerkt übernachtet.

Die älteren Hofbesitzer, ihre Schwiegertochter und eine Angestellte waren am frühen Dienstagmorgen im Hofladen mit Vorbereitungsarbeiten beschäftigt, als es zu dem "schicksalhaften Tatgeschehen", wie es in der Pressemitteilung heißt, kam.

Polizei findet Bargeld beim Angreifer

In einem Nebenraum des Hofladens überwältigte der mit einem Strumpf maskierte Räuber demnach zwischen 7.20 und 7.30 Uhr die Schwiegertochter des Landwirtsehepaars. Er hielt ihr ein Fleischermesser vor – offenbar aus dem Laden, wie es Dienstagabend geheißen hatte –, fesselte sie und verlangte Geld. Noch sei nicht abschließend geklärt, was danach genau passierte. "Nach derzeitigem Ermittlungsstand traf der mutmaßliche Täter in der Folge im Bereich des Hofladens auf die Eltern des späteren Opfers, die er ebenfalls mit dem Messer bedrohte und die Herausgabe von Geld forderte", heißt es weiter.

In dieser Situation kam vermutlich der 38-jährige Sohn des Landwirtsehepaars hinzu. Er erkannte die Bedrohungssituation und griff den Messerträger sofort an, um ihn zu überwältigen. Bei dem kurzen Gerangel fielen beide zu Boden, wobei es zu der folgenschweren Stichverletzung kam. Der junge Bauer starb noch am Tatort.

Der Angreifer floh in ein nahes Waldstück, wo er bei einer Sofortfahndung von der Polizei entdeckt und festgenommen wurden. Die Polizei fand Bargeld bei ihm, etwas über 200 Euro, das er bei dem Raubüberfall erbeutet hatte.

Die Ermittlungsgruppe "Hof", die die Polizei eingerichtet hat, sichert weitere Spuren und vernimmt Zeugen. Die Polizei ermittle nicht nur das Tatgeschehen, erklärte Staatsanwalt Grundke, sondern versuche auch, den Weg des Wohnsitzlosen in Deutschland nachzuzeichnen. Dazu gehört die Frage, mit wem er Kontakt gehabt habe. Auch bis die gerichtsmedizinischen Ergebnisse vorliegen, dauere es noch einige Tage.

Auf Wochenmarkt bleibt eine Lücke

Wenn alle Ermittlungsergebnisse da sind, entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob und wann sie Anklage erhebt. Falls es beim Mordvorwurf bleibt, davon geht Grundke derzeit aus, würde der Fall vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Rottweil verhandelt, vermutlich Anfang kommendes Frühjahr.

Was die Ereignisse für die Landwirts-Familie bedeuten müssen, ist dagegen kaum vorstellbar. Die Lücke, die die Bluttat gerissen hat, war heute auf dem Rottweiler Wochenmarkt schon deutlich zu sehen: Der Platz des Verkaufsstands vom Heiligenhof blieb leer.