Die Wasserqualität am Oberen Neckar soll durch hohe Investitionen des gleichnamigen Abwasserzweckverbands nachhaltig gesichert werden. Foto: Archiv

Fischsterben Impuls für Großprojekt: Abwasserzweckverband Oberer Neckar will Retentionsbodenfilter bauen. Mit Kommentar.

Deißlingen/Villingen-Schwenningen - Als 2012 ein zweites Fischsterben am oberen Neckar für größeren Alarm sorgte, war dies der Impuls für ein Großvorhaben des Abwasserzweckverbands Oberer Neckar. Zwei Millionen Euro sollen für den Neubau eines Retentionsbodenfilters investiert werden. Damit will man künftig gefeit sein gegen weitere böse Überraschungen, die beim jetzigen Zustand der Abwasserableitung aus Richtung Schwenningen vor allem bei bestimmten Wettersituationen die Gewässerqualität nachhaltig beeinträchtigen können. Laut Rolf Fußhoeller, Verbandsvorsitzender und erster Bürgermeister von Villingen-Schwenningen, geht an dieser Investition kein Weg vorbei.

 

Am Ende der über etliche Regenüberlaufbecken (RÜB) in Villingen-Schwenningen führenden Belastungsstrecke soll der oberhalb der Deißlinger Kläranlage zu bauende Retentionsbodenfilter bis 2015/ 2016 als ultimative Reinigungsstelle zur Verfügung stehen, die gänzlich verhindern soll, dass über die Schiene der RÜBs noch gefährliche Schmutzfrachten in den Neckar geraten. – Auch nicht bei witterungsbedingten Ausnahmesituationen, wie im September 2012.

Nach heutiger Erkenntnis war in der damaligen Trockenperiode die über das Schwenninger RÜB Spitzwiesen abgeleitete Wassermenge so gering, dass durch einen über das Mischwasserkanalnetz aus einem Firmengelände legitim eingeleiteten Stoff ein solcher Giftstoß entstand, dass dadurch im Neckar vielen Fischen der Garaus gemacht wurde.

In enger Zusammenarbeit mit der Wasserwirtschaft habe man nach Lösungswegen gesucht, betonte Fußhoeller. Das Freiburger Ingenieurbüro Ernst+Co präsentierte bei der gestrigen Verbandsversammlung das Vorhaben, für das im kommenden Jahr geplant werden soll.

Dass nach der für 2014 vorgesehenen Sanierung zweier Belebungsbecken (600.000 Euro) ab 2015 der "Zwei-Millionen-Brocken" geschluckt werden muss, darüber waren sich in der Deißlinger Gaststätte "Staatsbahnhof" die Verbandsmitglieder aus Dauchingen, Deißlingen, Trossingen und Villingen-Schwenningen einig.

Selbst der Dauchinger Bürgermeister Torben Dorn ließ mit seiner Handhebung keinen Zweifel an der Maßnahme, obwohl er kurz zuvor spitz in die verdutzte Runde geworfen hatte, dass zu fragen sei, ob man "wegen einer Handvoll Fische diese bittere Pille schlucken muss".

Vom Deißlinger Bürgermeister Ralf Ulbrich musste sich Dorn nach seinem am Beratungstisch offenkundig als Foulspiel empfundenen Einwurf sagen lassen, dass dieses Großvorhaben für den Gewässerschutz in seiner Wichtigkeit keinesfalls kleingeredet werden sollte. Durch die Trinkwassergewinnung über den Zweckverband Wasserversorgung am oberen Neckar, der auch den Deißlinger Ortsteil Lauffen versorgt, werde das Neckargewässer sogar ganz unmittelbar zum Lebenselexier.

Auch die Vertreter der Wasserwirtschaft aus Villingen-Schwenningen und Rottweil fuhren Dorn verbal in die Parade. Um den gesetzlich geregelten Standard zu erreichen, seien nachhaltige Maßnahmen notwendig, wurde von beiden Seiten gleichermaßen betont.

Die Zeiten, als der Neckar als Abwasserkanal missbraucht worden sei, gehörten gottseidank der Vergangenheit an, sagt auch Fußhoeller.

Dass die geplante hohe Neuinvestition auch die Abwassergebühr tangieren wird, versteht sich eigentlich von selbst. Mit 43 Cent je Kubikmeter liegt sie seit Jahren auf einem fast gleichbleibenden Niveau. Bei Schulterung des "Zwei-Millionen-Brockens" wird sich der Preis laut Fußhoeller – bei einer bis 2017 voraussichtlich um 150 000 auf 778.000 Euro steigenden Vermögensumlage – auch dank hoher Abschreibungen "nur um einige wenige weitere Cent" nach oben bewegen. 

Kommentar: Voll daneben

Von Winfried Scheidel 

Zwei Millionen Euro wegen ein paar Fischlein? Markig bekundete der Dauchinger Bürgermeister Torben Dorn gestern bei der Verbandsversammlung des Abwasserzweckverbands Oberer Neckar seinen Unmut über die geplante Investition für einen Retentionsbodenfilter zwischen Schwenningen und Deißlingen, der Gewässervergiftungen künftig vermeiden helfen soll.

Durch diese Maßnahme seien Gebührensteigerungen klar vorgezeichnet. Die Ursache-Wirkungs-Beziehung – insbesondere zum letzten Fischsterben vor zwei Jahren – sei hingegen nicht genau darlegbar, moserte Dorn, um gleich darauf doch ungeniert die Hand zu heben für die geplante Großinvestition. Was den Herrn Bürgermeister wohl geritten hat mit seiner schnippischen Verbalattacke gegen eine gut begründete Maßnahme? Auseinandersetzungen in der Sache sehen anders aus!