Unfallflucht: Wegen drohenden Arbeitsplatzverlustes: 62-Jährige kommt mit kurzem Fahrverbot davon

Von einem "Augenblicksversagen" sprach Richterin Carla Kasper im Verfahren gegen eine 62 Jahre alte Frau aus dem Kreis Tuttlingen, die im September 2019 ein Auto auf der B 27 bei Deißlingen stark beschädigt hatte und einfach weitergefahren war.

Deißlingen. "Ich habe einfach nur Angst, meine Arbeit zu verlieren", sagte die Angeklagte am Rottweiler Amtsgericht, bevor das Urteil fiel. Sie hatte an jenem Tag im September an der Anschlussstelle Villingen-Schwenningen einen Lastwagen überholen wollen und offenbar nicht auf das Auto neben ihr auf der linken Spur geachtet. Sie scherte aus und rammte den Wagen an dessen rechter hinterer Seite. Dadurch sei ein Schaden von mehr als 5000 Euro entstanden, teilte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft mit. Danach sei die 62-Jährige einfach weitergefahren.

Zu Hause hatte die bis zu diesem Zeitpunkt unbescholtene Bürgerin ihr Fehlverhalten offenbar bemerkt. "Sie hat sich 30 Minuten nach dem Unfall bei der Polizei gemeldet", merkte ihr Verteidiger an. Der Geschädigte habe den Unfall erst nach einem Tag bei der Polizei gemeldet, führte er zum Vergleich an. Im Moment des Unfalls sei seine Mandantin einfach überfordert gewesen.

Die Angeklagte hatte ihren Einspruch gegen den Strafbefehl lediglich auf die Rechtsfolgen beschränkt und die Tat als solche somit gestanden. Zu ihren Lasten wurde der hohe entstandene Schaden angeführt. Dieser sei jedoch davon abhängig, wie man das andere Fahrzeug treffe, meinte Richterin Kasper.

Strafe muss dennoch sein, denn Fahrerflucht ist kein Kavaliersdelikt. Da waren sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung einig. Der Strafrahmen reicht von einer Geld- bis zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft forderte 1600 Euro Strafe und ein viermonatiges Fahrverbot. Der Verteidiger gab zu bedenken, dass seine Mandantin berufstätig sei und täglich rund 40 Kilometer zu ihrem Arbeitsplatz zurücklegen müsse.

Langes Fahrverbot wäre existenzgefährdend

Bei einem Arbeitsbeginn um 6 Uhr könne man dabei nicht auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen. "Meine Mandantin ist 62 Jahre alt. Ein Fahrverbot von vier bis sechs Monaten hieße, dass es der letzte Job ihres Lebens war", gab er zu bedenken und schlug deshalb vor, die Tagessatzhöhe zu verdoppeln und dafür die Zeit des Fahrverbots auf einen Monat zu verringern. Die erhebliche Summe von 3200 Euro erfülle den Zweck eines Denkzettels, meinte der Verteidiger.

Richterin Kasper schloss sich bei ihrem Urteil dem Verteidiger an. Eine Freiheitsstrafe sei in Anbetracht des Sachverhalts ohnehin nicht in Frage gekommen, stellte sie fest. Die Angeklagte habe Tateinsicht gezeigt. Es sei keineswegs ein typischer Fall von Fahrerflucht. Schließlich habe sie sich selbstständig und in engem zeitlichen Zusammenhang zur Tat bei der Polizei als Unfallfahrerin gemeldet und die Ermittlungen damit beschleunigt.

Grundsätzlich hätte man die Fahrerlaubnis entziehen können, meinte Kasper. Hier halte sie das jedoch nicht für angebracht. Wohl aber ein Fahrverbot, das jedoch angesichts der Problematik bezüglich der Arbeitsstelle auf einen Monat zu beschränken. Vier bis sechs Monate wären unverhältnismäßig hart, befand die Richterin.