Winfried Kretschmann machte in der Debatte um seine Nachfolge eine klare Ansage. Foto: dpa/Marijan Murat

Die Südwest-Grünen wollen sich so langsam auf eine Zukunft ohne ihren Übervater Kretschmann vorbereiten. Doch der 73-jährige Regierungschef kann Debatten über seine Nachfolge mitten in der Corona-Krise nicht gebrauchen. Er macht eine Ansage - so klar wie noch nie.

Heidenheim - Die Grünen in Baden-Württemberg haben eine neue junge Landesspitze, welche die Partei auch auf ein Ende der Ära von Ministerpräsident Winfried Kretschmann vorbereiten will. Lena Schwelling (29) und Pascal Haggenmüller (33) führen künftig die große Regierungspartei im Südwesten. Die frühere Sprecherin der Grünen Jugend erhielt am Samstag beim Landesparteitag in Heidenheim ein deutlich schwächeres Ergebnis als Haggenmüller aus dem Kreisverband Karlsruhe. Schwelling vom Realo-Flügel kam auf 77,8 Prozent, der linke Haggenmüller auf 89,5 Prozent. Sie hatten keine Gegenkandidaten und folgen auf Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand. Es wurde online abgestimmt, weil die meisten Delegierten wegen Corona nur am Bildschirm dabei waren.

Kretschmann fühlt sich fit und will bis 2026 bleiben

Unmittelbar vor der Wahl der Landesspitze stellte Ministerpräsident Winfried Kretschmann klar, dass er sein Amt bis zum Ende der Wahlperiode behalten wolle. Er sei bei der Landtagswahl im März für fünf Jahre angetreten und wolle sein Wort auch halten. „Vorausgesetzt ich bleibe so gesund, wie ich es im Moment bin. Und so fit wie ich mich fühle, werde ich dieses Versprechen auch halten“, sagte der 73-Jährige. „Ich werde mich jetzt erstmal viereinhalb Jahre weiter durch die hügeligen Landschaften der Politik bewegen.“ Erst wenn er sein Versprechen erfüllt habe, werde er sich auf das Wandern konzentrieren.

Neue Parteichefs thematisieren Wachwechsel nicht nochmal

Schwelling und Haggenmüller hatten vor dem Parteitag erklärt, eine wichtige Aufgabe der neuen Spitze werde sein, ein Verfahren für die Kür des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2026 zu finden. Diskutiert wird auch, ob Kretschmann seinen Posten schon ein Stück vor Ende seiner Amtszeit weitergibt. Der Regierungschef sagte am Rande des Parteitags: „Ich habe jetzt keine Signale, dass die sich von mir emanzipieren wollen. Dafür gibt es auch gar keinen Grund.“ Er ergänzte: „Partei, Fraktion, Regierung, die müssen an einem Strang ziehen - und zwar in dieselbe Richtung, sonst können sie keinen Erfolg haben.“

Der wertkonservative Kretschmann führt das Land seit 2011 und galt bei den Wahlen als Erfolgsgarant. Als potenzielle Nachfolger werden Fraktionschef Andreas Schwarz, Finanzminister Danyal Bayaz und auch der künftige Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir genannt. Kretschmann lobte den 55-jährigen Özdemir beim Parteitag: „Cem ist einer der besten Politiker, die wir haben.“

Schwelling geht auf Distanz zum Koalitionspartner CDU

Bei ihren Bewerbungsreden gingen Schwelling und Haggenmüller nicht nochmal auf die Nachfolgedebatte ein, sondern warben vor allem dafür, die kommunale Basis der Partei zu verbreitern. „Die Begrünung des ländlichen Raums muss eine Kernaufgabe des nächsten Landesvorstands sein“, sagte Haggenmüller. Seine Kollegin ergänzte, wenn die Grünen in mehr Städten und Gemeinden regierten, brauche man die CDU im Land auch nicht mehr. Schwelling und Haggenmüller hatten sich Anfang April in einer dramatischen Vorstandssitzung trotz Kretschmanns Votum gegen eine Neuauflage von Grün-Schwarz und für eine Ampel im Land ausgesprochen.

Schwelling kritisierte am Samstag die Position des Koalitionspartners CDU in der Migrationspolitik. Trotz der Notlage an der Grenze zwischen Belarus und der EU hätten Innenminister Thomas Strobl (CDU) und CDU-Fraktionschef Manuel Hagel gezeigt, „dass die CDU im Land da noch ganz die Alte ist“. Ihnen sei nur eingefallen, nach Grenzschließungen und -sicherungen zu rufen.

Kretschmann: Bin weder Pharao noch Moses

Zuvor hatte Kretschmann seinen Kurs in der Corona-Krise mit neuen harten Auflagen vor allem für Ungeimpfte gerechtfertigt. Die Pandemie sei eine „Plage biblischen Ausmaßes“. Das Gesundheitssystem stehe angesichts der gestiegenen Infektionszahlen „auf der Kippe“. Er sei in der Corona-Politik mit extremer Kritik und Erwartungen konfrontiert. „Ich bin weder der Pharao, der unterdrückt, noch der Moses, der befreit.“ Er erneuerte sein Eintreten für eine allgemeine Impfpflicht. „Das Impfen ist der Moses, der uns aus dieser Pandemie herausführt.“ Nur mit einer höheren Impfquote könne der „Teufelskreis“ aus Lockerungen und Lockdowns gebrochen werden.

Werbung für Ampel-Koalitionsvertrag

Der Regierungschef warb für den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP im Bund, über den seine Partei noch bis Montagmittag abstimmen kann. Der Vertrag sei „kein programmatischer Bauchladen“, sondern eine Synthese unterschiedlicher Ansätze, lobte er. „Natürlich haben wir uns in einigen Bereichen mehr gewünscht“, sagte Kretschmann in Anspielung auf die Verkehrspolitik, die künftig die FDP verantwortet. Das schmerze auch. Es sei aber eben auch so, dass die Grünen ihr Wahlziel nicht erreicht hätten. „Wir haben uns im Vergleich zur Landtagswahl vom März halbiert“, monierte er. Die Grünen hätten bei den Verhandlungen aber „richtig was herausgeholt“.