Bei den meisten Unternehmen braucht man erst ab dem dritten Krankheitstag ein ärztliches Attest. Foto: picture alliance/dpa//Christin Klose

Nach der kontroversen Forderung von Allianz-Chef Bäte das Krankengeld zu kürzen, gibt es viel Widerspruch. Doch spüren die Unternehmen in der Region einen Anstieg von Fehltagen ihrer Mitarbeiter und was für Lösungen gibt es?

Es gibt viele Bezeichnungen dafür, kurzfristig der Arbeit fernzubleiben. Unter den bunten Ausdrücken findet man blau machen, einen „Gelben“ holen oder krank „feiern“. Laut dem Vorstandsvorsitzenden der Allianz, Oliver Bäte, ist es ein Problem für Arbeitgeber und er hat auch die Lösung dafür: Am ersten Tag der Krankmeldung soll es keinen Lohn mehr geben.

 

„Deutschland ist mittlerweile Weltmeister bei den Krankmeldungen“, so wird Bäte im „Handelsblatt“ zitiert. Doch gibt es wirklich immer mehr Faulenzer als Fleißige? Wir haben bei Unternehmen, Krankenkassen und Verbänden im Kreis Rottweil nachgefragt. Wie ist der aktuelle Krankenstand und was halten sie von den Vorschlägen?

Schwarz GmbH

Die Personalleiterin Sabine Schuldis der Schwarz GmbH sagt, dass auch bei dem Unternehmen aus Neukirch der Krankenstand zeitweise auf einem hohen Niveau sei und dies zusätzliche Herausforderungen mit sich bringe, wie Lohnfortzahlung und Lieferverzug. „Wenngleich wir im regionalen Vergleich noch recht gut abschneiden“, so Schuldis weiter.

Ob der Vorschlag von Bäte zur Reduzierung der Fehlzeiten führt, sei fraglich. „Dennoch ist es eine Diskussion wert, ob die Ausfallkosten der Mitarbeitenden ausschließlich von den Unternehmen getragen werden müssen“, gibt sie zu bedenken.

Vega

Insgesamt sei – ähnlich dem bundesweiten Trend – auch beim Messtechnikhersteller aus Schiltach VEGA ein leichter Anstieg der Krankenzahlen zu erkennen, erklärt Simone Christine Baumann, Leiterin des Personalbereichs.

Mit vielfältigen Angeboten, wie Vorsorgeuntersuchungen oder Grippeschutzimpfungen unterstütze man seine Mitarbeiter beim Erhalt ihrer Gesundheit. „Wer aber krank ist, bleibt zuhause – und kommt dann wieder zur Arbeit, wenn er sich auskuriert hat“, betont Baumann.

Hansgrohe

Bei dem Schiltacher Unternehmen Hansgrohe verlasse man sich darauf, dass alle Mitarbeitenden eigenverantwortlich ihre Aufgaben kunden- und teamorientiert erfüllen.

Man vertraue darauf, dass sich Mitarbeitende nur dann krankmelden, wenn dies tatsächlich der Fall ist und dass am dritten Krankheitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingereicht wird. „Aus unserer Sicht bedarf es daher keines Karenztages“, so Pressesprecher Jörg Hass.

Mahle

Die Unternehmenssprecherin der Firma Mahle aus Stuttgart sagt, dass für das Unternehmen die gesetzlichen Regelungen maßgeblich seien. „In Rottweil haben wir eine saisonal bedingte und branchenübliche Krankheitsquote“, so heißt es in einem kurzen Statement weiter.

Braucht man bei einer Erkältung Arbeitsunfähigkeitsnachweis? Foto: Marijan Murat/dpa

Südwestmetall

Laut dem Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie „Südwestmetall“ bedeute ein hoher Krankenstand enorme volkswirtschaftliche Kosten und Belastungen für die Betriebe. „Dies wird uns auch immer dringlicher von den Unternehmen zurückgemeldet“, sagt ein Sprecher des Verbandes.

Auffällig sei, dass Deutschland höhere Krankenstände habe als in anderen europäischen Industrieländern. „Inwieweit der Vorschlag eines Karenztages zur Kosteneinsparung und zur Vorbeugung etwaiger Missbräuche überhaupt geeignet ist, muss Bestandteil dieser Diskussion sein“, so teilte der Verband weiter mit.

Deutscher Gewerkschaftsbund

Kai Burmeister, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes Baden-Württemberg, sagt: „Die Gewerkschaften haben die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erstritten. Wer krank ist, sollte nicht arbeiten – nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch im Interesse des Arbeitgebers“. Wer jetzt damit drohe, Beschäftigte fürs Kranksein zu bestrafen, treibe noch mehr Menschen krank zur Arbeit.

Mit der Konsequenz, dass Beschäftigte Krankheiten verschleppen oder Kollegen anstecken würden. „Anstatt Kranksein zu bestrafen, sollte mehr für den Gesundheitsschutz in den Betrieben getan werden. Hier gibt es noch viel Luft nach oben“, so Burmeister.

AOK

Laut den aktuellen Zahlen der AOK lag der Krankenstand im Landkreis Rottweil im ersten Halbjahr 2024 bei 5,8 Prozent (2023: 5,7 Prozent), mit einer durchschnittlichen Krankheitsdauer von 9,5 Tagen. Muskel-Skelett-Erkrankungen und Atemwegserkrankungen verursachten die meisten Ausfalltage, während psychische Erkrankungen besonders lange Krankschreibungen bedingen würden.

„Karenztage könnten auch dazu führen, dass sich Angestellte bereits am ersten Tag einer Krankheit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen lassen. Das würde wiederum zu einer noch stärkeren Belastung der Arztpraxen führen“, so die Pressesprecherin Nina Lägel.

DAK

Laut einer Studie des IGES Instituts im Auftrag der Krankenkasse DAK, zeigen sich mehrere Gründe für den Anstieg der Fehlzeiten. Zum einen das neue elektronische Meldeverfahren, die Erkältungswellen und der bewussteren Umgang mit Atemwegserkrankungen nach der Pandemie.

„Unsere Studie zeigt, dass weder die telefonische Krankschreibung noch das Blaumachen die wirklichen Gründe für den sprunghaften Anstieg sind“, so DAK-Vorstand Andreas Storm. Man brauche eine offene Debatte und müsse die wachsende Misstrauenskultur eindämmen, sagte er weiter.

Techniker Krankenkasse

Nach Ansicht der Techniker Krankenkasse setzt die Debatte an einer falschen Stelle an. Betrachtet man sich die Fehlzeitenstatistiken genauer, stellt man fest, dass Kurzzeitkrankschreibungen, tatsächlich relativ häufig sind. Allerdings machen diese nur einen kleinen Anteil an den Gesamt-Fehltagen aus. Langfristige Krankschreibungen seien seltener, fielen aber durch ihre Dauer deutlich mehr ins Gewicht.