Die Skizze zeigt in etwa die Standorte der sechs möglichen Windräder im Wald zwisschen Wachendorf, Bierlingen, Felldorf und Bad Imnau. Foto: Hürster

Hoffnungsträger in der Energiewende? Mittel zur Geldvermehrung? Mix aus beidem? Mögliche Windräder im Wald zwischen Bad Imnau, Bierlingen und Felldorf sorgen für Diskussionsstoff.

Im Oktober 2022 hat der Starzacher Gemeinderat den Abschluss eines Vertrages mit den Stadtwerken Tübingen (SWT) zum Bau und Betrieb von Windkraftanlagen auf der Gemarkungsfläche der knapp 4400 Einwohner zählenden Kommune beschlossen, seitdem liefern sich Befürworter und Gegner von Windrädern einen Schlagabtausch.

 

Kritiker stellen die Sinnhaftigkeit des Projektes in Frage und fürchten um die Natur, ihre Gesundheit und das Landschaftsbild, wenn bis zu 285 Meter hohe Windräder (inklusive Rotoren) gebaut werden. Aber auch die Sorge um einen etwaigen Wertverlust ihrer Immobilien treibt sie um. Befürworter loben das Projekt als Beitrag dazu, dass endlich mit der lang propagierten Energiewende Ernst gemacht wird.

In der Debatte um Windräder herrscht ein rauer Ton

Die Debatten zwischen Windkraft-Gegnern und -Befürwortern spielen sich allerdings nicht immer auf sachlicher Ebene ab. Vor allem in Bierlingen – dem Sitz der Gemeindeverwaltung – säumen Spruchbänder mit eindeutigen Botschaften Straßen und Grundstücke und geben ein beredtes Zeugnis dafür, wie rau der Umgangston in der kleinen Gemeinde im westlichsten Zipfel des Landkreises Tübingen derzeit ist.

Spruchband beim Netto-Markt in Bierlingen. Foto: Kost

Im Visier: Bürgermeister Thomas Noé. Ihm werfen die Kritiker vor, er habe den Gestattungsvertrag mit der SWT regelrecht durch den Gemeinderat gepeitscht und dem Gremium nur wenige Tage Vorlaufzeit gegeben, um sich mit dem Vertragswerk zu befassen.

Ein geflügeltes Wort macht Karriere

Seit besagter Gemeinderatsentscheidung vor zweieinhalb Jahren macht in der Gemeinde sogar der Begriff vom „Starzacher Trick“ die Runde: man setzt ein wichtiges Thema als Tagesordnungspunkt ganz an den Schluss einer Gemeinderatssitzung und hofft darauf, dass die zu später Stunde nicht mehr ganz so taufrischen politischen Vertreter der Gemeinde es relativ widerstandslos durchwinken.

Der Starzacher Schultes hat es derzeit also nicht einfach – auch wenn seine Motive für das Vorantreiben eines Windparks nachvollziehbar erscheinen.

Klimaziele und Einnahmemöglichkeiten

Auf der Homepage der SWT lobt er den Pakt mit den Worten: „Mehr Strom aus Windenergie zu erzeugen, hat für eine zukunftsfähige Energieversorgung und dem Erreichen der Klimaziele des Landes Baden-Württemberg auch eine wichtige Bedeutung.“ Zudem dürften die in Aussicht gestellte Pacht- und Gewerbesteuereinnahmen aus dem Betrieb eines Windparks der finanziell äußerst klammen Gemeinde aus der Patsche helfen.

Die bisherigen Geschehnisse erwecken allerdings mitunter den Eindruck, dass Noé nicht immer der Versuchung widerstehen kann, die Gegnerschaft mit kleinen Nadelstichen zu ärgern. Jüngstes Beispiel ist die öffentliche Bürger-Information zum Thema „Windpark Starzach“, die am Freitag in der Wachendorfer Mehrzweckhalle stattgefunden hat.

Bürgerinitiative als Verstalter abgelehnt

Ursprünglich wollte die Bürgerinitiative (BI) „Pro Natur Starzach“ als deren Veranstalter auftreten, doch das wurde ihr nicht ermöglicht. Also sprang die Gemeinderatsfraktion „Kurswechsel“ für die BI in die Bresche.

Dabei handelt es sich um eine Liste politisch engagierter Starzacherinnen und Starzacher, die sich erst zur Kommunalwahl im Juni 2024 formiert hat, auf Anhieb aber 40 Prozent der Stimmen bekam und seither mit fünf Sitzen die stärkste Fraktion im Gemeinderat ist.

Doch die Halle gab es auch für die Gemeinderatsfraktion nur gegen eine Bedingung: sie soll dafür eine Nutzungsgebühr an die Gemeinde entrichten, wie Kurswechsel-Gemeinderat Dieter Wagner im Gespräch mit unserer Zeitung bestätigt.

Kritik von Altbürgermeister Dunst

Vielleicht ist dies nur ein Nebenkriegsschauplatz, jedoch einer, der am Freitag das Zeug dazu hatte, die Stimmung nicht gerade in die Richtung des Bürgermeisters kippen zu lassen. Noés Vorgänger Manfred Dunst jedenfalls zeigte sich in der Versammlung verärgert über solche Praktiken. Er richtete aber nicht nur kritische Worte an seinen Nachfolger, sondern auch an Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer.

Dieser – gleichzeitig Vorsitzender des Aufsichtsrates der Stadtwerke Tübingen – mischt nämlich in der Starzacher Windkraft-Debatte hin und wieder munter mit; seine zugespitzten Statements haben in Sozialen Medien schon heftige Reaktionen verursacht. Bürgermeister Noé selbst nahm am Informationsabend wegen eines anderen Termins nicht teil.