Etliche Bezirke haben keinen Anschluss mehr an die batteriebetriebenen Mietautos des Anbieters Car2go. Das Unternehmen hat das Geschäftsgebiet gekappt. Foto: dpa

Die Bitten und Kritik der Fraktionen im Gemeinderat erweichen die Daimler-Tochter nicht, das Mietauto-Angebot bleibt in vielen Bezirken ausgedünnt. Diskutiert wurde auführlich, ein Stadtrat handelte sich gar eine Rüge des Bürgermeisters ein.

Stuttgart - Im November 2012 ging die Daimler-Tochter Car2go mit einer Mietwagenflotte von 300 batteriebetriebenen Smart in Stuttgart an den Start, inzwischen sind es 500 plus 50 B-Klasse. Vor wenigen Wochen wurde das Geschäftsgebiet von 153  auf 101 Quadratkilometer verkleinert, damit wurden 22 Stadtteile an ihren Rändern oder ganz abgehängt. Es hagelte Proteste.

„Wir werden immer besser, machen aber keine Aussage zur Profitabilität“, sagte der auch für Deutschland zuständige Car2go-Geschäftsführer Achim Hirsch am Dienstag. Vor dem Umwelt- und Technikausschuss des Gemeinderats verteidigte der Manager die Reduzierung des Gebiets. Für 98 Prozent der Kunden werde sich das positiv auswirken. Für das Unternehmen auch, denn herausgenommen habe man „die extrem schlechten Gebiete, die sich nicht rentieren“, so Hirsch. Das seien Ecken, in denen Autos im Durchschnitt 18 Stunden gestanden, also täglich nur einmal angemietet worden seien.

Korrekturen auch andernorts

Alle anderen deutschen Standorte habe man schon 2015 angepasst, dort seien die Vermietungszahlen um 80 Prozent gestiegen, in Stuttgart in der gleichen Zeit aber nur um 30 Prozent, obwohl vor allem in der Innenstadt die Nachfrage nicht befriedigt werden könne. „Wir sind uns bewusst, dass wir nicht auf viel Verständnis stoßen“, schloss Hirsch seinen Vortrag.

Ein wenig Verständnis gab es dann doch, vor allem von Michael Conz (FDP) und Eberhard Brett (AfD). Das kleinere Gebiet wirke „wie 300 zusätzliche Fahrzeuge“, sagte Brett, er habe damit kein Problem, nur mit den Knöllchen, die ihn als Nutzer störten. Bei den Mietautos von Car2go solle die Stadt „ein Auge zudrücken“, offenbarte der Anwalt ein fragwürdiges Rechtsverständnis.

FDP: Statinäre Mietmodelle sind Murks

Conz griff Grüne, SPD und SÖS/Linke-plus an, die den Eingriff teils scharf kritisierten. „Wenn sie eine Sozialheimer-Veranstaltung wollen, dann gründen sie doch eine Firma und machen es besser“, wütete Conz in Richtung von Christoph Ozasek (SÖS/Linke-plus). Stationäre Mietmodelle, wie sie die Car2go-Wettbewerber Stadtmobil und Flinkster anböten, seien „Murks, die will keiner“, so Conz.

Der Gemeinderat müsse nicht die letzte Meile bis zur Haustür diskutieren, zumal er bei der eigenen Nahverkehrstochter SSB beim Bus- und Bahnbetrieb auch auf die Kosten achte, sagte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz. Sinnvoller sei, über eine bessere Vernetzung der Systeme nachzudenken. Er danke Daimler für den „Baustein zur Problemlösung“, den Car2go darstelle.

Vorwurf des Vertrauensbruchs

Christoph Ozasek griff frontal an. Der Rückzug sei ein „Vertrauensbruch erster Güte“ von Daimler. Die Stadt habe mit kostenlosem Parken für E-Fahrzeuge und Zuschüssen für Ladestationen (der EnBW) Privilegien gewährt. Nun beschränke sich Car2go auf Filetflächen und trete in direkte Konkurrenz zu den SSB.

Der Eingriff treffe die Ergänzung des Bus- und Bahnangebots in den Außenbezirken, sagte Björn Peterhoff (Grüne). Er brachte eine Zusatzgebühr für das Abstellen dort ins Gespräch, wie sie nun in Esslingen, Böblingen, Sindelfingen und Gerlingen erhoben wird. Für Hirsch ist das kein Thema, die Gebühr für die Rückführung der Autos müsste zehn Euro oder mehr betragen.

Stella-Rollersystem noch im Aufbau

Martin Körner (SPD) sprach die gesellschaftliche Verantwortung von Daimler an und fragte nach den Stadtwerken, die mit E-Mietrollern („Stella“) auf dem Markt sind. Man wolle dieses Angebot weiter in Gang bringen, so Wolfgang Forderer, Leiter der Mobilitätsabteilung im Rathaus. Stadtist Ralph Schertlen zeigte Verständnis, Car2go habe von „Schmarotzern, die rausfahren“, nichts. Nach der Rüge von Bürgermeister Peter Pätzold (Grüne) korrigierte Schertlen, es seien „Zwangsschmarotzer“, die ja mobilitätsmäßig keine andere Wahl hätten.