Auch in Rottweil landen Lebensmittel im Müll. Wer sie mitnimmt, riskiert eine Strafe. Das könnte sich nun ändern. Tafel und Wärmestube sehen die Lösung aber woanders.
Was für die einen eine Form des Protests gegen Verschwendung ist, gilt für den Staat als Straftat: Containern, also das Mitnehmen weggeworfener Lebensmittel, kann mit Geldstrafe oder Haft geahndet werden. Doch die Diskussion darüber, ob das gerecht ist, gewinnt an Fahrt. Angesichts von Millionen Tonnen Essen, die in Deutschland jährlich im Müll landen, fordern Politiker und Aktivisten: Wer Lebensmittel rettet, sollte nicht bestraft werden.
Keine abgelaufenen Lebensmittel
In der Wärmestube Rottweil landen keine Lebensmittelspenden von Supermärkten oder Discountern in den Töpfen. „Wir erhalten hin und wieder Spenden von Bürgern, Schulen oder Vereinen – aber nicht vom Handel“, erklärt eine Mitarbeiterin.
Der Grund liegt in den strengen Vorgaben des Gesundheitsamts: Weil in der Wärmestube Speisen zubereitet werden, gilt sie rechtlich als gastronomischer Betrieb – und darf keine abgelaufenen Lebensmittel verwenden, selbst wenn diese noch genießbar wären. Eine mögliche Legalisierung des Containerns würde daran also kaum etwas ändern.
Für manche der Gäste könnte Containern theoretisch eine zusätzliche Möglichkeit sein, an Lebensmittel zu kommen. „Allerdings haben wir viele alte und kranke Gäste, die dazu gar nicht mehr in der Lage wären“, heißt es weiter. Vielmehr wünscht man sich in der Einrichtung ein grundsätzliches Umdenken im Umgang mit Lebensmitteln: „Es sollte verboten sein, genießbare Lebensmittel einfach wegzuwerfen. Das wäre ein wichtiger Schritt, um Ungerechtigkeit zu bekämpfen.“
Kriminalisierung von Verschwendung
Gleichzeitig müsse so eine Regelung in einem geordneten Rahmen geschehen – etwa über Organisationen wie Foodsharing, die allerdings selbst mit zahlreichen Auflagen und Hürden zu kämpfen haben. „Eine Kriminalisierung von Lebensmittelverschwendung könnte auch Foodsharing die Arbeit erleichtern“, meint die Mitarbeiterin der Wärmestube.
Auch die Tafel begrüßt die gesellschaftliche und politische Debatte rund um das Containern. Der Dachverband der Tafeln in Deutschland ist der Auffassung, dass niemand rechtlich dafür verfolgt werden sollte, genießbare Lebensmittel zu retten. „Eine Entkriminalisierung des Containerns könne ein starkes Signal gegen Lebensmittelverschwendung senden und die Wertschätzung von Lebensmitteln in der Gesellschaft fördern – was indirekt auch die Arbeit der Tafeln unterstützen würde“, erklärt uns die Leiterin des Tafelladens Rottweil, Gisela Rehberg.
Das Spendenverhalten von Supermärkten würde sich durch eine Legalisierung laut Tafel allerdings kaum ändern. Vielmehr müsse die Politik die entscheidende Frage stellen: Warum werfen Märkte Lebensmittel weg, anstatt sie zu spenden? Die Tafel Deutschland fordert deshalb ein Gesetz, das die Abgabe überschüssiger Lebensmittel erleichtert, indem Hürden wie Produkthaftung und Besteuerung bei der Weitergabe abgebaut werden. Eine Entkriminalisierung könne zudem helfen, den Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette zu lenken, um Lebensmittelverschwendung langfristig zu reduzieren und Containern überflüssig zu machen.
Aufklärung ist wichtig
Schließlich landen in Deutschland jedes Jahr rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll – mehr als die Hälfte davon in Privathaushalten, erklärt Rehberg. „Deshalb sei es dringend notwendig, Aufklärungsarbeit zu leisten, etwa durch Ernährungsbildung in Schulen und eine bessere Information der Verbraucher über den richtigen Umgang mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum“, betont sie.