Knöllchen stellt er keine aus, dennoch hat der Rottweiler den Verkehr natürlich im Auge. Demnächst wird es in der Waldtorstraße wieder in beide Richtungen gehen – ein weiterer Versuch. Foto: Otto

Wenn’s ums Autofahren und um gewohnte Wege geht, dann ist mit manchem Bürger nicht zu spaßen. Das hat der Verkehrsversuch in Rottweil gezeigt. Dennoch steht jetzt fest: Man will „mutig“ bleiben und bis Ende März in die modifizierte Verlängerung gehen.

Wie heikel das ganze Thema Verkehrsführung ist und wie hitzig es in Rottweil diskutiert wird, zeigte sich am Mittwochabend in der Sitzung des Verkehrsausschusses deutlich. Zwei Stunden lang wurde alle Aspekte vorgestellt und debattiert – und zwischen den Zeilen ließ sich erahnen, wie krass die Bürgerreaktionen auf die erste Runde des Verkehrsversuchs ausfielen. Von „alles doof“ über Beschimpfungen bis zu wirklich konstruktiver Kritik war alles dabei.

 

Ziel lautet: weniger Verkehr

Jetzt galt es im Ausschuss, die Richtung für die weiteren Monate vorzugeben. „Bleiben Sie mutig“, lautete der Appell des Oberbürgermeisters. Christian Ruf nahm sich viel Zeit, um die bisherigen Ergebnisse und die Reaktionen einzuordnen und an das gemeinsame Ziel zu erinnern: Der Verkehr in der Stadt soll reduziert werden. Seine Botschaft: Man nehme das Feedback der Bürger ernst. „Ich verstehe, dass sich die Begeisterung in Grenzen hält, wenn man Umwege fahren muss.“

Neben viel Kritik auch Positives

Neben viel Kritik für die neuralgischen Punkte Waldtorstraße, Marxstraße, Tannstraße und Kapuziner habe der Versuch am Friedrichsplatz aber auch einen Vorgeschmack auf eine attraktivere Innenstadt gegeben. Trotz der „ Roten Wand“ an Bussen – die bis zum Bau des neuen Umsteigepunkts leider nicht wegzukriegen sei.

Jetzt wolle man die Chance nutzen, in der „Verlängerung“ bis Ende März eine weitere Variante zu testen: mit der Waldtorstraße wieder in beiden Richtungen, der Zufahrt von oben zum Kapuziner – aber nicht mehr von unten – der nun doch wieder zweispurigen Marxstraße zur Königstraße hin. Der Friedrichsplatz – das Kernstück – soll weiter Einbahnstraße bleiben.

Horst Bisinger stoppt Zeiten

Dass der Mobilitätsbeauftragte Horst Bisinger den Verkehrsversuch förmlich „lebt“ und bei jeder privaten Fahrt sogar Zeiten stoppt, zeigte sich bei seinem detaillierten Zwischenfazit. Der Verkehr am Friedrichsplatz habe sich halbiert, in der Marxstraße habe sich der Verkehr zwar nicht erheblich erhöht aber deutlich zurückgestaut und in der Tannstraße sei die Prognose exakt eingetroffen.

Weniger Poser

Erstaunliche Zahl am Rande: 50 bis 60 Autofahrer täglich fahren im Schnitt falsch herum in den Friedrichsplatz ein. Man habe zunächst mit „viel Augenmaß“ kontrolliert, betonte Ruf. Und: Im Sommer wurden bis zu 400 Radfahrer an einem Tag auf dem Friedrichsplatz registriert – dafür deutlich weniger „Poser“ mit ihren getunten Autos. Die können nun nicht mehr praktisch hin- und herfahren.

„Wir wollen was ändern und stehen als Fraktion dahinter“, bilanzierte Elke Reichenbach von SPD+FFR den Verkehrsversuch. Jetzt sei es gut, nachzujustieren, in die Verlängerung zu gehen und zu schauen, „was dabei rauskommt“. Die Einspurigkeit in der Marxstraße hätte ihre Fraktion beibehalten.

Antrag der CDU fällt durch

Kritischer sieht die CDU die Sache. Monika Hugger bemängelte, dass für eine weitere Entscheidung zu wenig konkrete Zahlen und Auswertungen vorlägen. Die Waldtorstraße wieder gegenläufig befahrbar zu machen, sei vom „Bauchgefühl“ her gut. Am Friedrichsplatz aber sei „im Alltag“ keine große Steigerung der Aufenthaltsqualität erkennbar. Subjektiv werde die Stadt eher weniger besucht. Fazit der CDU: Der Friedrichsplatz soll wieder in beide Richtungen befahrbar werden, so der Antrag.

Friedrichsplatz das Herzstück

Dies wurde von den anderen Fraktionen abgeschmettert. Schließlich sei das „das Herzstück des Ganzen“, wie Ingeborg Gekle-Maier (Grüne) betonte. Zudem habe die Verwaltung sehr wohl Fakten und Daten für die weitere Entscheidung geliefert. „Offensichtlich hat die CDU den Mut verloren“, bedauerte Daniel Karrais (FDP) den Vorstoß.

Er sprach sich ebenso wie Peter Schellenberg (Freie Wähler) für die zweite Versuchsrunde direkt im Anschluss an der Ende der ersten am 15. Oktober aus. „Das jetzt auseinanderzureißen bringt sonst ein Durcheinander“, so Schellenberg. Klar sei, dass man in der ersten Runde an einigen Stellen „übers Ziel hinausgeschossen“ sei. Er hält es im Übrigen für „sehr modern“, mit solchen Versuchen zu testen, wie es funktioniert. „Früher hätte man so was einfach beschlossen.“

Vom Tiger zum Stubentiger?

Auch Hubert Nowack signalisierte die Zustimmung der Grünen für die zweite Runde. „Werden wir jetzt vom mutigen Tiger zum Stubentiger?“gab er angesichts der Änderungen allerdings zu bedenken. In der Schramberger Straße werde der Verkehr nun wieder zunehmen.

Die Entscheidung für die einzelnen Punkte der Runde zwei fiel weitgehend einstimmig. Klar machte OB Ruf aber auch: Bürgerfeedback ist weiter erwünscht, die derzeitige „Taktung“ der Verwaltungsreaktionen werde man aber nicht aufrechterhalten können. Dazu gebe es einfach noch zu viel anderes zu tun.

Hoffen auf sachlicheren Ton

Alle hoffen auf einen etwas sachlicheren Ton. Dass mache Bürger teilweise mit bösen Unterstellungen reagieren und wohl die grundsätzliche Einstellung haben, jeder Entscheidungsträger sei „nicht ganz sauber“, hält nicht nur Daniel Karrais für bedenklich. Jürgen Mehl (SPD+FFR) las passend dazu einige unflätige Reaktionen aus dem Netz vor.

Am 4. Oktober steht das Thema nun noch im Gemeinderat zur Diskussion – und dann soll nach Runde zwei im Februar eine endgültige Entscheidung fallen.