Die vier Grünprojekte, die im Rahmen des Förderprogramms "Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel" in Nagold realisiert werden sollen, wurden dem Gemeinderat vorgestellt – und lösten eine Diskussion aus.
Nagold - "Sehr, sehr sinnvolle Klimaschutzprojekte", nannte OB Jürgen Großmann die vorgesehenen Maßnahmen, die Rafael Beier, Leiter des Hoch- und Tiefbauamtes, dem Gemeinderat zuvor vorgestellt hatte.
Diese Einschätzung teilten nicht alle Stadträte. Eine vor mehr als 100 Jahren ausgestorbene Orchidee als Maßnahme für den Klimaschutz durchgehen zu lassen, sei "an den Haaren herbeigezogen", meinte Rose Hauenstein (Grüne). Es gebe weitaus interessantere Möglichkeiten. Zudem sei nicht glaubwürdig dargelegt worden, dass man – in Hinblick auf den Wohnungsmangel – aus dem Haus Waldeck "nichts mehr machen kann". Das Gebäude soll im Zuge des Projekts "Zurück in die Zukunft" abgerissen werden.
Fast zu 90 Prozent gefördert
OB Großmann erklärte, dass sich das Haus Waldeck aufgrund des Lärms nicht für Wohnraum nutzen ließe. Er zeigte Unverständnis dafür, dass "Gemeinderäte, die Klimaschutz für sich proklamieren", ständig "rummeckern" würden, wenn etwas getan werde. "Wenn man die Chance hat, Pflanzen wachsen zu lassen, was spricht dagegen?", sagte Großmann und hob dabei auch hervor, dass die vier Projekte zu fast 90 Prozent vom Bund gefördert werden.
Wolfgang Schäfer (CDU) sah die Ursache des Disputs darin, dass die Projekte unter dem Stichwort Klimaschutz vorgestellt wurden. Man sollte allerdings auch die lokale Brille aufsetzen, meinte Schäfer: "Es führt zu einer Verbesserung der Situation in Nagold." Jürgen Gutekunst (FDP) wies darauf hin, dass das Gremium der Umsetzung der vier Projekte längst zugestimmt hatte. "Wir kriegen fast 900 .000", betonte auch Gutekunst und ergänzte, dass er davon ausgehe, dass die Maßnahmen von Experten geprüft wurden. Auch OB Großmann machte nochmals deutlich: "Sie haben es mehrheitlich beschlossen!"
Um folgende Maßnahmen handelt es sich
1. Grüner Korridor
Bei diesem Projekt ist vorgesehen, eine durchgängige "grüne Zunge" von der Innenstadt bis an die Waldgebiete "Mittleres Bergle" und "Hinterer Wolfsberg" zu bilden. Im Zuge dessen soll das Haus Waldeck abgerissen werden, das laut Projektentwurf derzeit "eine trennende Wirkung" hat. Das Waldstück entlang der B 28 in Richtung Eisberg soll anschließend in Zusammenarbeit mit einem wissenschaftlichen Begleiter unter Verwendung heimischer Baumarten klimaresilient umgebaut werden.
2. Zurück in die Zukunft
Im Mittelpunkt des Projekts steht die Wiederansiedlung der seit dem Jahr 1900 als ausgestorben geltenden Orchideenart "Spitzels Knabenkraut" am Fuß des Nagolder Schlossberges. Dieser ist deutschlandweit der einzig bekannte Standort der seltenen Orchideenart, die um 1845 vom Apotheker Öffinger entdeckt worden ist. Damit das Hanggrundstück künftig bewirtschaftet werden kann, ist vorgesehen, die bestehenden Bebauungen der Stadt zu entfernen.
3. Grüne Pausen(t)räume
Mithilfe von sogenannten "Pocket Parks" soll das Gewerbegebiet auf dem Wolfsberg klimatisch optimiert werden. Hierfür ist vorgesehen, kleine, bislang ungenutzte öffentliche Flächen in Grünoasen umzugestalten. Neben der Erhöhung der Biodiversität sollen die "Pocket Parks" als Pausenorte für Berufstätige dienen.
4. Grüner Himmel über Nagold
Bei diesem Projekt sollen Netze in luftiger Höhe am Longwyplatz installiert werden. Das Netzdach soll laut Projektentwurf langfristig Schirme und Sonnensegel als Schattenspender ersetzen. Zudem ist vorgesehen, dass aus den Stützen, die die Netze verspannen, in Intervallen Wassernebel versprüht wird. Das Projekt soll von einem Klimatologen wissenschaftlich betreut werden, um die Auswirkungen der Installation auszuwerten.
Info: Das Förderprogramm
Das Förderprogramm "Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel" des Bundesinnenministeriums unterstützt Projekte, die der klimagerechten Stadtentwicklung dienen. Ziel des Programmes ist die gezielte Entwicklung und Modernisierung von Grünflächen zur Nutzung der in urbanen Räumen lebenden Menschen. Die veranschlagten Kosten für die vier Projekte in Nagold belaufen sich auf eine Million Euro. Die maximale Fördersumme des Bundes beträgt 888 300 Euro; der Anteil der Förderung somit 88,83 Prozent. Über die maximale Fördersumme hinausgehende Kosten für das Projekt werden von der Stadt Nagold getragen.