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Es ist entschieden: Deutschland kauft die umstrittene Datei über 1500 deutsche Steuersünder.

Berlin - Der Fiskus hat entschieden: Deutschland kauft die umstrittene Datei über 1500 deutsche Steuersünder mit Schweizer Konten. Der zuständige nordrhein-westfälische Finanzminister Helmut Linssen (CDU) erklärte am Donnerstag die rechtliche Prüfung für beendet und wies die Finanzbehörden zum Kauf der CD an, für die laut Medienberichten 2,5 Millionen Euro verlangt wurden.



Zuvor hatten bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) grundsätzlich grünes Licht für den umstrittenen Deal gegeben. Bund und Länder wollen sich die Kosten teilen.



Zugleich verlautete, dass es in der Affäre offenbar um wesentlich mehr Geld als die bisher geschätzten 100 Millionen Euro geht, die dem Staat an Steuernachzahlungen winken. Es handle sich um einen der größten Komplexe von Steuerhinterziehung durch Deutsche überhaupt, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf Behördenkreise. Die brisanten Steuersünder-Daten betreffen der Zeitung zufolge die Züricher Bank Credit Suisse, die in Deutschland 13 Filialen unterhält.



Linssen wies anhaltende rechtliche Bedenken auch aus den Reihen von Union und FDP zurück. "Die handelnden Amtsträger machen sich nicht strafbar", erklärte der Minister im Düsseldorfer Landtag. Die Behörden seien verpflichtet, den Straftatbestand der Steuerhinterziehung zu verfolgen. Geschähe dies nicht, sei dies "Strafvereitelung im Amt".



Das Angebot zum Ankauf der Steuersünder-CD war zunächst an die für spektakuläre Verfahren bekannte Steuerfahndung Wuppertal gegangen, die auch in der Liechtenstein-Affäre vor zwei Jahren eine Schlüsselrolle gespielt hatte.



Der Dresdner Rechtsanwalt Frank Hannig erstattete unterdessen wegen Handels mit den offenkundig illegal beschafften Steuerhinterzieher-Daten Strafanzeige gegen Merkel bei der Staatsanwaltschaft Berlin. Es bestehe der Verdacht der Anstiftung zu Straftaten, unter anderem zu Hehlerei, Begünstigung und dem Ausspähen von Daten. "Die Staatsanwaltschaft muss prüfen, ob das, was die Bundeskanzlerin öffentlichkeitswirksam tut, noch von den Gesetzen der Bundesrepublik gedeckt ist", sagte der Strafverteidiger, der selbst CDU-Mitglied ist.



Schäuble rechnet derweil trotz des Daten-Deals nicht mit einer Verschlechterung der Beziehungen Deutschlands zur Schweiz: "Es wird keine Eiszeit geben. Es ist doch völlig in Ordnung, dass dieses Thema in der Schweiz ähnlich kontrovers diskutiert wird wie in Deutschland." Schweizer Politiker hatten die Kaufankündigung scharf kritisiert und teils von einer "Kriegserklärung" gesprochen.



Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) bemühte sich ebenfalls um Entspannung: "Wir haben ein Interesse an einer vernünftigen Lösung." Es gebe diplomatische Kontakte zwischen Berlin und Bern. "Die Gespräche laufen sehr vertrauensvoll." Dass Deutschland Geschäfte mit Ganoven macht, verteidigte Pofalla. "Der Staat darf Steuerstraftäter nicht ungeschoren davonkommen lassen", sagte der Kanzleramtschef.



Unions-Fraktionschef Volker Kauder und der Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Siegfried Kauder (beide CDU), erneuerten unterdessen ihre Bedenken gegen einen Datenankauf, ebenso der FDP-Rechtsexperte Christian Ahrendt. "Ich bleibe bei meinen Vorbehalten, weil ich glaube, dass der Rechtsstaat nicht alles darf", sagte Volker Kauder. Merkel habe ihre Position erklärt und setze sie durch. "Und das zeigt, Angela Merkel und Volker Kauder sind in den allermeisten Fragen einer Meinung, aber nicht in allen".



SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte: "Es wäre wünschenswert, wenn wir durch bilaterale Abkommen mit der Schweiz und anderen Steueroasen so weit kommen, dass solche Manöver in Zukunft nicht mehr notwendig sind."